Nichts ist unmöglich – solange du es willst! Vom Couchpotato zum Läufer Part 1

© Info

Wir gehen laufen, vielleicht täglich, vielleicht zum Ausgleich, laufen Wettkämpfe, genießen die Trails. Doch wer sind die Menschen, denen wir begegnen, auf den Trails, die ab und zu die Welt bedeuten? Jeder von uns hat seine eigene Geschichte zu erzählen, von Auf und Abs, von Schmerzen und Krankheiten, von Glück und Freude, von Freiheit und Abenteuer.

Und manche davon gehören einfach erzählt! Um Mut zu machen, Selbstvertrauen zu wecken und zu zeigen #aufdentrailssindwirfrei!!

Genau das möchten wir in diesem Winter machen – Geschichten erzählen! Von den Menschen, denen wir vielleicht ab und zu auf den Trails begegnen,  von ihrem Weg zum Laufen, von ihrem Weg zum Trailrunning.

Unsere erste Geschichte handelt von Christian Mayer, einen überaus sympathischen Läufer aus dem Bayerischen Wald,  liebevoller Vater zweier kleiner Kinder und glücklich verheiratet. Wenn Christian nicht im Büro sitzt  oder mit seinen Kindern anzutreffen ist, dann läuft er, egal ob bei Tag oder Nacht, ob bei Schnee, Regen oder Sonnenschein. Warum, dass lest am besten selbst!

Vom Coachpotato zum ambitionierten Freizeitläufer

„So sah ich noch vor zwölf Jahren aus, und mit Sport kannst es auch Du schaffen“ – dieser abgewandelte Werbespruch gibt im Grunde genommen meine eigene persönliche Geschichte wieder.

Wie es insgesamt aber zu meiner Leidenschaft für das Laufen kam, mit welchen Rückschlägen ich zu kämpfen hatte und welche positiven Nebeneffekte damit einhergingen, dass möchte ich Euch im folgenden berichten.

Vorgeschichte

Nach meiner Schulzeit entschied ich mich die Laufbahn der Offiziere als Soldat auf Zeit für 12 Jahre einzuschlagen. Diese Zeit war für mich der prägendste Lebensabschnitt und durch die positiven, aber vor allem auch durch die negativen Momente wurden viele meiner Charakterzüge nachhaltig geprägt. So lernte ich in scheinbar ausweglosen Situationen Durchhaltewillen zu zeigen und dabei auch andere zu motivieren. Neue Herausforderungen nahm ich immer dankend an, um meine persönlichen Grenzen auszuloten und meine Leistungsfähigkeit weiter auszubauen.  Die sportliche Komponente war zwar vorhanden, hatte aber nie mein persönliches Hauptaugenmerk und gerade die persönliche Fitness hatte doch das eine oder andere Mal darunter zu leiden. Ich war starker Raucher, benötigte im Schnitt zwei Schachteln am Tag und ließ auch ansonsten kaum eine Feier aus. Da ich durch den alltäglichen Truppenalltag genügend Bewegung hatte, standen meistens Currywurst, Schnitzel mit Pommes oder andere fettreiche Spezialitäten auf meinem Speiseplan. Gerade zu den unmöglichsten Nachtzeiten kam mir aufgrund ungezügelter Feierlaune das Angebot von diversen Schnellrestaurants gerade recht. Obwohl ich diesen ungesunden Lebenswandel pflegte, konnte ich allen körperlichen und mentalen Prüfungen stand halten und je stärker die verschiedenen zeitlichen  Belastungen durch verschiedene Übungsplatzaufenthalte waren, umso mehr fand ich Gefallen an diesen. Zwischenzeitlich schlug nach einer Versetzung in den bewegungsarmen Stabsapparat der Bundeswehr die Waage doch noch zu und ich hatte das für mich erschreckende Gewicht von 90 kg auf 1,74 m erreicht. Mit eiserner Disziplin und dem Wissen das es in dieser Art und Weise nicht weitergehen dürfte, hungerte ich mich nach dem FdH- Prinzip auf ein relatives Normalgewicht von 75 kg herunter. Meiner Leidenschaft für Pommes, Schnitzel und Burger frönte ich aber nach wie vor, nur das ich ab jetzt durch den regelmäßigen Gang auf die Waage immer wieder rechtzeitig die Reißleine zog. Durch einen einfachen Trick und die gleiche eiserne Disziplin, die mir bereits bei der Gewichtsreduzierung behilflich war, gelang es  mir am Ende meiner Dienstzeit doch noch mit dem Rauchen aufzuhören.

Ein neues Leben beginnt

Nach meiner Bundeswehrzeit fiel ich zunächst in ein tiefes Loch, da für mich das vorher Selbstverständliche einfach wegbrach. Der vorher so geordnete Tagesablauf war nicht mehr vorhanden.

Ich bin ein Mensch der mitunter sehr viel und sehr gerne in Gesellschaft redet, aber die eigentlich wichtigen Gefühle für sich selbst behält und darüber kein Wort verliert. Ich trauerte meiner gewohnten Umgebung sehr lange im Stillen nach und allmählich wurde mir bewusst, welche Möglichkeiten ich vorher hatte und ich eigentlich nie so richtig zu schätzen wusste. Ich musste mir nun andere Wege suchen, um meinen Drang nach Bewegung und Herausforderungen zu stillen. Zunächst einmal beschränkte sich die Befriedigung des Bewegungsdrangs  auf verschiedene und häufig durchgeführte Bergwanderungen sowohl im Bayerischen Wald als auch im Alpenraum. Die verwandtschaftlichen Beziehungen meiner Frau zu Garmisch-Partenkirchen kam uns dabei sehr zu Gute, so dass wir unser Quartier mehrmals im Jahr im Landkreis Weilheim-Schongau aufschlugen und dies als Ausgangspunkt zu interessanten und ausgedehnten Wanderungen nutzten.  Auch mehrere dienstliche Lehrgänge im schönen Oberammergau kamen mir immer sehr gelegen. Der Wanderrucksack stand morgens schon immer fertig gepackt und griffbereit in meiner Unterkunft und sobald das Signal zum Unterrichtsschluss ertönte war von mir nur noch ein imaginärer Kondensstreifen zu sehen. So kam es, dass das Werdenfelser Land zu einem meiner Lieblingsplätze wurde. Schon damals machte es mir unheimlich viel Spaß trotz schwerer Bergstiefel und viel zu viel Gepäck den Berg im schnellen Wanderschritt zu begehen und geplagte Flachlandtiroler in Erstaunen zu versetzen.

Da mir persönlich diese Wanderungen für mein Wohlbefinden nicht ausreichten, kaufte ich mir ein Mountainbike und begann mit regelmäßigem Ausdauertraining.

Laufen – eine neue, alte Leidenschaft

Die Entdeckung der Lauflust begann durch eine Wette, als mich im Herbst 2013 ein ehemaliger Arbeitskollege darauf anspitzte, ob ich die Halbmarathondistanz im Rahmen des Regensburg Marathon überhaupt schaffen würde. Dies war für mich der Anlass ein regelmäßiges Lauftraining aufzunehmen und mit einer Mischung aus Ehrgeiz und Freude an der Bewegung alles zu geben. In meinen Übereifer machte ich alles falsch was man sich nur vorstellen kann. Jedem Laufanfänger wird empfohlen in möglichst langsamen Tempo mit kurzen Distanzen und geringen Umfang zu starten. So die Theorie, meine persönliche Praxis sah damals leider anders aus. Ich startete mit einer Strecke von 8 Kilometern und kannte dabei nur Vollgas. Das sich dabei mein HF- Bereich zwischen 160 und knapp 180 bewegte, war für mich total normal. Meine Umfänge starteten bei knapp 50 km die Woche und wuchsen stetig an. Der Begriff „Regeneration“ war mir vollkommen fremd. Natürlich konnte ich gerade zu Beginn meine Kilometerzeiten erheblich verbessern und dies bestärkte mich nur noch weiter in meiner Meinung alles richtig zu machen. Ich trainierte ohne Rücksicht auf Verluste und ohne auf meinen eigenen Körper zu hören. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ich nicht lange auf meine erste Laufverletzung warten musste. Es war im kalten Januar 2014 als auf einer schnellen Laufrunde mit einem lauten hörbaren „Ratsch“ ein stechender Schmerz in meinen linken Unterschenkel fuhr und ich abrupt stehen bleiben musste. Nun ging erst einmal nur noch langsames gehen und der Besuch beim Orthopäden brachte dann die Gewissheit: Muskelbündelriss im Unterschenkel – mind. 4 Wochen Laufpause und anschließend erst einmal  eine langsame, ruhige Aufnahme des Lauftrainings.

Wie stellt sich der Doktor das nur vor? Am 04. Mai ist der Halbmarathon, bis dahin muss es laufen. Die folgenden 4 Wochen waren eine Qual für mich und allen gut gemeinten Ratschlägen zum Trotz stieg ich anschließend mit unverminderter Härte in das Training wieder ein. Und so gelang es mir in einer Zeit von 1:39 h meinen ersten Halbmarathon zu finishen. Ich war so furchtbar stolz auf mich und meine Leistung und so ist es nicht verwunderlich das noch zwei weitere Halbmarathondistanzen mit dem Straubinger Herzogstadtlauf und im Rahmen des Chamer Stadtlaufes folgen sollten. Von Trainingslehre hatte ich immer noch keine Ahnung und so war das Jahr 2014 geprägt von weiteren kleinen Verletzungen (Muskelfaserriss, Achillessehnenbeschwerden etc.) und der immer von neuem mühsame Einstieg in das Lauftraining. Da ich mich aber mittlerweile auch für das Umfeld des Laufsports interessierte, war ich im September fasziniert von den über 200 mutigen Läufern und Läuferinnen die im Laufschritt den Kaitersberg bezwangen. Ich konnte mir das damals noch nicht vorstellen, fand diese Art des Laufes aber sehr interessant und trainierte ab sofort auch das eine oder andere Mal auf meinem heimischen Roßberg. Groß war die Freude als ein gewisses Team Gamsbock über die Heimatzeitung publik machte, eine große Laufveranstaltung im Mai 2015 durchführen zu wollen. Der U- Trail Lamer Winkel war geboren und glücklicherweise wurde hierbei mit dem Osserriesen eine Kurzdistanz über damals 7 km angeboten. Den Ultralauf mit 53 km würde ich nicht überleben, dies war mir bei allem Ehrgeiz vollkommen klar, und so wählte ich den Osserriesen als meinen Einstieg in die Welt der Trailläufe.

Ein ständiges bergauf- und bergab – Laufen ohne Konzept

Obwohl das Wetter am 30. Mai 2015 nicht unbedingt das Beste war, war ich dennoch gefesselt von dieser bisher bei uns noch nie erlebten einmaligen Stimmung am Lamer Marktplatz. Der Osserriese und das gesamte Drumherum haben mich total begeistert. Es war für mich faszinierend, mit wieviel Freude und mit wieviel Herzblut diese relativ kleine Organisationsgruppe diesen Event stemmte und so unvergesslich machte. „Von Trailrunner für Trailrunner“ lautete damals der Slogan der eigentlich alles auf den Punkt brachte. Als ich von diesem Lauf nach Hause fuhr, stand mein Entschluss fest, dass ich mich 2016 der Herausforderung des Ultratrails stellen will.

Nun hatte aber die Saison 2015 gerade erst begonnen und damit mein 2. ambitioniertes Laufjahr. Neben vielen kleineren Wettkämpfen war ein weiteres großes Highlight mein erster Start beim Kine vom Kaitersberg und nach 45 min stand ich voller Stolz am Gipfel. Ich fühlte mich in der bunten Familie der Trailrunner angekommen.

Die Halbmarathondistanz beim München Marathon bildete für mich den Abschluss der Laufsaison 2015. Noch war ich mehr auf der Straße als im Gelände unterwegs, doch das sollte sich im Laufe der nächsten beiden Jahre stark verändern.

Um es kurz zu gestalten, es war wiederum ein Jahr der Schmerzen und der kleinen Erfolge. Ich steigerte mich von Wettkampf zu Wettkampf musste aber immer wieder sehr schmerzhafte Rückschläge einstecken. Und dabei waren dies alles selbstgemachte Probleme – falsches Schuhwerk, Fehler bei der Ernährung und weiterhin kein Wissen über die Trainingslehre. Ein Nebeneffekt meiner hohen Laufumfänge war eine weitere Gewichtsreduzierung. Durch das regelmäßige Training verlor ich im Laufe der Saison Schritt für Schritt weiter an Gewicht und fand mich Ende 2015 auf einen Niveau von ca. 65 kg. Ich hatte das ganze Jahr über meine asketische Lebensweise durchgezogen, dabei aber nicht den erhöhten Kalorienbedarf bedacht. Ein weiterer Knackpunkt war die Zusammensetzung der Ernährung. Ich berücksichtigte zum einen zwar zumindest teilweise den hohen Bedarf an Kohlehydraten vor Wettkämpfen, vernachlässigte aber die Proteinzufuhr zur Regeneration des Muskel- und Bandapparates. Ich war erfreut über mein neues Wohlfühlgewicht. Nun musste ich aber beginnen die Ernährung entsprechend zu steuern um nicht in eine Magersucht abzurutschen. Angesprochen auf mein Gewicht blieb ich nach außen hin relativ locker, in mir selbst wusste ich aber sehr wohl, dass ich mich mittlerweile auf einer gefährlichen Gratwanderung zwischen Wunschgewicht und krankhafter Essstörung befand.

Mental und Kreislauftechnisch war ich zu diesem Zeitpunkt bereits weiter, als dies mein Bandapparat zuließ. Diverse Studien haben gezeigt, dass die Anpassung an große Belastungen durch das Laufen über einen Zeitraum von ca. 2 Jahren geschehen und man Dauer und Umfänge der Läufe nur sehr langsam steigern soll um ein erhöhtes Verletzungsrisiko ausschließen zu können. Ich wusste es natürlich scheinbar besser und ließ mich in meinen Tatendrang nicht aufhalten. Dies führte zu einer langwierigen Entzündung im Bereich des linken Sprunggelenks. Durch die ständige Belastung des Fußes ohne  Möglichkeit einer Regeneration passierte es mir nun mittlerweile sehr häufig, dass ich bei meinen Trailläufen schmerzhaft umknickte. Gerade der linke Fuß wurde dadurch stark in Mittleidenschaft gezogen. Oftmals beendete ich unter starken Schmerzen mein Training.

Im Nachhinein betrachtet kann ich nicht bestimmen, ob es Dummheit, Sturheit, übertriebener Ehrgeiz oder die Liebe zum Laufsport waren, die mich dazu brachten immer wieder anzufangen und weiter zu trainieren. Vermutlich war es eine bunte Mischung aus diesen Eigenschaften.

Auf jeden Fall lernte ich jede Menge andere Laufverrückte kennen und es machte einfach Spaß bei den unterschiedlichsten Laufveranstaltungen immer wieder die gleichen Menschen zu treffen und mit diesen Spaß zu haben.

Wie es Christian bei seinem ersten Ultratrail erging und was die beiden folgende Laufjahre für ihn bereit hielten, das erfahrt ihr in Teil 2 von „Vom Couachpotato zum ambitionierten Läufer„!