Dr. Oliver Hein, Dipl. Sportwissenschaftler und Betreiber der Webseite www.effektiver-trainieren.de über Sinn und Zweck einer Leistungsdiagnostik zum Saisonbeginn:
Teamtreffen im Bayerischen Wald
Das erste Teamtreffen im Bayerischen Wald des Gore Wear xc-run.de Trailrunningteams Ende März diente nicht nur dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Testen des Materials für die neue Trailrunning Saison, sondern auch einer Bestandsaufnahme der Ausdauerleistungsfähigkeit unserer Teammitglieder.
Individuelles Leistungsprofil als Basis für ein erfolgreiches Wettkampfjahr
Ein individuelles Leistungsprofil mit Stärken und Schwächen bildet die Basis für ein strukturiertes Training in der Vorbereitung auf ein erfolgreiches Wettkampfjahr. Entsprechend der Anforderungen der ins Auge gefassten Wettkämpfe unterscheidet sich die Schwerpunktsetzung im Training deutlich voneinander. Ein schneller Vertikal K beansprucht im Bereich der anaeroben Schwelle oder leicht darüber und verlangt neben einem optimalen Gewicht bei niedrigem Körperfettanteil unter anderem auch eine hohe Schwellenleistung sowie eine gute Kraftausdauerfähigkeit und Laktattoleranz. Ein Ultratrail mit vielen Stunden Belastungsdauer lässt sich nur mit einem hervorragenden Fettstoffwechsel und einem ausgeglichenen Kohlenhydrathaushalt in der gewünschten Wettkampfintensität bewältigen.
Daher lag der Fokus unserer Bestandsaufnahme zunächst auf der Körperstruktur, den Schwellenleistungen sowie der intensitätsabhängigen Stoffwechselcharakteristik unserer Teammitglieder. Soviel darf verraten werden – alle haben noch so einiges zu tun, um in Wettkampfform zu kommen. Während der reichhaltigen Mahlzeiten im Teamhotel stellte sich natürlich auch die Frage, wieviel Zeit und Laufkilometer man sich wohl durch einmal Fettabsaugen sparen kann…
Belastungstest auf dem Laufband
Für die Ausdauerdiagnostik absolvierten alle Teammitglieder einen rampenförmigen Belastungstest auf dem Laufband. Gemessen wurden neben Geschwindigkeit und Leistung auch physiologische Belastungsparameter wie Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme. Dies ermöglicht sowohl die Bestimmung der Schwellenleistungen als auch einen detaillierten Einblick in den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel bei verschiedenen Intensitäten. Daraus lassen sich individuelle Trainingsbereiche ableiten und die Schwerpunkte der nächsten Trainingswochen festlegen.
Die folgende Abbildung zeigt exemplarisch die absolvierte Belastung auf dem Laufband mit Angaben zur Herzfrequenz [min-1], Geschwindigkeit [km/h] und der erbrachten Leistung [Watt], was für alle Stryd-Nutzer interessant ist.
Die drei senkrechten Marker entsprechen dabei dem Punkt der maximalen Fettverbrennung (blau) sowie der aeroben und anaeroben Schwelle (grün). Anhand dieser Werte lässt sich für die Athleten nun unter anderem festlegen, in welcher Belastungszone der Fettstoffwechsel optimal trainiert wird, wo mit Intervalltraining die Schwellenleistung verbessert werden kann oder in welchen Intensitätsbereich man auch im Training ab und zu vorstoßen muss, um die Sauerstoffaufnahme oder Laktattoleranz zu steigern. Ein Wiederholungstest kann dann sehr genau zeigen, ob das absolvierte Training die gewünschten Veränderungen bewirkt hat und wie die Trainingsbereiche anzupassen sind. Unmittelbar vor einem Wettkampf kann man mit diesen Informationen zur Leistungsfähigkeit auch eine Wettkampfprognose erstellen und sehen, ob das gesetzte Ziel realistisch zu erreichen ist oder korrigiert werden muss.
Beurteilung der Stoffwechselcharakteristik
Zur Beurteilung der aktuellen Stoffwechselcharakteristik dient ein weiteres Chart. Es zeigt den intensitätsabhängigen Verlauf der Fett- und Kohlenhydratverbrennung in g/h, bei obigem Belastungsprotokoll. Der Fettstoffwechsel entspricht der orangen Linie und der Kohlenhydratverbrauch ist blau dargestellt.
Was bringt mir das für Training und Wettkampf?
Der Athlet erreicht sein Fettstoffwechselmaximum mit ca. 36 g/h schon deutlich vor der aeroben Schwelle im unteren GA1 Bereich. Im aerob-anaeroben Übergangsbereich GA2, zwischen den beiden Schwellen (grüne Linien), fällt mit steigender Intensität die Fettverbrennung von 29 g/h steil ab und kommt noch vor der anaeroben Schwelle vollständig zum Erliegen. Bereits bei niedriger Intensität im Grundlagenbereich steigt der Kohlenhydratverbrauch steil an und erreicht an der aeroben Schwelle (Dauerleistungsgrenze) einen Wert von 163 g/h. Alles in allem schon nicht so schlecht, aber damit wäre der Ultratrail zur Zeit ein Wandertag. Der Bereich des ausgewogenen Kohlenhydratstoffwechsels mit ca. 70-90 g/h (Aufnahmekapazität des Körpers unter Belastung) liegt hier bei sehr niedriger Intensität. Eine Verbesserung der Fettverbrennung auf 50-60 g/h bis zur aeroben Schwelle bewirkt eine deutliche Reduzierung des Kohlenhydratverbrauches im Grundlagenausdauerbereich, so dass an der Dauerleistungsgrenze der Bedarf durch die Wettkampfnahrung gedeckt werden kann.
Ein Trainingsschwerpunkt der nächsten Wochen ist für diesen Ultraläufer somit klar…
Anhand dieses kurzen Beispiels ist gut zu erkennen, welche Informationen die Athleten aus einer Leistungsdiagnostik entnehmen können und welche Trainingsmaßnahmen entsprechend der Anforderungsprofile ihrer geplanten Wettkämpfe umzusetzen sind. Wir sind gespannt, welche Entwicklung unsere Teammitglieder in dieser Saison machen werden.