Der Plan: 30 Kilometer und 2500 Höhenmeter beim PIUT30 in Ischgl. Die Realität: Schnee, Umplanung – und ein Rennen, das mich trotzdem gepackt hat. Ein Bericht über Höhenmeter, Überraschungen und eine Region, die Lust auf mehr macht.
Als ich am Freitag in Ischgl ankomme, ist schon mächtig Betrieb. Neben Startnummernausgabe und Expo Area sorgt insbesondere der Nachwuchs für Aufsehen, denn mit den Wettbewerben für die Trailrunner der nächsten Generation wird das Event am Nachmittag offiziell eröffnet. Bereits die ersten Rennen des Nachwuchses sorgen für echte Wettkampfatmosphäre. Angeheizt von den Moderatoren sowie dem Publikum liefern sich die jungen Läuferinnen und Läufer ehrgeizige Duelle auf dem Rundkurs. Motiviert von der guten Stimmung mache ich mich auf den Weg ins Hotel, wo ich mich auf meinen eigenen Lauf vorbereite. Ich habe mich für den PIUT30 angemeldet – einen der sechs Wettbewerbe des Paznaun Ischgl Ultra Trail, der sich bereits im zweiten Jahr großer Beliebtheit erfreut. Ursprünglich sollte das Rennen über 30 Kilometer und 2500 Höhenmeter verlaufen, der starke Schneefall zu Beginn der Woche hat jedoch einige Passagen der geplanten Strecke unpassierbar gemacht. Das Orga-Team musste also innerhalb kürzester Zeit eine Alternativstrecke finden, die mit knapp 28 Kilometern und immerhin noch 1500 Höhenmetern aufwartet.
Während ich mich ins Land der Träume begebe, starten um 23 Uhr die Langdistanzen über 85 und 100 Kilometer und als ich am nächsten Morgen um 06:30 Uhr aufstehe, starten gerade die Läuferinnen und Läufer über die 50 Kilometer. Nach einem kurzen Frühstück, welches die Fähigkeiten des Buffets mal wieder überhaupt nicht auskostet, da ich mich für die Verdaulichkeit auf Toast mit Honig beschränke, geht es für mich direkt nach Galtür. Hier startet um 08:30 Uhr der PIUT30. Als ich ankomme, ist noch nicht so viel los auf dem Startgelände, was sich aber schnell ändert, da kurz nacheinander einige Shuttle-Busse heranfahren und mit ihnen zahlreiche Läuferinnen und Läufer. Jetzt ist richtig Betrieb! Kein Wunder, denn schließlich hat der PIUT in diesem Jahr bei seiner erst zweiten Austragung bereits die Marke von 1.000 Teilnehmenden geknackt.
Nach dem Startschuss stürmen alle, wie sollte es auch anders sein, direkt los. Auch ich lasse mich von der Euphorie anstecken und ignoriere die Tatsache, dass ich noch nie eine so lange Distanz im Wettkampf zurückgelegt habe. Die ersten knapp zwei Kilometer verlaufen auf asphaltiertem Weg das Tal hinauf und bieten eine gute Gelegenheit, um ins Rennen zu finden. Eigentlich sollte die Strecke von hier nun bergauf zum Zeinissee und über die Fädnerspitze zur Friedrichshafener Hütte verlaufen. Der Schneefall zu Beginn der Woche hat aber unter anderem die Fädnerspitze eingeschneit, sodass dort kein Durchkommen ist. Deshalb geht es ab Wirl das Tal wieder hinunter, an einigen verdutzt guckenden Kühen sowie am Startort Galtür vorbei und ab hier auf dem fünften Abschnitt des Paznauner Höhenweges. Nach den ersten Metern des Tages mit Trail-Passagen heißt es bergan zum Aussichtspunkt Sonnenkogel. Nach Aussicht ist mir hier jedoch nicht zumute, denn nun beginnt der erste richtige Anstieg des Tages. Rund drei Kilometer geht es nun in Serpentinen auf 2.300 Meter hinauf. Ich finde hierbei schnell in einen guten Rhythmus, was daran liegt, dass die steilen Passagen im unteren Teil immer wieder für ein paar Meter von nicht mehr ganz so steilen Abschnitten unterbrochen werden. Außerdem finde ich mich mit zwei weiteren Läufern in einer Dreiergruppe zusammen, in welcher wir Höhenmeter für Höhenmeter hinter uns lassen.
Im oberen Teil des Anstieges lichtet sich das Gelände und ich gönne mir einen kurzen Blick hinunter ins Tal und staune nicht schlecht – wie sind wir denn so schnell so hoch gekommen?! Dann konzentriere ich mich aber wieder aufs Laufen, denn ich fühle mich nach wie vor gut und ziehe das Tempo etwas an. Wenig später ist der Anstieg geschafft und die folgenden zwei Kilometer bieten ausreichend Gelegenheit, um das beeindruckende Bergpanorama der Silvretta zu bestaunen. Das geht auch wunderbar, denn der Weg ist breit, leicht fallend und technisch nicht anspruchsvoll. Kurz darauf erreiche ich die Friedrichshafener Hütte und nachdem ich mich an der Verpflegungsstation kurz versorgt habe, ist es mit der Entspannung auch schon wieder vorbei. Nun beginnt der technisch anspruchsvolle Teil, denn es geht ins alpine Gelände. Wir folgen dem Ludwig-Dürr-Weg, der auch Teil des sechsten Abschnitts des Paznauner Höhenweges ist. Ab hier verläuft die Strecke erneut bergauf und ich brauche ein paar Meter, um wieder in einen guten Rhythmus zu finden.
Inzwischen bin ich schon seit einiger Zeit alleine unterwegs, kann jedoch sowohl vor als auch hinter mir immer wieder Läufer sehen, was mir hilft, die nächsten Höhenmeter gut zu absolvieren. Die hochalpine Strecke, die inzwischen den Ludwig-Dürr-Weg verlassen hat und in einer Scharte zwischen dem Grauen Kopf und der Grafspitze den höchsten Punkt mit über 2.700 Metern erreicht, fordert volle Konzentration. So langsam merke ich die Höhe und die knapp zwei Stunden Rennbelastung, dennoch habe ich richtig viel Spaß und vergesse bei der Kraxelei über Geröll und Schnee kurz, dass ich ja eigentlich einen Wettkampf laufe. Daran werde ich jedoch schnell wieder erinnert, da von hinten die ersten Mitläufer heran und an mir vorbei stürmen. Ich bin beeindruckt, wie schnell die alle in dem technisch wirklich anspruchsvollen Gelände unterwegs sind. Scheinbar sind sie jedoch keine Ausnahmen, sondern eher ich das Problem, da ich auf dem weiteren Downhill gleich noch von einer Reihe weiterer Läufer sowie der führenden Läuferin auf dieser Distanz überholt werde. Davon lasse ich mir den Spaß jedoch nicht verderben, finde meinen eigenen Rhythmus und laufe konzentriert weiter.
Insgesamt ist der Downhill eine gute Zusammenfassung der vielfältigen Strecke: aus dem hochalpinen Gelände, geht es ins „normal“ alpine Gelände und nach einer erneuten Passage der Friedrichshafener Hütte, wo ich mir noch ein Gel für den restlichen Weg mitnehme, wird das Gelände immer weniger alpin. Auf dem steilen aber gut zu laufenden Weg gelange ich schnell wieder in bewaldetes Gelände und ehe ich mich versehe bin ich schon wieder unten im Tal. Von Mathon geht es nun noch ein paar Kilometer das Tal hinab bis nach Ischgl und zunächst fühle ich mich auf dem relativ flachen Gelände echt gut. Das geht aber schnell vorüber und auf den letzten Kilometern bin ich echt froh, dass es doch „nur“ 1.500 Höhenmeter und nicht noch mehr waren. Dann sehe ich aber den Zielort Ischgl und hole motiviert von der Aussicht auf das Ziel noch einmal den ein oder anderen Läufer ein. Auf Platz 15 nach 3:15 Stunden erreiche ich schließlich das Ziel und auch wenn ich bergab meine Schwierigkeiten hatte, war es unterm Strich ein solider Lauf, der Lust auf mehr macht.
Nach dem Zieleinlauf brauche ich erst einmal ein paar Minuten, um mich zu sammeln und das Rennen zu verarbeiten. Was dabei hilft sind zunächst die Getränke und Snacks, insbesondere die erfrischende Wassermelone hat es mir angetan. Mein nächster Weg geht direkt zur Eistonne auf der Expo-Area, um die Regeneration in meinen Beinen zu starten und auch die Körperkerntemperatur wieder auf Normalniveau zu bringen. Im Wasser halte ich es jedoch nicht lange aus – 4°C sind dann doch wirklich sehr kalt. Aber auch die kurze Zeit im kalten Wasser verbessert mein Wohlbefinden erheblich. Und auch die anschließende Dusche, eine Pizza und das Füße hochlegen tragen ihren Anteil dazu bei.
Im Liegestuhl sitzend sinniere ich am späteren Nachmittag, während nebenan nahezu ununterbrochen Läuferinnen und Läufer der unterschiedlichsten Distanzen ankommen, über den Lauf und was davon bleibt. Eins ist sicher, ich werde wieder kommen, um die Originalstrecke auch kennenzulernen. Dann aber besser vorbereitet, insbesondere was das Bergablaufen angeht… Die Vielfalt der wunderschönen Region hat es mir angetan! Landschaft, Stimmung und Strecke haben mich gepackt, und ich freue mich schon jetzt auf ein Wiedersehen mit etwas mehr Erfahrung in den Beinen – und der gleichen Freude daran, mich hier wieder auf eine anspruchsvolle, aber lohnende Strecke einzulassen.








































