Der Ultra Trail Cape Town gehört zu den legendärsten Trailruns der Welt: Südafrika, Kapstadt, Tafelberg, brutale Cut Off Zeiten in der Vergangenheit, Welt-Elite im Feld der Startenden – und 2023 leider auch gewaltsame Überfälle, die in einer noch immer sozial sehr ungleichen Gesellschaft vor Ort nur wenig verwundern. 2024 findet der UTCT nun zum 10. Mal statt. Wir sprechen mit Race Director Stuart McConnachie über die Vergangenheit und Zukunft der Veranstaltung.
Der Ultra Trail Cape Town feiert dieses Jahr seine 10. Auflage und du bist von Anfang an dabei. Wie fühlt sich das an?
Es ist ziemlich surreal. In vielerlei Hinsicht fühlt es sich so an, als wäre der erste Lauf erst vorgestern gewesen. Ich sehe immer noch die ganze Arbeit, die dahinter steckt … und es ist toll, auf 10 Jahre zurückblicken zu können. Es isz, als würden unsere Träume gerade Wirklichkeit werden. Es war immer das Ziel, das Rennen im internationalen Kalender zu verankern, anstatt nur ein lokales Rennen zu veranstalten.
Wird sich der UTCT 2024 wegen des Jubiläums von den vorherigen Ausgaben unterscheiden?
Wir werden dem Jubiläum auf jeden Fall Tribut zollen. Es wird eine Wand mit früheren Gewinnern und Teilnehmerinnen, Kommentaren und zusätzlichen Informationen geben, die wir auch über die sozialen Medien verbreiten wollen. Wir haben ein kleines Abzeichen entworfen, das zu den Merchandise-Artikeln, den Rennshirts und allem anderen passt. Es wird auch Veranstaltungen geben, die auf das Rennen hinarbeiten.
Gibt es eine Erinnerung, die dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Ich habe viele gute, aber durchaus auch schwierige Erinnerungen. Im ersten Jahr hatten wir zum Beispiel einen riesigen Druck, da wir so ein Event noch nie gemacht hatten. Wir waren so sehr in Zeitnot, dass wir die Strecke noch am Tag des Rennens markieren mussten. Wir waren einfach tot – keine Energie mehr. Wir haben es gerade noch so über die Ziellinie geschafft.
Im Gegensatz dazu war 2019 ein großartiges Jahr für uns. Es war unser zweites Jahr als Teil der Ultra Trail World Tour, Läufer wie François D’Haene waren am Start. Die Top Ten bei den 100 km waren ein starkes Feld aus der ganzen Welt. Wir hatten das Gefühl, dass wir angekommen waren. Wir ahnten nicht, dass wir sechs Monate später mitten in einer Pandemie stecken würden. Aber das ist eine andere Geschichte. Zu sehen, wie sich das Rennen entwickelte und wie stark das Elitefeld war, war einfach unglaublich. Nach all den Jahren, die wir darauf hingearbeitet haben, kam einfach alles super zusammen.
Weißt du noch, wie viele Läufer 2014 gestartet sind?
Es waren insgesamt 356, glaube ich. Beim 100-Kilometer-Lauf waren es 36 Läuferinnen und Läufer, von denen 17 die Zielzeit von 15 Stunden schafften.
Das war wirklich eine brutale Cut-off-Zeit.
Ja, es war brutal. Das ist Teil unserer Geschichte, denn der Lauf findet im Nationalpark statt. Und ursprünglich hieß es, dass wir nicht nachts laufen dürfen. Also haben wir uns darauf eingelassen – bei den ersten beiden Auflagen lag die Cut-off-Zeit daher bei 15 Stunden. Als wir das Datum verschoben, erlaubte uns der Park wegen des längeren Tageslichts zwei Stunden mehr. Also waren es 17 Stunden. Nach COVID wurden uns 24 Stunden zugestanden.
Manchmal war es wirklich hart, denn wir mussten die Leute morgens um 10 Uhr am Constantia Nek aussteigen lassen und sie zum 65 km-Lauf umleiten. Da gab es durchaus Enttäuschung. Nur die besten 30% schafften es rechtzeitig ins Ziel.
Wenn man über den Ultra Trail Cape Town spricht, fallen oft die Worte „Integrität“, „Werte“ und „Gemeinschaft“. Was bedeuten diese Begriffe für die Veranstaltung und das Team?
Man wird sehr demütig und denkbar, wenn man das hört. Von Anfang an wollten wir Teil der Gemeinschaft sein. Wir wollten verstehen, was vor Ort passiert – und nicht Organisatoren sein, die die Läufer unter sich sehen. Zur gleichen Zeit haben wir auch „Tuesday Trails“ ins Leben gerufen. Mittlerweile ist das eine sehr große Laufgemeinschaft mit einer starken Verbindung.
Wir haben das Glück, dass Kapstadt eine große Stadt mit einem Berg in der Mitte ist. So kann man dem Stadtleben leicht entfliehen. Während der Veranstaltung können wir die örtliche Community gut einbeziehen. Wir haben über 600 Freiwillige bei dem Rennen, ohne die es die Veranstaltung gar nicht geben würde. Alle kümmern sich um das Rennen und wir sind alle sehr stolz darauf. Wir wollen, dass internationale Läuferinnen und Läufer zu uns kommen und ein Teil des Erlebnisses werden.
Hinter dem Lauf steht fast eine Persönlichkeit – und das ist die Gastfreundschaft gegenüber Menschen von außerhalb. Es ist auch ein Teil unserer lokalen Identität. Wenn wir Besucher haben, die den ganzen Weg nach Südafrika kommen, wollen wir, dass sie eine gute Zeit haben. Wenn die Leute also diese Erfahrungen und Werte mitnehmen, ist das eine große Ehre für uns.
Was macht die lokale Laufgemeinschaft so besonders?
Wenn man sich den Trailrunning-Sport auf der ganzen Welt anschaut, ist er überall etwas Besonderes. Es ist ein Sport, bei dem wir oft im Wettstreit stehen – aber letztendlich tritt man die meiste Zeit gegen sich selbst an. Und du brauchst die Menschen um dich herum, um dich zu unterstützen, Veranstaltungen zu organisieren und aufeinander aufzupassen, z. B. in den Bergen oder ausgesetzten Gebieten.
Was die Gastfreundschaft, die Authentizität und die Echtheit angeht, so hat das für uns persönlich eine große Bedeutung. Wir alle kennen diese Situationen, in denen du irgendwo ankommst und niemanden kennst. Wir wollen einen inklusiven Raum schaffen, in dem niemand außen vor gelassen wird.
UTCT ist Teil der neu gegründeten World Trail Majors. Hat der Beitritt zu den World Trail Majors bereits Auswirkungen auf die Veranstaltung?
Wir freuen uns, Teil davon zu sein. Es ist eine Gruppe von Rennen, die für bestimmte Werte stehen und sich gegenseitig unterstützen. Wir alle wissen, wie sich der Sport und seine Landschaft verändern. Wir kennen uns alle ziemlich gut von der Ultra Trail World Tour und wir teilen den Wunsch, unabhängig zu sein und uns trotzdem gegenseitig zu unterstützen. Ich denke, der wahre Wert dahinter wird mit der Zeit sichtbar werden. Das Kapitel ist noch lange nicht zuende geschrieben, denn die Serie befindet sich noch im Lernprozess. Wir wollen, dass die World Trail Majors die Rennen stärken und nicht dominieren.
Jetzt steht natürlich ein Elefant im Raum: der UTMB, zu dem die World Trail Majors oft als (deutlich kleinerer) Gegenpol gesehen werden. Glaubst du, dass der Ultra Trail Cape Town auch unter dem Dach des UTMB sich selbst treu bleiben könnte?
Das wäre sehr viel schwieriger. Ich denke, das liegt an der Art und Weise, wie die UTMB-Rennen organisiert werden. Man muss eine ganze Menge aufgeben, um dabei zu sein. Es ist eine Art Pyramide, die zur zentralen Veranstaltung des UTMB hinarbeitet. Wir alle wissen, dass der Ultra-Trail du Mont-Blanc ein großartiges Event ist, aber ich persönlich mag das System und wie es aufgebaut ist nicht. Deshalb denke ich, dass es sehr schwer wäre, unser Gefühl des gemeinschaftlichen Engagements aufrechtzuerhalten. Wir würden von unserer Community auch hart befragt werden, wie das zu unserer Grundüberzeugung passt.
Der UTCT wird 10 Jahre alt, der Ultra Trail Drakensberg – der auch von euch unterstützt wird – gewinnt an Sichtbarkeit und der Mountain Ultra Trail ist jetzt Teil des UTMB: Etabliert sich Südafrika auf der Karte des internationalen Trailrunnings?
Als wir den UTCT ins Leben gerufen haben, haben wir uns genau angesehen, was das Mountainbike-Rennen Cape Epic gemacht hat. Wir wollten ein lokales Rennen mit internationaler Anziehungskraft schaffen. Um internationale Läuferinnen und Läufer anzuziehen, muss man etwas bieten.
Der Unterschied zum Ultra Trail Drakensberg ist ziemlich deutlich, allein schon wegen der weiten Anreise. Man braucht einen zusätzlichen Flug von Kapstadt und muss dann noch mit dem Auto weiterfahren. Aber die Berge dort gehören zu den besten Trailrunning-Gegenden, in denen ich bisher gewesen bin. Ich denke, Kapstadt wird auch in Zukunft der Ort sein, an den die Leute zuerst kommen, weil wir die ersten waren, die Gegend leicht zu erreichen ist und auch viel neben dem Laufen zu bieten hat. Wenn die Menschen das einmal erlebt haben, kommen sie vielleicht wieder, um etwas anderes zu erleben, und kommen in die Drakensberge.
Seit 2023 hängt aber auch eine dunkle Wolke über dem UTCT: Tom Evans wurde während eines Trainingslaufs in der Nähe des Tafelbergs von mit Messern bewaffneten Männern ausgeraubt. Mindestens drei Teilnehmer und ein Streckenposten wurden während des Rennens überfallen. Müssen sich die Läuferinnen und Läufer beim Ultra Trail Cape Town Sorgen machen?
Es gibt eine gewisse sozioökonomische Situation in und um Südafrika. Auffällig war, war, dass die Überfälle in Bereichen des Berges stattfanden, die für die Leute leicht zugänglich waren und es ihnen leicht machten, vom Berg herunterzukommen und schnell in der Stadt unterzutauchen. Es war sehr schwierig, mit dieser Situation umzugehen – erst recht mit einer so prominenten Person wie Tom. Was ihm passiert ist, war ein unglücklicher Vorfall. Wir wollen keineswegs behaupten, dass es noch nie passiert sei und nicht wieder passieren kann. Er wurde auch gewarnt, zu bestimmten Zeiten nicht in bestimmte Gegenden zu laufen.
Die Überfälle passieren ein bisschen wie in Wellen. Sie passieren, werden häufiger und verschwinden dann wieder. Die Menschen, die sowas machen, sind in großer Not. Wenn sie eine Schwäche sehen, schlagen sie zu. Das passiert oft zu Beginn des Sommers, wenn viele Touristen kommen, die besonders gefährdet sind, da sie gefährliche Situationen oft nicht erkennen. Alles, was wir tun können, ist aufzuklären und mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass sich solche Situationen nicht wiederholen. Die Stadt, die Provinz und viele engagierte Menschen tun ihr Bestes, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert.
Die drei Männer, die während des 100-Meilen-Laufs überfallen wurden, befanden sich ganz im Süden der Halbinsel. Wir haben die Route von dem Gebiet, in dem es passiert ist, weggeleitet. Das war auch für uns ein Schwachpunkt.
So traurig der Vorfall auch war, er hat nochmal klargemacht, dass der Berg unser Spielplatz ist und dass wir dort sicher sein müssen. Die Behörden müssen Maßnahmen ergreifen, um uns zu unterstützen. Sie können es nicht einfach in unsere Hände als Organisatoren des Rennens legen. Wir alle brauchen die Hilfe, um das sozioökonomische Problem zu lösen, das die Ursache für die Kriminalität ist.
Gibt es etwas, was die Läuferinnen und Läufer tun können? Gerade bei Ultraläufen kommt es vor, dass man allein läuft und deshalb ein potenzielles Opfer ist.
Unsere Community läuft meistens zusammen und vor allem Frauen laufen nicht alleine. In einer Gruppe ist man immer viel sicherer. Während des Rennens würde ich gerne glauben, dass es dir gut gehen wird. Doch wenn du in so eine Situation kommst, sind dein Handy und deine Uhr nur Gegenstände. Sie sind nichts, wofür du kämpfen solltest. Du brauchst sie nicht wirklich – sie können ersetzt werden.
Was die drei Läufer – ein Brite und zwei Einheimische – beim 100-Meiler taten, war, ihre Ausrüstung abzugeben, zur nächsten Versorgungsstation zu gehen und mit uns zu sprechen. Wir sagten ihnen, sie sollten zur nächsten VP laufen und innerhalb von 45 Minuten hatten wir drei komplette Kits mit Westen, Flaschen und allem, was dazugehört, organisiert. Alle kamen aus der Community. Und alle drei haben ihr Rennen beendet. Solange du unversehrt bist und bleiben kannst, lohnt es sich nicht, sich zu wehren.
Wie können Läuferinnen und Läufer z. B. aus Europa ihren Aufenthalt planen, um das Beste aus ihrer Reise zu euch zu machen?
Sie sollten auf jeden Fall mit unserer Trailrunning-Community Kontakt aufnehmen. Sie laufen auf der ganzen Halbinsel – also über die komplette Tafelbergkette verteilt. Sie laufen an verschiedenen Tagen und zu verschiedenen Zeiten und sind z. B. über Instagram leicht zu finden. Wir können die Links auch vom Rennbüro aus schicken. So wird die Gegend am besten erlebbar.
Sobald du mit der ersten Gruppe gelaufen bist, werden dich andere Leute zu weiteren Runs einladen. Sie werden dir die besten Plätze zeigen und dir das Gefühl geben, dass man sich um dich kümmert. Vor allem rund um das Rennen weiß jeder, dass Leute nach Kapstadt kommen, um zu laufen. Das macht die Zeit rund um die Veranstaltung zu etwas ganz Besonderem. Du wirst dich nicht wie ein Tourist fühlen, sondern wie ein Einheimischer.