Trailrunner im Interview: Moritz auf der Heide

Moritz auf der Heide und Dioni Gorla © Adrian Niski

Die sportliche Karriere von Moritz auf der Heide ist geprägt von Licht und Schatten. Unglaublich viele Erfolge auf nationaler Ebene, zahlreiche Verletzungspausen, einige DNFs und weniger erfolgreiche Auftritte gefolgt von fulminanten internationalen Ergebnissen wie beim Eiger Ultra Trail 2019 (1. Platz) oder als bester Deutscher im Rahmen der WMRA Langdistanz Weltmeisterschaft in Argentinien (13. Platz / 2019).

Auch menschlich polarisiert Moritz schon mal, wenn er beim TAR an einem Tag seinen Teampartner verheizt, um sich am nächsten Tag auf der Bühne vor der ganzen „Trailwelt“ zu entschuldigen, oder auch mal ein High-Five auslässt und das Danke für die Volunteers vergisst, um abends beim Bier wieder alles gut sein zu lassen. Er lebt diesen Sport einfach mit jeder Haarfaser und allen Emotionen – genau das macht ihn authentisch und zum, nach ITRA-Index, derzeit viertbesten deutschen Trailrunner.

Interview: Moritz auf der Heide

Moritz, wie immer in diesen außergewöhnlichen Zeiten: Wie geht es dir und wie kommst du durch die Corona-Zeit?

Moritz:

Ehrlich gesagt belastet mich Corona nicht besonders. Ganz im Gegenteil. Ich habe während dieser durchaus schwierigen Phase auf der Welt einigen Mut zusammengenommen und noch mehr Veränderung in mein Leben geholt. Seit September 2020 wohne ich nämlich in Innsbruck, wofür ich z.B. meinen Job in München aufgegeben habe. Eine Entscheidung, die mir zwar schwergefallen ist, die ich allerdings auch keine Sekunde bereut habe. Zudem hatte ich die letzten zwei Jahre immer wieder mit einer hartnäckigen Verletzung zu tun. So konnte ich mir nun endlich die Zeit nehmen, mich ganz auf meine Genesung zu konzentrieren. Unterm Strich geht es mir aktuell also hervorragend!

Moritz auf der Heide: ITRA Performance Index © Adrian Niski

Du hast vor ein paar Monaten deinen Lebensmittelpunkt nach Innsbruck verlegt und möchtest dich dort voll auf den Sport konzentrieren. Was hat dich dazu bewogen? Wie hat sich dein Leben diesbezüglich verändert?

Moritz:

Die letzten 10 Jahre meines Lebens waren geprägt vom Ende meines Studiums, ca. 8 Jahren Vollzeitarbeit und grundsätzlich einer Menge Leistungssport. Dabei habe ich es eigentlich immer genossen, nicht finanziell von meinem Hobby, dem Trailrunning, abhängig zu sein. Die Entscheidung für Innsbruck ist grundsätzlich auch nicht für den Leistungssport gefallen. Ich wollte vor allem direkt in den Bergen leben. Dass sich parallel zu meinem Umzug die Chance ergibt, Profi-Sportler zu werden und bei ADIDAS Terrex anzuheuern, war zu diesem Zeitpunkt, wenn überhaupt, nur eine vage Idee. Als sich diese Idee nach mehreren Gesprächen immer weiter konkretisiert hat, habe ich ehrlich gesagt noch einige Male darüber nachgedacht. Schlussendlich sehe ich es aber als eine große Chance und auch Ehre, für ein paar Jahre in meinem Leben alles andere hintenanzustellen und mich voll auf den Sport zu konzentrieren. In 20 Jahren hätte ich es mir sicherlich selbst vorgeworfen, hätte ich die Chance nicht ergriffen. In das Berufsleben werde ich mich anschließend wieder nahtlos einfinden. Da bin ich sicher. Zudem arbeite ich parallel zum Sport ein paar Stunden pro Woche als Redakteur für Michael Arend Training. Das Schreiben des Blogs hält mich geistig auf Trab und bringt eine gewisse Verbindlichkeit mit sich. Das tut mir sicherlich gut.

Grundsätzlich hat es natürlich viele Veränderungen in meinem Leben gegeben. Ich kann mich nun voll auf die Effektivität meines Trainings konzentrieren, laufen, radeln und Touren gehen, wann ich will. Vor allem die Regeneration (Schlaf und Essen zum richtigen Zeitpunkt) hat ein ganz neues Niveau angenommen. Das wäre mit einem Vollzeitjob so nie möglich.

Du bist in dieser Saison zum Team Adidas Terrex als Ausstatter gewechselt. Wie kam es dazu? Was macht dieses Team so besonders? Welche Partner unterstützen dich noch?

Moritz auf der Heide © Adrian Niski

Moritz:

Ja, das ist wirklich eine besondere Ehre für mich. Zumal ich gemeinsam mit meiner Freundin (Dioni Gorla) für Terrex laufen darf. Seit Jahren kenne ich einige Terrex Athleten persönlich und mich hat einfach der Team-Gedanke extrem gereizt. Es war auffällig wie eng die Läufer und Läuferinnen miteinander vernetzt sind und sich austauschen. Zudem wusste ich schon länger, dass Terrex seinen Athleten ein ganz anderes Maß an Professionalität ermöglicht. Das habe ich gesucht und gebraucht. Dass die Schuhe und Klamotten absolute Qualitätsprodukte sind, versteht sich von selbst. Daran hatte ich von Anfang an keine Zweifel und es war deswegen nur bedingt Teil meiner Entscheidungsfindung. Zum Glück darf ich weiterhin mit meinen bekannten Partnern Garmin, Powerbar und CamelBak zusammenarbeiten. Die Kooperationen bestehen teils schon sehr lange und haben mich als Athlet sehr gestärkt. Neu dabei ist eine lokale Brauerei aus Tirol namens Bierol. Die Geschäftsführer, die ich mittlerweile auch als Freunde bezeichnen würde, fanden es interessant wie Leistungssport und Genuss zusammenpassen können und arbeiten seit Ende 2020 mit mir. Über Terrex werde ich außerdem mit Rucksäcken von ARChMAX und mit Stöcken von Leki ausgestattet. Equipment technisch kann ich mich also nicht beschweren. ?

Das letzte Jahr war geprägt von einer langen Verletzungspause. Wie kam es dazu und was hat letztendlich geholfen?

Moritz:

Puh. Wo soll ich anfangen. Trigger war wohl schon eine Patella-Prellung im Spätherbst 2018. Seitdem hatte ich immer wieder Probleme. Das grundsätzliche Problem war aber wohl eher die Tatsache, dass ich nie Krafttraining in meinen Alltag integriert habe. So war die Prellung lediglich die Auslösung einer Problematik, die wahrscheinlich schon Monate, wenn nicht Jahre auf den Ausbrauch gewartet hat. Unser Körper ist ja bekannter Weise extrem gut darin, Probleme lange zu kompensieren. Doch irgendwann ist das Maß voll.

Über die letzten 12 Monate hinweg habe ich mich dann so ziemlich mit jedem Experten auseinandergesetzt, der nur ansatzweise etwas mit meiner Problematik zu tun hat. Podologen, Orthopäden, Physiotherapeuten, Chirurgen, Heilpraktiker, Neurologen, Chiropraktiker, Athletik-Trainer etc. Es war wirklich kein Spaß. Unterm Strich haben mir ein spezielles Krafttraining und der absolute Wille geholfen, wieder gesund zu werden. Ehrlich gesagt weiß ich immer noch nicht wie ich das geschafft habe. Es gab mehrere Monate am Stück, wo ich ohne Schmerzen nicht zum Bäcker gehen konnte. Das greift auch die Psyche an.

Seit einiger Zeit arbeitest du mit Michael Arend zusammen und schreibst hier auch einen sehr lesenswerten Blog. Wie hat sich dein Training seitdem verändert?

Moritz:

Zum Intensiven, zum Positiven, um 360 Grad. So kann ich es wohl am besten beschreiben. Vorher habe ich meine intensiven Einheiten ausschließlich mit Tempoläufen oder Wettkämpfen gemacht. Zudem war es nur 1-2x pro Woche der Fall. Michael und ich legen nun einen hohen Wert auf Intervalleinheiten, die meist 3x pro Woche stattfinden. Komplette Ruhetage habe ich keine, allerdings jede Woche einen ohne Ausdauersport. Zudem würde ich sagen, dass meine Umfänge relativ überschaubar sind. Meine Fitness allerdings ist nahezu explodiert. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so schnell wieder fit werden würde und auf der Straße meine Bestform von 2016 erreiche. Michael hat mich hier extrem professionell begleitet, mir zugehört, wenn Probleme wieder auftraten, und mindestens zwei Dutzend Mal den Trainingsplan im Winter angepasst. Dafür bin ich sehr dankbar.

Kannst du uns eine typische Trainingswoche skizzieren?

Moritz:

Auf der einen Seite möchte ich Michaels „Geheimnisse“ nicht offenlegen, auf der anderen Seite ist mein gesamtes Training sowieso auf Strava einzusehen. Das natürlich auch in Absprache mit Michael.

Grob sieht eine Standardwoche wie folgt aus:

  • Montag: Krafttraining
  • Dienstag: Intervalle
  • Mittwoch: Moderate Einheit + Krafttraining
  • Donnerstag: Intervalle
  • Freitag: Moderate Einheit
  • Samstag: Intervalle + Krafttraining
  • Sonntag: Moderate, längere Einheit

So komme ich im Schnitt auf ca. 12-16 Trainingsstunden pro Woche, die absolut sinnvoll genutzt werden.

Welche Erfahrungen und Tipps würdest du Einsteigern mitgeben?

Moritz:

Die Masterfrage 🙂  Nun ja. Am wichtigsten ist es, sich und seinem Körper Zeit zu lassen, die hohen Anforderungen vom Traillauf zu kompensieren. Das braucht teils Jahre. Wer meint, sofort 100 km und 4.000 hm pro Woche laufen zu können, wird leider oft mit Verletzungen bestraft. Außerdem sind Ruhephasen das A und O. Ansonsten finden keine Anpassungsprozesse statt, die unseren Körper leistungsfähiger machen. Auch wenn ich keine wirklichen Ruhetage habe, so gibt es doch Trainingsblöcke, die deutlich weniger fordernd sind als andere. Mein Körper ist die dauerhafte Belastung seit Jahren gewohnt und kommt damit klar. Ein Anfänger sollte eher auf komplette Ruhetage zurückgreifen.

Was sind die großen Saisonziele 2021? Wie sieht dein (vorläufiger) Jahresplan aus?

Moritz:

Den gibt es wirklich erst seit ein paar Tagen. Wenn alles nach Plan läuft, sieht er wohl wie folgt aus:

  • IATF im Mai (15, 25 oder 42km)
  • Die National Golden Trail Series DACH (Rennen werden noch ausgesucht)
  • infinite Trails

Zudem werde ich versuchen, mich wieder für die Berglauf Langdistanz WM (2021 in Thailand) zu qualifizieren. Und wenn es die Zeit zulässt, greife ich mal wieder meine Marathon-PB (2h27m04s) an.

Einen Startplatz für den OCC habe ich übrigens auch. Mal sehen, ob ich das schlau integriert kriege. Lust hätte ich ja. ?

Deine drei Tipps um Verletzungen zukünftig zu vermeiden?

Moritz:

Die kann ich wirklich ganz klar definieren:

  • Krafttraining: Jeder sollte individuell abgestimmtes Krafttraining in den Trainingsplan integrieren (3x30min oder 2x60min pro Woche können völlig ausreichen).
  • Ruhephasen: Nur in den Ruhephasen werden wir wirklich besser. Unser Körper bekommt Zeit, sich zu erholen und Reparaturprozesse anzuwerfen. Das ist im Prinzip eine direkte Verletzungsprophylaxe.
  • Professionelle Begleitung: Holt euch für das Training und bei kleinen Zimperlein professionelle Unterstützung. Ein guter Trainer erkennt bspw. Warnsignale einer wachsenden Problematik und ein Physiotherapeut kann evtl. noch das Schlimmste verhindern.
Moritz auf der Heide © Adrian Niski