Moritz auf der Heide: Ein Plädoyer für die Kurzdistanz

Moritz auf der Heide holt sich den zweiten Platz beim Grand Défi des Vosges © Moriz auf der Heide

Ich gestehe: Eigentlich bin ich ‚Sprinter‘.

Gefühlt finden fast nur noch 100-km-Läufe statt. Fast alle Rennen erweitern auf und um Distanzen, die sich viele Normalsterbliche gar nicht mehr vorstellen können. Allenfalls mit dem Rad. Und ich erwische mich dabei, wie ich – halb in Erklärungsnot geratend – immer wieder anderen erzähle, dass ich dieses mal „nur“ die 25 km laufe. Die haben ja auch „nur“ 1.000 hm…

Ab wann gelte ich als „Ultra-Runner“?

Auf meinem Facebook-Sportlerprofil liste ich mich selbst als Ultra-Runner. Und das meiner Meinung nach aus gutem Grund. Denn sehen wir mal von dem unnötigen Anglizismus ab, darf ich mich mit Fug und Recht als Ultra-Runner bezeichnen, auch wenn ich eigentlich nie die ganz langen Distanzen laufe. Mehr als 100 km hab ich mir das letzte Mal 2015 zugemutet. Mittlerweile laufe ich nur sehr selten jenseits der 50 km über eine Ziellinie. Und doch halte ich mich für einen Ultra-Läufer, denn meine Wettkämpfe dauern oft deutlich länger als 3 Stunden und umfassen auch immer wieder mehr als 42,195km, die klassische Marathondistanz, nach der ja offiziell alles als Ultra gilt.

 „Unter 100 km? Pffff!“

 „Weniger als 4000 hm? Da werd‘ ich grad warm!“

 „Noch nicht mal 24 h unterwegs? Lohnt sich doch nicht!“

Solche und andere Aussagen hört man in der Tat immer wieder. Vielleicht klingen sie nicht immer ganz so überheblich. Aber gönnt mir diese (wirklich nur kleine) Übertreibung, damit mein Anliegen rüberkommt. Denn, oft als kleiner Scherz getarnt, schwingt meist auch Überzeugung mit. Trail-Rennen von 25 km Länge und 1.000 bis 2.000 hm im Aufstieg werden gerne als Anfänger- oder Schnupper-Trails angesehen und betitelt. Das gibt Neulingen einen völlig falschen Eindruck vom Anspruch, der einen am Berg erwartet!

Muss es immer die längste Distanz sein?

So fühlen sich mittlerweile einige von uns beinahe genötigt, immer die längste Event-Distanz zu schultern, immer das Non-Plus-ULTRA. Dabei überlegen wir oft gar nicht, was wir eigentlich am liebsten täten. Irgendwie dumm. Ich kaufe mir im Restaurant ja auch nicht die größte Pizza, nur um allen zu zeigen, dass ich sie aufessen kann. Natürlich bin ich selbst auch nicht unschuldig; eher Geläuterter als Vorreiter. Erst vor ein paar Wochen habe ich mich für den Swissalpine in Davos angemeldet. Dort geht das Rennen der Rennen über 78 km und auch mein Haken war zuerst dort gesetzt. Ich habe mich umentschieden und starte nun über 47. Für mich lang genug. Erfahrungsgemäß lassen sich aber auch auf 10 oder 15 km Laktatduschen und Runners-Highs sammeln. Viele von uns sind allerdings heute schon peinlich berührt, wenn sie bei der Online-Anmeldung den Haken bei Basetrail machen – und entscheiden sich schließlich doch wieder für den Supertrail. Sind ja nur 69 km im alpinen Gelände..

Hört auf euren Körper!

Bei einer Anmeldung vor Ort, wenn die Langstreckler einem über die Schulter schauen, wäre der erste Haken vielleicht gar nicht erst bei Basetrail gelandet. Davon, dass viele kaum Zeit für ein ausreichendes Training haben, um einen Lauf jenseits der 30 km gut zu verarbeiten, will ich gar nicht erst reden! Der Körper verzeiht fehlende Vorbereitung auf Dauer nicht. Auch diese Erfahrung habe ich am Anfang gemacht. Mein erstes Trail-Rennen war der Transalpine Run. Mehr muss ich dazu wohl nicht sagen..

Plädoyer für die „Kurzdistanz“

Ich denke, dass alle – Rennorganisatoren und wir Läufer – diesem Trend entgegenwirken sollten. Damit meine ich natürlich nicht, dass es keine 100- oder 150-km-Rennen mehr geben sollte. Auch ich will nach wie vor die Ausdauer- und Kraftidole unseres Sports an der Startlinie des UTMBs (168 km & 9.600 hm) sehen. Und ich weiß, dass manche diese Distanzen auch einfach lieben. Aber diesen leichten, unterschwelligen Druck, immer das Größte leisten zu müssen, sollten wir nicht jedem zumuten. Zumal auch die „Kurzdistanzen“ zwischen 20 und 45 km alles bieten, was man auf den Trails dieser Welt so sucht! Und manchmal sogar noch ein wenig mehr:

  • schnellere Regeneration – ergo kann/darf man schneller wieder laufen und an mehr Wettkämpfen teilnehmen
  • viele sogenannte Unterdistanzen finden am Samstag statt – der Samstagabend ist also zum Feiern da
  • man kann nahezu ausschlafen und muss nicht um 5 Uhr an der Startlinie stehen
  • die große Konkurrenz nimmt sich mal wieder die „richtigen“, also langen Events vor
  • der Spaßfaktor ist wahrscheinlich derselbe. Man sieht auch wunderschöne Trails, kann sich an den VPs vollstopfen und Selfies machen
  • natürlich niedrigere Startgebühren
  • oft umgeht man auch die hässlichen Finisher-Westen und kann stattdessen mit einem sinnvolleren Funktionsshirt nach Hause gehen

Bis bald an irgendeiner Startlinie, wo egal bei welcher Distanz am Anfang immer gesprintet wird. Zu Hause zu bleiben kommt nicht in Frage!

Moritz