Benedikt Hoffmann ist an Vielseitigkeit kaum zu überbieten: Vom 10 Kilometer Straßenlauf über 50 und 100 Kilometer auf Asphalt bis zum Berglauf hat der ASICS Athlet alles im Repertoire – und das auf höchstem Niveau. Seit einigen Jahren macht er darüber hinaus durch zahlreiche internationale Erfolge auf Trails auf sich aufmerksam. 2023 ist er der einzige männliche deutsche Athlet, der in den A-Kader der Trail-Nationalmannschaft berufen wurde. Wir trafen Bene zum Gespräch.
Interview: Benedikt Hoffmann
50 Kiometer Straße, 100 Kilometer Straße, klassischer Berglauf, Berglauf Langdistanz, Ultratrail. Kannst du deine Einsätze für das Deutsche Nationalteam eigentlich noch zählen? Woran erinnerst du dich besonders gern?
Benedikt: Zehn Mal bin ich für die deutsche Berglaufnationalmannschaft gestartet. Hinzu kamen drei Einsätze für die deutsche Ultralaufnationalmannschaft. Mein erster Einsatz 2013 bei der Berglauf-Europameisterschaft in Bulgarien war ein sehr euphorischer Lauf. Zunächst stand meine Nominierung auf der Kippe. Dann habe ich aber prompt mit dem 12. Platz als bester deutscher Läufer überzeugt. In den Folgejahren konnte ich insgesamt noch sechs weitere Male als bester deutscher Läufer bei einer EM oder WM zeigen, dass ich ins Team gehöre. Meine bisher beste Platzierung war Platz 5 in der Einzelwertung bei der WM in Podbrdo/Slowenien. Über die Jahre kamen wir insgesamt vier Mal auf´s Podest mit der Mannschaft und ich konnte immer entscheidend dazu beitragen.
Bei aller Vielseitigkeit. Hast du eine Paradedisziplin oder ein Rennformat, dass dir besonders Spaß macht?
Benedikt: Strecken, die mehr positive als negative Höhenmeter haben, liegen mir besonders. Es darf ruhig über technisch anspruchsvolle Downhills runter gehen, das gehört sowohl zum Berg- als auch zum Traillauf dazu. Besonders wenn die letzten Kilometer zum Ziel bergauf gehen, kann ich trumpfen. Beim Zermatt-Marathon, dem Ultra Sierra Nevada oder dem Glacier3000 habe ich das gezeigt. Alle Läufe habe ich mit starken Zeiten gewonnen.
Neben Rosanna Buchauer bist du der einzige deutsche Athlet, der in den A-Kader der Trail Nationalmannschaft berufen wurde. Im Hinblick auf die bevorstehende WM (World Mountain and Trail Running Championships WMTRC 2023) wird diese spärliche Nominierung durchaus kritisch betrachtet. Mit Hannes Namberger steht einer der besten Trailläufer der Welt (925 ITRA Punkte / Stand: 07.02.2023) nur im Perspektivkader. Andere namhafte Athleten wurden nicht berücksichtigt. Wie beurteilst du die Situation?
Benedikt: Es scheint, dass die Trail- und Berglauf WM in Thailand letzten November ein Kriterium für die Kader-Nominierung gewesen ist. Irgendeinen Maßstab braucht man. Für die WM in Innsbruck hat aber nach wie vor jede Trailrunnerin und jeder Trailrunner noch die Möglichkeit durch gute Leistungen zu überzeugen und sich für die WM zu empfehlen. Der Itra-Score ist ein interessantes Maß, der sich in der Trailszene durchgesetzt hat. Er lässt einen gewissen Vergleich zu. Der zugrunde liegende Algorithmus ist teilweise aber auch umstritten. Wir sind beim alten Problem. Im Straßenlauf kann man Nominierungen durch klare Zeitlimits regeln. Im Trail- und Berglauf geht das nicht.
Mal ganz persönlich gefragt: Wie fühlt es sich an, dass z. B. Hannes nur im Perspektivkader steht, du selber aber im A-Kader?
Benedikt: Ich konzentriere mich auf meine Leistung. Das habe ich immer schon so gemacht. Ich habe durch meine vielseitigen Aufgaben auch gar keine Zeit die Leistungsentwicklung anderer Athleten zu verfolgen. Für die deutsche Trailszene ist es aber toll, dass wir einen wie Hannes haben, der besonders über die Ultratrail-Distanzen mega erfolgreich war die letzten Jahre.
Neben den Einzelwertungen zählt bei einer WM auch die Mannschaft. Wie wichtig ist diese Kategorie für dich – vor allem da mit der aktuellen Minimalbesetzung gar kein Team vorhanden ist? Hätte Deutschland bessere Karten, wenn man die Anzahl der Starter voll ausschöpfen würde?
Benedikt: Wie oben bereits erwähnt, die Möglichkeit sich zu nominieren, besteht ja noch. Bisher wurde lediglich der Berg- und Traillaufkader aufgestellt. Nun hoffe ich, dass potentielle Kandidaten ihre Chance nutzen und sich bei den entsprechenden Rennen empfehlen. Der DLV wird das sicher anerkennen und geeignete Kanditaten-/Innen für die WM nominieren. Klar, eine starke Mannschaft bei einer WM ist das „A und O“. Es hat mich in der die Vergangenheit immer enorm motiviert für eine Team-Medaille zu kämpfen.
Wie wichtig ist eine WM für dich generell in der Trailszene? Oder anders ausgedrückt: Was würdest du wählen, wenn du dich zwischen der WMTRC und einem UTMB Rennen entscheiden müsstest?
Benedikt: Das neue Format der Berg- und Traillaufweltmeisterschaft wie sie in Thailand stattgefunden hat, wird meiner Meinung nach in der Trailszene in Zukunft eine große Rolle spielen. Es wurde gezeigt, dass man fast alle starken Athleten-/Innen auf ihren verschiedenen Paradedisziplinen zusammenbringen kann bei einer WM. Die UTMB-Serie gewinnt natürlich auch immer mehr an Bedeutung. Eine wirklich herausragende Bedeutung hat aber nur das UTMB-Finale in Chamonix. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen sich auch in Zukunft absprechen werden, um eine Terminkollision zu vermeiden. Kurzum: Die Entscheidung würde mir in der Tat schwerfallen.
Anfang April wird es beim Ötzi Trailrun Naturns einen 30 Kilometer langen Sichtungswettkampf für die WM-Disziplinen Short- und Longtrail geben. Anfang Juni dann die WM. Was steht sonst noch in deinem Wettkampfplan für das Jahr 2023?
Benedikt: Mitte März starte ich bereits beim Ecotrail Paris (80 KM), Mitte April laufe ich in Istrien beim UTMB-Rennen über 42 Kilometer. Ende April folgen die deutschen Berglaufmeisterschaften für mich. Die Rennen nach der WM in Innsbruck sind noch nicht fix.
Wie siehst du die Zukunft der Trail-Wettkämpfe? Namhafte Veranstaltungen waren 2022 schon Monate im Voraus ausgebucht, das UTMB-Konstrukt ist massiv ausgebaut worden, es melden sich immer neue Destinationen auf der Welt mit Veranstaltungen zu Wort. Wie wird es in 5 Jahren aussehen?
Benedikt: Die steile Entwicklung wird weiter gehen, denke ich. Es wird aber auch kommerzieller werden, was nicht ausschließlich positiv ist. Auch Triathlon war mal in den Kinderschuhen und genießt mittlerweile eine gewisse Publicity. Eine ähnliche Entwicklung könnte ich mir vorstellen für den Traillauf.
Ich weiß, du bist Lehrer für Chemie, Biologie, Geographie und hast auch kürzlich Nachwuchs bekommen. Wie bewältigst du deinen Trainingsalltag? Bist du mittlerweile Profi?
Benedikt: Ja, mittlerweile habe ich zwei Söhne im Alter von vier und eineinhalb Jahren. „Meine Jungs“ bedeuten mir sehr viel, sie erfordern aber auch entsprechend viel Unterstützung. Nach wie vor arbeite ich noch mit einem reduzierten Deputat als Lehrer. Das hilft mir mit ganz alltäglichen Problemen des Lebens konfrontiert zu sein und nicht nur an Training, Training, Training zu denken. Der Begriff Profi ist sehr relativ. Meine momentane Situation ermöglicht mir es professionell trainieren zu können. Das ist entscheidend! Das habe ich natürlich auch meinen Sponsoren zu verdanken.
Benedikt Hoffmann: Tipps vom A-Kader Athleten
In unserer Interviewserie geben die Protagonisten immer drei Tipps für die Leserinnen und Leser. Welche besonderen Empfehlungen und Tipps hast du in Bezug auf:
Training
Das Training sollte vielseitig gestaltet sein. Neben viel Abwechslung im Tempo und im Profil der Trainingsstrecken sollte auch Alternativtraining wie z.B. Rad fahren eine Rolle spielen.
Ernährung
Man kann sicher mal mit Dingen wir Low-Carb-Ernährung oder so etwas experimentieren. Aber am Ende hilft vor allem eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit einer hohen Nährstoffdichte und regelmäßigen Mahlzeiten. Kleine Sünden sind erlaubt. ?
Material
Die Wahl des Schuhs ist sehr individuell. Man sollte sich Zeit geben, etwas herum zu experimentieren, welcher Schuh zu einem optimal passt. Zudem muss jeder Trailschuh behutsam eingelaufen werden.