Basilia Försters Rennbericht: In 30 Stunden um den Mont Blanc - Seite 2 von 2 - xc-run.de Trailrunning

Basilia Försters Rennbericht: In 30 Stunden um den Mont Blanc

Basilia Förster im Ziel © exito Gipfelstürmer

Der Start des UTMB war am Freitagabend um 18:30 Uhr in Chamonix. Mein persönlicher Wettkampf begann bereits zwei Jahre früher. In diesem Zeitraum galt es die erforderlichen Punkte bei den Qualifikationsrennen zu sammeln. Die waren Voraussetzung, für die Lotterie um einen der begehrten Startplätze zugelassen zu werden. Ich hatte riesiges Glück und wurde bei meinem ersten Versuch gezogen. Ein Startplatz inmitten von 2537 Läufern war für mich reserviert – es konnte losgehen!

Bereits um 16 Uhr suchte ich mir einen Platz kurz hinter dem Elitefeld, um ermüdenden Staus auf den ersten Kilometern zu entgehen. Ich war froh, Stefan Miyagi vom EXITO-Gipfelstürmer Team zu entdecken. Zu zweit vergeht die Zeit doch schneller. Das dominierende Gesprächsthema im Startblock war das Wetter. Dieses blieb spannend bis zur letzten Minute und damit verbunden die Frage „Was ziehe ich an?“ Der kurzzeitige Sonnenschein über dem „Place du Triangle de l’Amitie“ täuschte. Schon kurz nach dem Start sollte es wieder zu regnen beginnen. Ich entschied mich von Beginn an, mit Windjacke zu laufen. Die 2,5 Stunden im Startblock vergingen wie im Flug. Die Dramaturgie der Moderation und Musik stieg sukzessive an. Der Platz war schließlich komplett mit Läufern und Zuschauern gefüllt. Reporter standen auf den Balkonen, filmende Kameras und Smartphones wohin ich nur blickte, ein Hubschrauber kreiste, Vangelis „Conquest of Paradise“ dröhnte aus den Boxen und endlich fiel der Startschuss. Die ersten Kilometer führten durch Chamonix, die Zuschauer standen an den Absperrungen Spalier und feuerten uns an. Kein Wunder, dass dies trotz 167,5 KM und knapp 10.000 Höhenmetern zu einem hohen Anfangstempo führte. 

Die Strecke des UTMB führt durch Frankreich, Italien und die Schweiz einmal um das Mont Blanc Massiv herum – Berge und Täler im permanenten Wechsel. Die vergangenen Tage habe ich immer wieder das Kursprofil studiert und meine zu erwartenden Zwischenzeiten berechnet. Somit konnte ich genauso wie Zuschauer und Betreuer virtuell auf ihren Smartphones jeden Schritt in meine gedankliche Karte einzeichnen und war mir stets über meinen momentanen Aufenthaltsort bewusst. Dies ist gerade für mich wichtig, da Orientierung nicht unbedingt zu meinen Stärken zählt. Gleich nach dem ersten Berg wurde es dunkel und ich schaltete meine Stirnlampe ein. Nach 31 Kilometern erreichte ich den ersten von fünf großen Verpflegungspunkten in Les Contamines. Nur bei diesen durften Betreuer ins Zelt und Hilfestellung bei Verpflegung und Kleidungswechsel leisten. Ich freute mich sehr, meinen Mann und Betreuer Michael zu sehen. Ein Bussi und weiter ging’s. Mir ging es gut. Ich war immer noch inmitten vieler Läufer und hatte daher auch nachts nie das Gefühl allein zu sein. Die Betreuer lieferten sich ebenfalls ein Rennen nach Contamines. Michael erzählte mir später, dass er mich nur rechtzeitig erreicht hatte, weil er das Auto inmitten einer endlosen Schlange hinauf in das Bergdorf am Straßenrand abstellte und sich seinen Weg zu Fuß durch die Auto-Karawane bahnte. Ich habe mit Michael vereinbart, ihn erst am nächsten Vormittag in der Schweiz zu treffen. Nach Courmayeur konnte ich Notfall-Gepäck aufgeben. Sollte ich noch etwas benötigen, würde ich ihn telefonisch verständigen. Gerade zu Beginn des Rennens brauche ich Ruhe und bin lieber allein. Trotzdem war ich sehr glücklich, Stefans Betreuer Jochen und Bart an den kommenden Verpflegungspunkten zu sehen, die mich unermüdlich anfeuerten.

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Basilia Förster unterwegs beim UTMB 2017 © exito Gipfelstürmer

In der Nacht ging es das erste Mal auf über 2.500 Höhenmeter und ich war froh über meine warme Kleidung, die mich vor Sturm, Regen und Schnee schützte. Hinunter nach Courmayeur spürte ich erstmal leichten Schwindel. Dieser verstärkte sich und in Arnouvaz nach ca. 90 Kilometern sah man es mir dann auch an. Der Mann von der Medical Crew stoppte mich. Ich musste mich hinsetzen und Zuckertee trinken und etwas essen. Er bestand zudem darauf, dass ich eine Jacke anziehe und zumache. Ich rief Michael kurz an. Er sagte mir auch „Du brauchst Gels! Du bist auf Platz 20. Jetzt kommt Dein Rennen!“ Nach 20 Minuten stoppte mich ein weiterer Streckenposten. Er war offensichtlich über meinen Zustand informiert worden. Ich sagte ihm, es ginge mir gut. Er nickte und entgegnete „Don’t stop eating“. Ich musste den Riegel essen. Erst danach durfte ich weiter. Beide Anweisungen waren richtig. Der Grand Col Ferret begrüßte mich mit eisigem Wind. Zum Glück habe ich hiermit schon einige Erfahrung. So richtig kalt ist es meist nur in der Zone der obersten 200 Höhenmeter. Also sagte ich mir: „Basilia, gleich bist Du durch. Nur nicht stehenbleiben. Immer weiter!“ Die Kohlenhydrate taten das Übrige. Ich kam wieder auf Trab. Nun ging es 14 Kilometer hinunter nach La Fouly, wo Michael mich erwartete. Nachdem es nur ein kleiner Verpflegungspunkt war, begrüßte er mich nur kurz vom Streckenrand – Bussi Nr. 2. Die Talquerung hinüber ins malerische Champex-Lac zog sich endlos hin. Endlich erreichte ich das Zelt. Michael versorgte mich mit Cola, Weißbrot und Gel. Zudem tapte er meinen schmerzenden Zeh. Ich wechselte das Shirt, schlüpfte wieder in die Regenjacke und umrundete bei strömendem Regen den idyllischen Bergsee. Trotz des Wetters ging es mir gut. Ich konnte meine Leistung wieder abrufen. 120 Kilometer waren geschafft.

Das Damenfeld war immer noch eng zusammen und sortierte sich nach jeder Verpflegungsstation wieder neu. Langsam beschäftigte ich mich mit meiner Platzierung. Top 20, das war für mich angesichts des hochklassigen Teilnehmerfelds ein unerreichbarer Traum gewesen. Ich kämpfte mich den nächsten Anstieg hinauf, dann wieder runter nach Trient. Michael hatte wieder alles vorbereitet. Das Gel war schon offen. Man sah, dass alle Betreuer uns müde Läufer nun so schnell es ging wieder auf die Strecke schickten. Der nächste Berg war zu überqueren. Ich überholte einige Läuferinnen und lief am letzten großen Verpflegungspunkt Vallorcine in den Top 15 ein. Mir ging es erstaunlich gut. Suppe, Brot, Gel und schnell wieder raus. Mittlerweile war es wieder dunkel und ich beanspruchte bereits den Reserveakku meiner Stirnlampe. Nun kam der finale Climb hinauf nach La Flegere. Der abschließende Downhill nach Chamonix war technisch nochmal herausfordernd. Ich setzte meine Stöcke ein, um die erschöpften Beine zu schonen und lief mit meinen letzten Kräften. Nachdem ich im Anstieg weitere Plätze gutgemacht hatte, musste ich nun die chinesische Konkurrentin vorbeilassen. Ich wusste, wie eng das Feld ist und zwang mich, das Tempo hoch zu halten. Endlich erreichte ich Chamonix. Es war nun schon nach Mitternacht. Dennoch säumten zahlreiche Zuschauer die Zielgerade. Ich hörte Basilia-Rufe, Zuschauer standen Spalier und klatschten mich ab. Michael, Jochen und Bart empfingen mich. Ich war 13. Frau, 7. Europäerin und beste Italienerin. 30 Stunden, 9 Minuten und 3 Sekunden Trailrunning ohne Schlaf forderten nun ihren Tribut ein. Ich musste mich kurz hinlegen. Ich konnte erstmal nichts essen, nur etwas Suppe. Nun wollte ich nur noch in die Badewanne im Hotel und schlafen.

Erst am nächsten Tag registrierte ich langsam was ich geschafft habe. Mir war gar nicht bewusst, wie viele Freunde mich im Liveticker verfolgt hatten. Selbst das Hotelpersonal wusste über meine Platzierung Bescheid. Vielen Dank an alle, die mit mir mitgefiebert haben. Ich habe mich riesig über jede einzelne Nachricht gefreut! Es war eine extrem harte Saison mit vier Marathons und fünf Ultra-Trails. Jetzt erhole ich mich erstmal. Vielleicht mache ich im Herbst noch was „just for fun“, bevor es im Winter zum Ausgleich wieder auf die Langlaufski geht.

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