Florian Grasel gilt als Veteran auf den Trails im DACH-Raum und seit fast einem Jahrzehnt als einer der besten Ultratrailläufer Österreichs. Der Vater von Zwillingen und CEO seines eigenen IT-Unternehmens ist ein Meister des Zeitmanagements. Im Jahr 2010 begann er, an Wettläufen teilzunehmen, und 2013 finishte er zum ersten Mal den UTMB. Sechs weitere Teilnahmen am größten und wichtigsten Trailevent der Welt folgten – mit allen Höhen und Tiefen. Seine Begeisterung für das Trailrunning führt er auf die wunderbare Kombination aus natürlicher Landschaft, Gemeinschaft und körperlicher Herausforderung zurück, aber am wichtigsten ist für ihn die Freude am Trailrunning.
Interview Florian Grasel
Florian, du hast vor ein paar Wochen deinen siebten UTMB-Start mit einem starken 27. Platz und Rang 2 in der Altersklasse abgeschlossen. Was hast du seitdem Sportliches gemacht?
Flo: Viel Radgefahren, gelaufen, gewandert, geklettert – hab es genossen draußen unterwegs zu sein. Genau genommen das gleiche wie vor dem UTMB – nur halt ohne strukturiertem Trainingsplan.
Kaum einer aus dem DACH-Raum kennt die internationale Trailrunning-Szene so gut wie du. Was hat sich im letzten Jahrzehnt im Trailrunning und speziell beim UTMB verändert?
Flo: Trailrunning ist professioneller geworden – vor allem der UTMB setzt von Jahr zu Jahr neue Maßstäbe. Einiges finde ich gut – einiges gar nicht. Ich finde gut, dass vor allem für die zukünftige Generation die Wahrnehmung des Sports durch professionelle Berichterstattung besser wird und dadurch mittlerweile das Geld auch bei den Sportlern ankommt.
Gegenüber stehen für mich Greenwashing von Autohersteller, überdimensionale Lichtbögen auf der Strecke, CO2 Verbrauch für Flugreisen um Lose zu sammeln etc… Ich hoffe keiner glaubt von mir, dass ich das mit meinen 7 Starts unterstütze oder sogar gutheiße. Definitiv nicht – aber aktuell stehen für mich noch die positiven Emotionen und Erinnerungen darüber.
Ich glaub jeder der schon mal mit 2.500 anderen Startern „Conquest of Paradies“ am Freitag 18:00 in Chamonix gehört hat, weiß wovon ich spreche. 2.500 LäuferInnen stehen mit Gänsehaut und teilweise Tränen in den Augen am Fuße des Mont Blancs vor dieser schier unlösbaren Aufgabe. Für mich einer der ehrlichsten Momente überhaupt – keiner kann sich dort hinter einer Fassade verstecken.
Mittlerweile steigen Events wie der Transvulcania wieder aus der UTMB-Blase aus (siehe Artikel). Wie siehst du die Entwicklung in den nächsten Jahren?
Flo: Es wird sich noch unglaublich viel tun. Es kommt immer mehr Geld ins Spiel und das hat wie schon erwähnt Sonnen- aber auch oft mehr Schattenseiten. Wie lange für mich noch die positiven Emotionen, die ich mit dem UTMB verbinde, über den negativen Entwicklungen stehen – kann ich aktuell noch nicht beantworten.
Sieben Teilnahmen von 2013 bis 2023 auf der großen Runde um den Mont Blanc. Was war dein schönster und was dein schlimmster UTMB?
Flo: Emotional war der schönste Moment eindeutig der Heiratsantrag an meine Frau Julia bei meiner ersten Teilnahme und sportlich natürlich der neunte Platz 2018. Einer der schlimmsten Momente war sicher letztes Jahr. Ich hatte keinen Elite-Startplatz und bin 3h im Startbereich bei teilweise Regen am kalten Boden gesessen. Start – Weglaufen – Zack Stich im Kreuz… instinktiv wusste ich dass das der Anfang vom Ende ist. Bin bis Courmayeur mit Schmerzen gelaufen und dort mit der Gewissheit ausgestiegen, dass ich „zu alt für diesen Sch*** bin“. Gott sei Dank liebe ich diesen Sport zu sehr und konnte mir dieses Jahr wiederum beweisen, dass das noch nicht der Fall ist.
Es ist faszinierend zu beobachten, dass du nach so vielen Jahren immer noch für den Sport und die Wettkämpfe „brennst“. Wie bewahrst du das Feuer und wie hast du es geschafft über so viele Kilometer und Höhenmeter hinweg gesund zu bleiben?
Flo: Das Frage ich mich ehrlich gesagt auch immer wieder. Ich hab schon so viele LäuferInnen kommen und gehen gesehen. Ein oder zwei gute Saisonen und dann die erste kleinere Verletzung, dann die nächste größere und dann auf einmal von der Bildfläche verschwunden. Ich kann es mir bis jetzt nur so erklären, dass ich die Natur und den Sport an und für sich so Liebe. Ich bin einfach gerne draußen unterwegs und liebe einfach den Weg. Ich liebe das Trainieren und den Prozess dahinter. Wobei es mir hier nicht um höher-schneller-weiter per se geht – sondern meine begrenzte Zeit doch sehr intensiv zu leben.
Im Sommer 2023 bist du ganz knapp am 3 Peaks Projekt (zum Artikel) gescheitert. Inwieweit hat dich das in der Vorbereitung auf den UTMB beeinflusst? Gibt es einen zweiten Versuch?
Flo: Ich glaub meine Vorbereitung hat es gar nicht beeinflusst – schlussendlich waren es gute 26h in den Bergen ein Monat vorm UTMB. Und auch dass ich gescheitert bin, hatte keinen negativen Effekt – es sollte halt aufgrund des Wetters an dem Tag einfach nicht sein.
Ich muss gestehen, ich wollte eigentlich in den letzten Wochen noch einen Versuch beim 3 Peaks Project machen. Aber meine Frau hat mir dankenderweise aufgezeigt, dass in meiner #lifeworktrailbalance gerade ein starkes Ungleichgewicht herrscht. Somit habe ich es auf nächstes Jahr verschoben.
Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber ich glaube gehört zu haben, dass du bei two peaks endurance trainierst. Braucht ein alter Hase wie du einen Trainer?
Flo: Ich liebe das Trainieren. Aber ich muss gestehen, dass ich auch nur das trainiert habe, was mir in dem Moment Spaß gemacht hat. Nach dem UTMB 2022 wollte ich was Neues ausprobieren und hab mit Lars von two peaks endurance geschrieben, ob „er sich MICH antun will“. Eben einen alten Hasen, der wahrscheinlich alles besser weiß und die meiste Zeit eh das macht was er will. Überraschenderweise hat er zugestimmt und der 27te Platz beim UTMB heuer bestätigt, dass auch ein alter Hase einen Trainer ganz gut gebrauchen kann!
Wie sah deine Vorbereitung auf den UTMB 2023 konkret aus? Was waren die Schlüsseleinheiten?
Flo: Die Schlüsseleinheiten waren die langen Ausdauereinheiten in Kombination mit den Zone3 Hiking Einheiten. Und dass mir schlussendlich Lars den Freiraum gab und auch noch zusätzlich die Einheiten einbaute, die mir Spaß machten.
3 Dinge, die du auf der langen Runde um den Mont Blanc nicht missen möchtest?
Flo: Meine Familie. Der Moment, wenn es nach dem Trubel in Chamonix in die erste Nacht bei Notre Dame de la Gorge geht – alles wird still und man ist mit sich und seiner Stirnlampe alleine. Und das Team von BOA, die auch unermüdlich die ganze lange Runde um den Mont Blanc immer an meiner Seite sind.