Es liegt eine Weltmeisterschaft der Superlative hinter uns mit einer nie da gewesenen Medienpräsenz, Berichterstattung und damit verbundenen Aufmerksamkeit (siehe Artikel). Großes Thema waren über Monate die Nominierungen für das Deutsche Team. Am Ende standen 29 Athletinnen und Athleten im Aufgebot des Team Germany. 28 davon schafften es an die Startlinien der WMTRC – Sarah Kistner musste krankheitsbedingt absagen.
Vertical
Wie erwartet bot bei den Männern Filimon Abraham die beste Leistung und lief mit Rang 9 in die Top 10 der Welt im Vertical. Viele hatten Filimon sogar eine Medaille zugetraut, davon war er mit 2:50 Minuten Rückstand auf den Erstplatzierten dann doch recht weit entfernt. Die Überraschung des Tages lieferte Julius Ott, der auf einen starken 13. Platz lief. Auch Maximilian Zeus performte stark und behauptete sich mit dem 31. Platz im Feld der weltbesten Bergläufer. Etwas abgefallen ist Philipp Stuckhardt, der mit über elfeinhalb Minuten Rückstand auf Platz 1, wie in einigen Podcasts befürchtet, deutlich hinterherlief.
Bei den Damen ging die Rechnung starke Straßenläuferinnen an den Start eines Verticals zu schicken voll auf. In Reihe eins durfte Domenika Mayer starten, die mit Rang sieben eine sehr gute Leistung bot. Über sich hinaus wuchs bei diesem Wettkampf Laura Hottenrott welche die sieben Kilometer und 1000 Höhenmeter in 49:56h bewältigte und überglücklich als viertbeste Bergläuferin der Welt ins Ziel stürmte. Auch Hanna Gröber (22.) und Laura Hampel (39.) boten eine gute Leistung, zeigten, dass sie zu Recht im Nationaltrikot laufen und sicherten die Silbermedaille in der Teamwertung.
Trail Short
Daniela Oemus bewies mit ihrem sechsten Platz, dass der Sieg in Zegama kein Zufall war und dass sie spätestens ab dieser Saison zur Weltspitze der Trailläuferinnen über die Marathondistanz gehört. Ein perfektes Rennen liefen Anja Kobs und Lena Laukner, die sich beständig nach Vorne arbeiteten und auf dem 22. und 29. Platz finishten. Hut ab vor diesen Leistungen! Etwas überschätzt hat sich vermutlich Laura Hottenrott, die beflügelt vom Vertical des Vortages, zu Beginn des Rennens in der Spitzengruppe der Damen lief aber am Ende doch zu wenig Körner im Tank für ein erfolgreiches Finish hatte. Mit etwas mehr Bedacht und kühlen Kopf wäre durch eine Top 20 Platzierung vielleicht sogar eine Teammedaille drin gewesen. Etwas mehr erhofft hätte sich vermutlich Dioni Gorla, die mit über einer Stunde Rückstand auf die Siegerin auf Platz 52. landete. Trotzdem hat sich die Innsbruckerin durchgebissen und ist sicherlich auch zukünftig eine gute Option für das Deutsche Team.
Auch die Männer überzeugten mit ihren Leistungen. Am höchsten gehandelt wurde auf der Trail Short Distanz Benedikt Hoffmann, der mit seinem zehnten Platz und „nur“ 13 Minuten Rückstand auf den Weltmeister bewies, dass er zur erweiterten Weltspitze der Trailrunner gehört und mit Sicherheit auch in der GTWS Series oder beim OCC ein Kandidat für die Top Ten wäre. Marc Dürr bot mit Rang 27 eine sehr solide Leistung in diesem hochkarätig besetzten Feld und auch Thomas Wanninger (40.) und Marcel Höche (44.) zeigten, dass sie ihre Plätze in der Nationalmannschaft verdient hatten. Wanninger bekam für seinen Lauf beispielsweise 831 ITRA Punkte, was keinen absoluten „Sahnetag“ bedeutete aber sein hohes Niveau widerspiegelt.
Trail Long
Von allen Deutschen Startern musste Hannes Namberger mit den meisten Erwartungen in die WMTRC 2023 gehen. Nach der krankheitsbedingten Absage von Jim Walmsley war der Ruhpoldinger der Starter mit den meisten ITRA Punkten über diese Distanz und galt damit als Topfavorit auf den Titel. Hannes erwischte einen schlechten Tag, musste extrem kämpfen und landete am Schluss auf Rang 14. In meiner Achtung ist er durch diesen Auftritt noch weiter gestiegen: Es wäre ein leichtes gewesen auf Rang 39 „verletzungsbedingt“ auszusteigen. Hannes gab nicht auf, ging nach eigenen Worten „durch die Hölle“ und arbeitete sich in der zweiten Hälfte des Rennens viele Plätze nach vorne. Was man mitnehmen und erwähnen sollte: Ein Hannes Namberger auf diesem Leistungsniveau ist auch an einem rabenschwarzen Tag in der Lage in die Top 15 der Welt zu laufen. Chapeau! Eine für ihn sehr starke Performance bei den deutschen Männern brachte Adrian Niski mit Platz 34. Ein Rennen mit dem er nach eigenen Aussagen sehr zufrieden war. Florian Reichert und Alexander Dautel mussten beide aussteigen, weshalb die Männer aus der Teamwertung fielen. Flo zählt seit über einem Jahrzehnt zu den besten deutschen Trailrunnern und hat seine Form beim Ötzi Trail in Naturns bestätigt. Deshalb sehe ich seine (teilweise heftig diskutierte) Nominierung über die Trail Long Distanz als vollkommen nachvollziehbar. Alexander Dautel hatte sich hauptsächlich auf Ultraläufe auf Asphalt vorbereitet und ist ein bärenstarker Landschaftsläufer, was er bei seinem Auftritt bei Ultra Trail Fränkische Schweiz unter Beweis gestellt hat. In seiner Vita fehlen aber ganz eindeutig die alpinen Ultras. Am Ende des Tages muss man vermutlich sagen, dass dieses Brett mit 85 Kilometern und 6500 Höhenmetern für Flo und Alex schlicht zu lang und der Ausstieg die logische Konsequenz einer Überforderung war.
Ganz anders die deutschen Damen: Fünf Starts, fünf erfolgreiche Finishs und eine Silbermedaille im Team. Überragend natürlich der Auftritt von Katharina Hartmuth (zum Interview), die nur knapp am Weltmeistertitel vorbeischrammte und am Ende Silber holte. Auch Rosanna Buchauer bestätigte ihre Top 10 Platzierung in Thailand durch einen fulminanten Auftritt. Bei zwei Drittel des Rennens hinter Katharina Hartmuth noch auf Platz Zwei liegend, behauptete Rosanna am Ende den 5. Gesamtrang – nur 23 Minuten hinter der Weltmeisterin. Ida-Sophie Hegemann war eines der Gesichter dieser WM und hielt bei ihrem Heimrennen dem großen Erwartungsdruck stand. Rang 15 ist für die junge Athletin ein großartiges Ergebnis, zumal noch viele gute Jahre vor ihr liegen, in denen sie sich in der Weltspitze der Ultraläuferinnen etablieren kann. Gewohnt konstant und stark zeigte sich auch Eva Sperger. „Nur“ Vierte in diesem starken deutschen Frauenteam, bot sie eine sehr solide Leistung und lief auf Rang 20 der weltbesten Ultratrailläuferinnen. Ein weitgehend unbeschriebenes Blatt war Marie-Luise Mühlhuber. Sie ging aus zahlreichen Rennen als Siegerin hervor und gilt als Trainingweltmeisterin und Königin der Höhenmeter. Mit internationalen Einsätzen gegen starke Konkurrentinnen hilt sie sich bisher aber weitgehend zurück. Trotz einiger Probleme kämpfte sich Marie-Luise auf den beachtlichen 40. Platz bei den WMTRC. Alle Achtung!
Mountain Classic
Klar hatte man Filimon Abraham im Vorfeld stark eingeschätzt, aber was er beim Mountain Classic bot war schlicht und einfach Weltklasse. In einem fulminanten Rennen lief er nur Sekunden hinter Leonard Chemutai (UGA) und Ombogo Philemon (KEN) auf Rang drei und versägte dabei den Weltmeister im Vertical, Patrick Kipngeno, um eine Minute. Seine starke Leistung aus dem Vertical bestätigte erneut Julius Ott, der auch im Mountain Classic einen extrem starken elften Platz belegte. Max Zeus schaffte es auf Rang 43. Philipp Stuckhardt war wie schon im Vertical relativ abgeschlagen. Mit knapp 13 Minuten Rückstand auf den Sieger landete er auf Rang 86.
Eine Topperformance bei den Damen bot Domenika Mayer. Von vielen Experten im Vertical stärker eingeschätzt, lief sie im Mountain Classic ihr stärkstes Rennen der WM und landete, ebenfalls mit einer Weltklasse Leistung, auf Rang 5. Wie schon im Vertical präsentierte sich Hanna Gröber in Topform und finishte nach hervorragender Leistung in den Top 20. Die härteste Aufgabe hatte vermutlich Nina Voelckel bei dieser WM. Während ihre Teamkameradinnen bereits alle ein Rennen laufen durften, musste sie eine ganze Woche auf ihren ersten Start bei den WMTRC warten. Sie machte ihre Sache gut und lief auf Rang 37. Laura Hampel zeigte eine beherzte Leistung, lief auf diesem hohen Niveau aber dann doch mit etwas Rückstand als 47. ins Ziel.
Wie erwartet präsentierte sich der Deutsche Youngstar, Lukas Ehrle, extrem stark. Mit nur 51 Sekunden Rückstand auf den Weltmeister, lief er in der Kategorie Mountain Classic Junior als Vierter ins Ziel. Von Lukas dürfen wir in Sachen Berg- und Traillauf in den nächsten Jahren sicherlich einiges erwarten. Zu erwähnen noch Arvid Lösel, der seine Sache gut machte und am Ende Rang 48 belegte.
Fazit
Eine WM der Superlative geht zu Ende und das Deutsche Team präsentierte sich meiner Meinung nach großartig. Vier Medaillen sind aller Ehren wert und die konstante Gesamtleistung des Teams ist mehr als erfreulich. Während wir in den letzten Jahren oder gar Jahrzehnten den großen Berg- und Traillaufnationen wie Frankreich, Spanien, Italien, der Schweiz oder den USA weit hinterherliefen, sind wir mittlerweile in allen vier Disziplinen auf Tuchfühlung mit klarer Tendenz nach oben. Danke an das Team Germany für diese grandiose Woche für uns Fans!