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David Roche – Der neue König von Leadville

Leadville, Colorado. Auf 3.100 Metern Höhe, wo die Luft dünn und die Wege steinig sind, hat sich David Roche endgültig in die Geschichtsbücher des Ultralaufs eingeschrieben. Mit einer Zeit von 15:12 Stunden verteidigte er nicht nur seinen Titel beim legendären Leadville 100 Mile, sondern verbesserte auch noch einmal seinen eigenen Streckenrekord.

„Anything can happen in 100 miles“ – dieser alte Ultraläufer-Spruch schien für Roche an diesem Augustwochenende keine Gültigkeit zu haben. Während andere auf den 160 Kilometern zwischen Hope Pass, Turquoise Lake und den endlosen Singletrails an der Höhe zerbrechen, wirkte der 36-Jährige so, als würde er ein Spiel diktieren, das längst ihm gehört. Schon zur Rennhälfte, nach rund 80 Kilometern, lag Roche mit 7:06 Stunden deutlich unter seinem eigenen Kursrekord von 2024. Am Ende brachte er fast drei Stunden Vorsprung auf die Konkurrenz ins Ziel.


Vom Jurastudenten zum Ultraläufer

Roche wuchs an der US-Ostküste auf und schlug zunächst eine akademische Laufbahn ein. Er studierte Jura, arbeitete zeitweise als Anwalt – und merkte schnell, dass ihn das Laufen mehr erfüllte als lange Tage im Büro. Gemeinsam mit seiner Frau Megan, selbst Ärztin und Spitzensportlerin, baute er eine Coaching-Plattform auf, die inzwischen Hunderte Athleten betreut. Heute ist Roche nicht nur Eliteläufer, sondern auch Trainer, Autor und Podcaster.


Trainingsphilosophie: Freude als Fundament

Was Roche auszeichnet, ist sein unorthodoxer Zugang zum Sport. „Laufen sollte Spaß machen – auch wenn es weh tut“, lautet sein Credo. Während viele Ultraläufer auf extreme Wochenumfänge setzen, betont Roche die Bedeutung von Qualität vor Quantität: kurze, intensive Einheiten, kombiniert mit lockeren Dauerläufen und viel Erholung. Sein Training ist geprägt von spielerischen Elementen, Intervallen im Gelände und der Überzeugung, dass mentale Stärke aus Freude wächst, nicht aus Selbstquälerei.

Er selbst trainiert oft zweimal am Tag, doch nicht jede Einheit muss perfekt sein.

„Es geht darum, das große Ganze zu sehen. Wer sich ständig unter Druck setzt, brennt aus. Wer das Laufen liebt, bleibt gesund und wird schneller.“


Ernährungsphilosophie: Kein Dogma, viel Energie

Auch bei der Ernährung folgt Roche einem bodenständigen Ansatz. Er lehnt strenge Diäten oder Einschränkungen ab. Stattdessen setzt er auf ausreichend Kohlenhydrate, echte Lebensmittel und das Prinzip „Fuel the fun“. Während vieler Ultraläufer mit restriktiven Strategien experimentieren, betont Roche, dass der Körper Energie braucht, um sich von den Belastungen zu erholen.

„Das Schlimmste, was man als Läufer tun kann, ist unterernährt zu sein. Essen ist Training“, sagt er.


Von Rückschlägen lernen

Sein Sieg in Leadville ist umso eindrucksvoller, da er erst im Juni beim Western States 100 einen schweren Tag erlebte. Statt zu resignieren, sah er die Niederlage als Lernmoment.

„Jeder schlechte Tag ist eine Einladung, es beim nächsten Mal besser zu machen“, erklärte er im Zielbereich von Leadville.


Konkurrenz? Kaum in Sicht

Hinter Roche kämpften sich Justin Grunewald (18:06) und der lokale Läufer Patrick Cade (18:25) auf die Podiumsplätze. Doch ein echter Zweikampf entstand nie. Zu dominant war Roche, zu konstant sein Schritt. Der Abstand: beinahe surreal.


Ein Doppelerfolg für die Geschichtsbücher

Während Roche bei den Männern die Maßstäbe neu setzte, schrieb Anne Flower mit 17:58 Stunden ebenfalls Geschichte. Sie unterbot den 31 Jahre alten Streckenrekord von Ann Trason und wurde sensationell Gesamtzweite hinter Roche – ein Wochenende, das den Mythos von Leadville neu befeuerte.


Nächste Station: Wüste

Roche bleibt nicht lange stehen. Schon im Oktober will er beim Javelina 100 Mile in Arizona an den Start gehen – ein völlig anderes Rennen, mitten in der Hitze der Sonora-Wüste. Doch wer Leadville in Rekordzeit dominiert, scheint für jede Herausforderung bereit.