Pitztal Alpine Glacier Trail 105: Generalprobe zwischen Kühen und Felsblöcken - xc-run.de Trailrunning

Pitztal Alpine Glacier Trail 105: Generalprobe zwischen Kühen und Felsblöcken

Pitztal Alpine Glacier Trail 2019 © Michael F?rster

Letztes Wochenende war unsere GORE WEAR xc-run.de Trailrunning Team Athletin Basilia Förster im wunderschönen Pitztal. Der 105 Kilometer lange Pitztal Alpine Glacier Trail sollte ihre Generalprobe für den UTMB werden. Wie es ihr zwischen Kühen, Felsbrocken und den Wolken hat sie hier für uns festgehalten! 

Generalprobe

Noch 4 Wochen bis zum UTMB. Für mich der ideale Zeitpunkt, nochmal über 100 KM zu laufen. Der Pitz Alpine Glacier Trail stand schon länger auf meiner Bucket List. 106 Kilometer mit 6.100 Metern im Auf- und Abstieg in einem Höhenkorridor zwischen 1.400 und 3.080 Metern. Die technisch herausfordernde Strecke würde mir alles abverlangen. Viele Herausforderungen warten auf mich. Zu Beginn gleich die erste. Start um 3:30. Ein paar Stunden Schlaf im Auto, mehr ist heute nicht drin. Ich bereite abends alles vor. Mit getapten Beinen und in Laufkleidung lege ich mich in meinen Schlafsack. Der Rucksack dient als Kopfkissen. Um 2 ist die Nacht vorbei. Schlaftrunken torkle ich zum Start. So richtig wach ist noch keiner. Zumindest hört es 30min vor dem Rennbeginn zu regnen auf. Ich bin aufgeregt. Schon seit einigen Tagen. Nicht wegen der Länge, nicht wegen der Höhenmeter. Die Aussicht auf ausgesetzte Trails durch die schroffe Bergwelt macht mir zu schaffen. Doch genau deswegen bin ich hier. Laufumfang und Höhenmeter habe ich dieses Jahr ausreichend trainiert. Heute gilt es, eigentlich nicht laufbare Trails zu laufen.

 

Hardrock und Hardcore

Hardrock durchbricht die Stille des noch in tiefen Schlaf versunkenen Talorts Mandarfen. Der Countdown läuft rückwärts. Der Startschuss fällt. 300 Stirnlampen formieren sich zu einer leuchtenden Schlange inmitten des finsteren Tals. Schnell ist das Talende erreicht und es geht steil und schroff hinauf zur Mittagskogel-Scharte. Das Rennen lässt sich in vier Abschnitte unterteilen. Immer geht es steil bergauf und nach unterschiedlich langen Aufenthalten in der Höhe wieder bergab. Die Trailcity in Mandarfen ist der Nukleus dieses Ultratrails. Geröll und die Höhe bis über die 3.000er Marke machen mir so früh im Rennen zu schaffen. Mein Gefühl sagt mir, hier ist es gefährlich. Der schmale Lichtkegel meiner Lampe lässt keine Überprüfung zu. Gut so! Ich finde noch keinen Rhythmus. Nach kurzem Abstieg erwartet uns die Gletscherquerung. Spikes sind Pflicht und werden kontrolliert. Ich streife meine Grödeln über. Sie halten perfekt. Im Laufschritt geht es über blankes Eis. Im steilen Downhill dämmert es allmählich. Konzentriert setze ich einen Fuß vor den anderen. Um kurz vor 8 erreiche ich wieder Mandarfen. Mein Rückstand auf die Führende beträgt 20min und auch nach hinten ist es eng. Zeit, Gas zu geben! Zum Rifflsee hinauf komme ich endlich in Rennstimmung. Malerisch liegt dieser Bergsee türkis schimmernd hinter dem Kontrollpunkt Sunnaalm. Dahinter geht es in stetem Auf und Ab über einen nicht enden wollenden Singletrail Richtung Taschaschhaus. Die Eindrücke auf dieser hochalpinen Strecke sind überwältigend. Gletscher, Wasserfälle, Almwiesen und schroffe Felswände – wohin ich nur blicke. Bald kann ich mich an die Spitze des Damenfeldes setzen und den Rückstand auf dem Weg über das Taschaschhaus zum Talort sogar in einen Vorsprung von 15 min drehen. Das erfahre ich jedoch erst später. Zu unübersichtlich ist im Moment noch der Mix aus Läufern der unterschiedlichen Distanzen. Das zweite Mal laufe ich nun schon durch das Start- und Ziel-Areal. Ich fühle mich viel besser als beim ersten Durchlauf. Nun beginnt die schwierigste Etappe. Kurz laufen wir das Tal hinunter, bevor es steil hinauf zur Kaunergrathütte geht

 

Ehrfurcht – vor Kühen und Felsblöcken

Noch vor der Hütte versperrt mir eine riesige Kuh den Weg. Nachdem ich vor Jahren einmal von einer Kälberherde im Downhill verfolgt wurde, ist mir der Respekt geblieben. Ein Wanderer sieht mir die Angst an und stellt sich schützend vor die Kuh. Am Verpflegungsposten erfolgt die Bergwertung für die Führenden. Davon hatte ich noch nichts gehört. „Halt“ ruft man mir zu, als ich aus der Hütte komme. So schnell kann ich gar nicht schauen, da habe ich schon eine goldene Krone auf, einen roten Umhang an und ein Zepter in der Hand. Nun weiß ich sicher, dass ich in Führung liege. Weiter geht es über – für mich zumindest – riesige Felsblöcke. Kaum ist das geschafft, queren wir eine abschüssige Geröllhalde. Diesen auf der Streckenkarte als „gefährlich“ markierten Streckenabschnitt habe ich mir vor drei Wochen bereits angesehen, um vorbereitet zu sein. Ich empfinde es immer als großen Unterschied, ob man locker wandern ist und sich gut im schwierigen Terrain orientieren kann oder ob man im Berglauf mit Puls im roten Bereich nicht mehr klar sehen kann. Ich bin froh zu wissen, was mich auf den kommenden Kilometern erwartet. Nach dem Steinbockjöchl auf knapp 3.000m geht es über teils versicherte Stellen bergab. Ein hoher Felsvorsprung unterbricht meinen Downhill. Das sind die Schwierigkeiten als nur 158cm kleine Läuferin. Aber auch hier ist gleich eine helfende Hand eines Mitläufers zur Stelle. Beim Abstieg zum Mittelberglesee konnte ich beim letzten Mal noch über viele Schneefelder gleiten. Heute ist der übrig gebliebene Schnee sulzig und lässt mich permanent einsinken. Das tiefe Blau des malerischen Bergsees entzückt mich auch heute wieder. Mit dem Almenweg folgt das nächste landschaftliche Highlight. Nun setzt Müdigkeit ein. Dies macht das Laufen auf diesem schmalen und an manchen Stellen auch ausgesetzten Höhenweg für mich zu einer veritablen Challenge. Mein Vorsprung schmilzt zusammen. Die zweite Frau ist auf Sichtweite zu mir aufgerückt. Doch irgendwann ist auch diese Etappe geschafft. Noch ein kurzer Stopp an der Tiefentalalm und wir sind wieder im Tal. 13 Kilometer leicht ansteigender Forstweg liegen zwischen mir und dem letzten Durchlauf in Mandarfen. Wenn ich gewinnen will, muss ich es hier schaffen. Ich ziehe das Tempo an. Es ist mittlerweile einsam geworden. Kein Läufer in Sicht. Dafür umso mehr Kühe. Hilft nichts. Da muss ich jetzt durch! Ich genieße die Anfeuerungsrufe in Mandarfen. Ein letztes Gel, dann geht’s nochmal zum Rifflsee hinauf. Die Kohlenhydrate wirken. Das Tempo bleibt hoch. Oberhalb des Sees schalte ich meine Stirnlampe ein. Einen kurzen Moment lang genieße ich den Anblick des vor mir liegenden, funkelnden Sees. Ein letzter, nicht enden wollender Singletrail fordert meine Konzentration. Dann geht es abschüssig auf breitem Weg ins Tal. Ich drehe mich um. Kein Licht in Sicht. Endlich kann ich unbeschwert laufen. Ich fühle mich leicht. Die Anspannung ist abgefallen. Zum letzten Mal für heute überquere ich die Ziellinie. Nach 19:33h. Jetzt kann ich stehenbleiben. „Königin vom Pitztal“ wird man mich morgen auf der Siegerehrung nennen. Erste bin ich geworden, an der königlichen Eleganz muss ich noch etwas feilen. Aber deswegen war ich ja hier. Das Wichtigste für mich ist, die schwierigen Trails gemeistert zu haben. Mein Mut ist gewachsen. Der UTMB kann kommen! Und sogar die Kühe waren ganz lieb zu mir.

 

Hier findet ihr eine kleine Galerie zu meinen Rennen, für die wie immer mein großartiger Betreuer und der allerbeste Ehemann, Michael gesorgt hat!

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