UTMB 2025: Welche Trainingsgeheimnisse führten Ruth Croft, Tom Evans – und ihren Coach – zum Sieg? - xc-run.de Trailrunning

UTMB 2025: Welche Trainingsgeheimnisse führten Ruth Croft, Tom Evans – und ihren Coach – zum Sieg?

Beim UTMB 2025 schrieben nicht nur Ruth Croft und Tom Evans Trailrunning-Geschichte (zum Artikel): Unter Anleitung desselben Coaches gewannen beide den legendären Wettkampf – und das unter extrem harten Bedingungen. Ihr gemeinsamer Erfolgsfaktor? Ein innovativer Trainingsansatz von Coach Scott Johnston (Evoke Endurance), der die Entwicklung muskulärer Ausdauer („muscular endurance“, ME) ins Zentrum stellt.

Johnston, Autor des Klassikers Uphill Athlete, betont in einem Youtube-Video mit der Coaching Plattform TrainingPeaks, dass im Ultralauf nicht die maximale Sauerstoffaufnahme oder die Herzleistung limitieren, sondern die Ermüdung der Muskulatur:

„Das Herz wird in diesen Rennen nicht müde. Was ich sehe, ist, dass die Athleten am Muskel ermüden“.


Muskuläre Ausdauer und Ermüdungsresistenz

Muskuläre Ausdauer (ME) beschreibt die Fähigkeit der Muskeln, über lange Zeit wiederholt Leistung zu erbringen. Fatigue Resistance (Ermüdungsresistenz) geht noch weiter: Sie bestimmt, wie lange es dauert, bis diese Leistung spürbar nachlässt.

Gerade bei langen, steilen Ultras wie dem UTMB entscheidet dieses Zusammenspiel darüber, wer im Schlussdrittel noch zulegen kann – und wer einbricht. Croft erreichte ihren höchsten Herzschlag sogar erst fünf Kilometer vor dem Ziel: ein Beleg für Johnstons These, dass starke Beine die Nutzung der vorhandenen VO₂max bis zum Ende ermöglichen.


Das Training dahinter

Johnstons Methoden stammen aus seiner alpinen Vergangenheit. Sein Ziel: die Beine lokal überlasten, ohne das gesamte System in den roten Bereich zu treiben.

Zentrale Methoden:

  • Steile Anstiege (10–30 % Steigung): Powerhikes mit Wasserkanistern (oben ausleeren) oder Gewichtsweste.

    • Einsteiger: ca. 5 % des Körpergewichts

    • Elite: 12–15 % des Körpergewichts

  • Downhill-Repeats und Tempo-Abstiege: Für exzentrische Kraft und Stabilität.

  • Tire-Drags oder Stairmachine-Sessions: Für Athleten ohne Zugang zu Bergen.

  • Regelmäßige ME-Blöcke: Besonders in den letzten 10–16 Wochen vor einem Ultra.

  • Keine klassischen VO₂max-Intervalle: „Ich will denselben muskulären Effekt erzielen – aber ohne die systemische Ermüdung durch hohe Laktatwerte“, so Johnston.

Zur Erfolgskontrolle nutzt er Kennzahlen wie den Chronic Training Load (CTL) in TrainingPeaks. Ein einfacherer Ansatz: Immer wieder denselben Berg nutzen und die persönliche „Marke“ (z. B. ein Steinmännchen) weiter nach oben verschieben.


Der Faktor Beziehung

Neben den physiologischen Reizen sieht Croft den Schlüssel auch in der persönlichen Betreuung:

„Scott ist der Mensch, mit dem ich neben meinem Partner am meisten täglich in Kontakt stand. Das macht den Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Coach.“

Johnston ergänzt:

„Jeder Athlet hat ein anderes Belastungs- und Erholungsprofil. Es geht darum, das individuelle Limit zu finden – und nicht starr an Zahlen festzuhalten.“


Kritik und Diskussion

Nicht alle Trainer sehen die ME-Überlastung als Allheilmittel. Cliff Pittman (CTS) betont, dass muskuläre Ausdauer auch durch hohes Trainingsvolumen auf spezifischem Terrain entsteht:

„ME ist wichtig, aber es ist nicht nötig, sie isoliert zu trainieren. Konstantes Volumen über das richtige Gelände bringt dieselbe Anpassung – eingebettet in das Gesamtpaket Ausdauertraining.“

Auch wissenschaftliche Studien mahnen, dass zusätzliche Gewichte die Lauftechnik verändern und das Verletzungsrisiko erhöhen können.


Konkrete Trainingstipps für Trail- und Ultraläufer

Wer Johnstons Prinzipien im eigenen Training umsetzen möchte, kann folgende Bausteine integrieren:

  1. Steile Bergintervalle (Powerhike):

    • 6–10 Wiederholungen à 4–6 Minuten bei 15–20 % Steigung

    • Mit 5–10 % Körpergewicht in der Weste oder gefüllten Flaschen im Rucksack

  2. Downhill-Tempo-Abschnitte:

    • 6–8 × 2–3 Minuten kontrolliertes, schnelles Bergablaufen

    • Fokus: Technik, Stabilität, exzentrische Belastung

  3. Tire-Drags oder Stairmaster-Einheiten:

    • 20–30 Minuten konstante Belastung

    • Ziel: Lokale Ermüdung in den Beinen provozieren

  4. Langsame Steigerung:

    • 1 ME-Session pro Woche reicht für Einsteiger

    • Umfang und Gewicht langsam erhöhen

  5. Kombination mit klassischem Ausdauertraining:

    • ME ersetzt nicht die langen Grundlageneinheiten

    • Optimal: 2–3 Ausdauereinheiten + 1 ME-Session + 1 Technik-/Kraftsession


Fazit

Scott Johnston hat gezeigt, dass muskuläre Ausdauer im Ultratrail oft der entscheidende Erfolgsfaktor ist. Seine Schützlinge Croft und Evans konnten dadurch im härtesten Rennen der Welt noch im letzten Drittel dominieren.

Sein Ansatz ist kein „Shortcut“, sondern eine klare Philosophie: systematisch, individuell, und mit Fokus auf die langfristige Ermüdungsresistenz. Oder wie Johnston selbst sagt:

„Es geht nicht darum, in jeder Einheit an die Grenze zu gehen – sondern zu wissen, wann man nachlässt, anpasst oder den Fokus verschiebt.“


👉 Das ausführliche Gespräch mit Scott Johnston gibt es hier: YouTube-Interview mit Dirk Friel.

Interview zum Thema

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