Alternativsport Bergwandern: Eine Tour zum Hochkalter

Christian Mayer am Hochkalter © Christian Mayer

Jeder Läufer kennt sie und hat mit Sicherheit die eine oder andere unfreiwillig hinter sich gebracht – die Laufpausen. Gerade bei Erkrankungen oder Verletzungen kann sich eine Laufpause über mehrere Wochen und Monate hinziehen und das kann unter Umständen für alle Beteiligte zu einer psychischen Belastungsprobe werden.

Aufgrund einer bis dato noch nicht genau abgeklärten Ursache zieht sich meine Laufpause mittlerweile schon seit meinem DNF beim Matterhorn Ultraks am 25.08.2018 hin. Ein versuchter Laufstart beim Arberland Ultratrail war aufgrund starker Schmerzen von vornherein zum Scheitern verurteilt, so dass ich einen Tag vor diesem Event meinen Start absagen musste. Seit dieser Zeit versuche ich mich mit längeren Radfahreinheiten zumindest körperlich fit zu halten. Dies ist mir meines Erachtens aufgrund des erhöhten zeitlichen Aufwands auch sehr gut gelungen, kann mich aber nur teilweise über die fehlenden Laufeinheiten hinwegtrösten. Auch die ständigen Arztbesuche zwischen Hoffen und Bangen zerren zusätzlich an meiner Psyche, so dass es nun endgültig an der Zeit war neue Wege zu gehen. Das jahreszeitlich eher untypisch gute Wetter lockte mich noch zusätzlich, so dass ich mich vor einer Woche alleine auf den Weg in den Nationalpark Berchtesgadener Land machte, um zumindest noch ein letztes Mal in diesem Jahr die faszinierende Bergwelt der Alpen erleben zu können.  Die Überschreitung des Hochkaltermassivs sollte aus mehreren Gründen mein Tagesziel werden. Zum einen soll diese Überschreitung einen ähnlichen Schwierigkeitsgrad wie die am Watzmann haben, aber im Gegensatz dazu auch bei moderater Geschwindigkeit an einem Tag machbar sein, zum anderen war man dort zu dieser Jahreszeit mit Sicherheit allein unterwegs und auch die in Aussicht gestellten Kraxeleien des Schwierigkeitsgrades II sind ein verlockendes Argument.

 

Ein früher Start in den Morgenstunden

Kurz nach acht Uhr erreiche ich den Startpunkt und machte mich auf den Weg. Vom ersten Hinweisschild das einen Gipfelaufstieg von 6h Dauer anzeigt, lasse ich mich nicht entmutigen, da ich trotz fehlenden Laufpensums über eine enorme Ausdauer verfüge und ich bekanntermaßen gerade bei den Aufstiegen sehr schnell unterwegs bin. Der erste Teil bis zur Blaueishütte verläuft relativ unspektakulär auf einem Forstweg, so dass ich mit Hilfe meiner Stöcke sehr schnell an Höhe gewinne. Kurz vorher zweigt der Weg ab und bietet mir schöne Aussichten zum kleinen Blaueisgletscher. Die Blaueishütte selbst ist natürlich Mitte November geschlossen. Diese ist vor allem in den Sommermonaten sehr gut besucht und für Wanderer und Kletterer eine hervorragende Unterkunftsmöglichkeit auf einer Ausgangshöhe von 1651 m.

 

Übergang von einer harmlosen Wanderung zu einer anspruchsvollen Bergtour

Von nun an wandelt sich der Charakter meines Ausflugs von einer leichten Wanderung zu einer wunderschönen Bergtour. Bereits wenige Meter hinter der Hütte geht es in das schroffe Felsengeländer. Den Blaueisgletscher immer im Blickfeld wird es nun immer steiler über schwer zu gehendes Schotterkar. Drei Schritte vor – zwei zurück ist hier das Motto. Neben den noch reichlich vorhandenen Markierungen dienen immer wieder aufgereihte Steinmännchen der Orientierung. Kurze Zeit später stehe ich an der ersten Wand die ich aber durch den festen und griffigen Stein mit etwas Kraft sehr schnell überwinde. Oben angekommen wartet der „schöne Fleck“ auf mich. Ein relativ flaches, aber sehr schmales Gelände, dass den ersten Überblick über den Nationalpark bietet. Über einen schmalen Grat ging es nun weiter und mein Herz lachte vor Freude. Leider passiert es mir hier häufiger, dass ich mit meiner Gedanken- und Gefühlswelt immer wieder abschweife und ich mich dann teilweise in unmarkierten Gelände wiederfinde. Zum Glück hat man an dieser Stelle wenig Ausweichmöglichkeiten, so dass ich mit einigen Umwegen und kleineren Kletteranteilen letztendlich doch wieder auf den richtigen Weg komme. Nun wartet die in einigen Berichten angekündigte Schlüsselstelle auf mich. Eine circa 15 m hohe Wand, die zwar sehr gut markiert ist, aber aufgrund meiner Körpergröße eine schwierige Übergangsstelle darstellt. Dank meiner Beweglichkeit finde ich aber sehr schnell den für mich richtigen Weg, so dass ich mich kurze Zeit später auf den letzten Metern zum ersten Gipfel des Tages befinde. Der Rotpalfen mit seiner Höhe von 2367 m bietet eine schöne Aussicht auf die umliegende Bergwelt. Um aber trotzdem nicht zu viel Zeit zu verlieren gehe ich relativ zügig weiter, vor allem da mit dem Kleinkalter bereits das nächste Zwischenziel erkennbar ist. Nach einem sehr flachen und einfachem Gehgelände wird es in Richtung Kleinkalter wieder steiler und enger. Die nun folgende Gratwanderung ist nichts für schwache Nerven. Links geht es ca. 400 HM steil hinunter in Richtung Blaueis und rechts befindet sich nicht minder steiles Schroffengelände, so dass jeder falsche Schritt der letzte sein könnte. Nur kurzzeitig mache ich mir Gedanken, dass es doch ziemlich unvernünftig ist, hier alleine unterwegs zu sein. Aber was soll`s, es gibt schlimmeres und nun hinweg mit den schlechten Gedanken und weiter diesen anspruchsvollen Weg in vollen Zügen genießen! Am Kleinkalter angekommen verschnaufe ich nur kurz, blicke nochmals hinunter zum kläglichen Rest des Blaueisgletschers und mache mich auf den Weg zum Hauptziel meines Tages. Ab einer Höhe von 2500 m habe ich nun mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Aufgrund der frostigen Nächte sind die im Schatten liegenden Pfade komplett vereist. Da ich zu faul bin, die kurz vorher besorgten Chainsen Spikes aus dem Rucksack zu holen, umsteige ich die kritischen Stellen und hole mir im anspruchsvollen Gelände einen weiteren Gefühlskick. Mit knurrendem Magen aber voller Freude erreiche ich den Hochkalter. Innerlich schreie ich vor Glück und ein emotionales Feuerwerk durchströmt meinen Körper. Sämtliche Gedanken werden gleichzeitig in meinem Kopf verarbeitet: „Ja ist das geil, boah, Du bist scho a g`spinnerter Uhu, f…ck, das ist der Wahnsinn!“ Nachdem ich mich wieder eingekriegt habe, geht es nun darum mich zu stärken und bereits visuell den Rückweg über das Ofental zu begutachten. Eins wird mir aber bereits hier klar, einfacher gestaltet sich dieser Rückweg mit Sicherheit nicht. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigt mir, dass es nun an der Zeit ist aufzubrechen.

Rückweg durch das Ofental

Das zunächst steil abfallende Gelände ist im griffigen Fels kein Problem. Das ändert sich aber sehr schnell, als der Weg in sehr steiles Schotterkar übergeht. Gerade die fein zermahlenen Schotterkiesel werden zu meinem Hauptproblem und ich befürchte mit jedem Schritt abzurutschen. Von nun an geht es sehr langsam voran und ich gerate immer wieder ins Rutschen und fange mich an den seitlichen Steilwänden wieder ab. Mehrmals bremse ich mit dem Hosenboden und richte dankende Blicke gen Himmel als ich mich immer wieder irgendwie abfange. Nein, das ist jetzt nicht mehr mein bevorzugtes Gehgelände und hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich den Anstiegsweg für den Abstieg genutzt. Nach einer gefühlten Ewigkeit bin heilfroh als das Ofental zunehmend flacher wird und ich letztendlich wieder unterhalb der Baumgrenze in festes Trittgelände komme. Von nun an geht es wieder schneller und ehe ich mich umschaue, spuckt mich der Wald im Talkessel von Hintersee an der Ramsauer Ache wieder aus. Der anschließende Kilometerlange Rückmarsch bietet noch letzte atemberaubende Blicke zum Hochkaltermassiv. Ein wunderschöner Tag mit einer für das seelische Wohlbefinden so wichtigen Bergtour neigt sich dem Ende zu und schon mache ich mir erste Gedanken für neue lohnende Ziele!

Final Facts

Der Aufstieg zum Hochkalter ist mit 6h und der Abstieg über das Ofental mit 4,5 h angegeben Hinzu kommt noch der ca. 4km lange Rückweg bis zum Parkplatz. Diese Zeitangabe ist allerdings sehr großzügig angegeben. Mit einer einigermaßen vorhandenen körperlichen Ausdauer schafft man diese Wanderung in wesentlich kürzerer Zeit. Ich habe bis zur Blaueishütte eine Stunde benötigt, bis zum Gipfel drei Stunden und insgesamt war ich ca. 6 h unterwegs.

Allerdings sollte man diese Bergtour, die auch als einfache Hochtour bezeichnet wird, nicht unterschätzen. Trittsicherheit und absolute Schwindelfreiheit ist dringend notwendig. Diese Tour ist absolut ungesichert, so dass man sich nur auf seine eigenen Fähigkeiten verlassen kann.

Ich war aufgrund der Jahreszeit komplett alleine unterwegs. Im Sommer wird am Berg vermutlich wesentlich mehr los sein. Aus diesem Grund ist ein möglichst frühzeitiger Start dieser Tour absolut zu empfehlen.

Man sollte sich von vornherein bereits Gedanken machen, ob man diesen Rückweg über das Ofental nimmt oder nicht. Gerade im Sommer dürfte dieser Weg eine weitere Gefahr durch abrutschendes Geröll und losgetretene Steine aufweisen. Ich würde wie bereits erwähnt lieber wieder über den Anstieg zurückgehen.

Halb Europa denkt darüber nach Kleingeld komplett abzuschaffen. Nicht so der Nationalpark Berchtesgadener Land. Die aufgestellten Parkautomaten in den gekennzeichneten Parkplätzen nehmen keine Scheine und haben auch keine Wechselfunktion. Eine Tageskarte kostet aber sechs Euro. Aufgrund fehlendem Kleingeld wollte ich eine Geldstrafe nicht riskieren und hab darum kurzerhand mein Auto abseits der gekennzeichneten Parkfläche gestellt. Das mag vielleicht am Saisonende funktionieren, aber im Sommer ist hier mit Sicherheit Ärger vorprogrammiert.

Christian Mayer