Doris Scheck (57) ist Sportwissenschaftlerin, Lehrerin und Unternehmerin. Vor fast 30 Jahren baute sie mit ihrem Ehemann Kurt Ring die Leichtathletik Mannschaft der LG Telis Finanz auf und verzeichnete mit der fast legendären Regensburger Laufgruppe in den blauen Trikots unzählige nationale und internationale Erfolge. Seit einigen Jahren hat sie sich als BLV Jugendtrainerin in den Kopf gesetzt, den Nachwuchs aufzubauen und damit die Basis für eine spätere Leichtathletik Karriere der Kinder und Jugendlichen zu legen. Im Interview erzählt sie uns von Trainingsinhalten, Motivation während Corona und nachhaltigem Training bei Kindern und Jugendlichen.
2020 ist ein „besonderes“ Sportjahr. Wie sehr wart ihr durch Corona eingeschränkt? Wie gelingt/gelang es die Motivation hoch zu halten?
Im Frühjahr haben wir den Sportbetrieb allein durch das Versenden von Trainingsplänen aufrechterhalten, jetzt im Herbst besteht die Möglichkeit für Bundes-/Landes-u. Sonderkader, ganz normal in Kleingruppen zu trainieren. Trotz alledem versuchen wir natürlich auch, die Kontakte so weit wie möglich einzuschränken, weshalb die soziale Komponente des Trainings momentan derzeit leider total entfällt. Glücklicherweise fanden im Herbst noch einige Straßenläufe statt, bei welchen vor allem die „Top-Leute“ ihre Leistungen zeigen konnten.
Im Großen und Ganzen sind wir bei der LG ganz gut durch die schwere Saison gekommen. Leider mussten wir aber auch coronabedingt mit einigen Karrierenden leben.
Für den Nachwuchs war das Jahr 2020 ein sehr schwieriges Jahr, zumal es nur sehr wenige Wettkämpfe gab. Auch hier haben wir versucht, die Kinder und Jugendlichen mit Trainingsplänen so gut es ging zu versorgen und über bestimmte Aufgabenstellungen zu motivieren. Gerade unsere Nachwuchsgruppe (11-14 jährige) ist eine sehr disziplinierte Gruppe und allgemein lauforientiert, was den Vorteil hat, dass Inhalte einfacher alleine abtrainiert werden können sind als dies bei technischen Disziplinen der Fall ist. Während der Coronazeiten habe ich meist Zweiergruppen zusammengestellt, die sich zum Training zu einer bestimmten Zeit getroffen haben. Dies hat bisher sehr gut funktioniert und die Schüler/-innen warten schon immer sehnsüchtig auf ihre nächste Trainingseinheit.
Kannst du uns die Rahmenbedingungen bei der LG Telis Finanz kurz skizzieren? Ab welchem Alter geht es bei euch los? Wie viele Kinder und Jugendliche trainieren bei euch? Wie sind die Gruppen unterteilt?
Die LG Telis Finanz Regensburg ist ein Zusammenschluss mehrerer Vereine und wurde 1970 gegründet, um die Athleten einerseits bei ihren Heimatvereinen zu belassen, andererseits ihnen die Möglichkeit von Mannschaftsbildungen bei Teamwettkämpfen zu ermöglichen.
In den letzten Jahren wurde vermehrt Fokus auf das Laufteam der LG Telis Finanz gelegt, seit 2019 haben wir eine starke Langsprintgruppe und seit 2020 eine sehr gute Frauen-Mehrkampfgruppe integriert.
Unser Laufteam umfasst derzeit ca. 35 Athleten/Athletinnen im Jugend- u. Erwachsenenbereich, welche vorrangig von meinem Mann Kurt Ring und mir betreut werden. Athletik-u. Krafttraining für die Tops haben wir in Physiotherapiepraxen ausgegliedert. Die Leistungssportgruppe um Simon Boch und Miriam Dattke traininert bis zu 12 Trainingseinheiten/Woche, die Jugendlichen trainieren normalerweise bis zu sechs Einheiten/Woche. Die Haupttrainingstage sind Montag/Mittwoch/Freitag und Samstag bzw. Sonntag, die restlichen Tage werden von den Athleten/-innen selbst abgedeckt. Aufgrund der Fokussierung auf internationale Meisterschaften im U20 bis Männer/-Frauenbereich blieb in den letzten Jahren keine Zeit, um eigenständig Nachwuchs zu entwickeln.
Seit Herbst 2019 wird mir allerdings nun vom BLV die Möglichkeit gegeben, Nachwuchs in den Schulen zu sichten und eine Nachwuchsgruppe langfristig aufzubauen. Diese Nachwuchsgruppe umfasst derzeit ca. 15 Athleten-/innen im Alter von 11-14 Jahren (3 x wöchentliches Training).
In den diversen Mitgliedsvereinen der LG Telis Finanz Regensburg wird selbstverständlich auch Nachwuchsarbeit betrieben (Kinder-, Schüler-u. Jugendgruppen). Von der LG wird für talentierte Schüler/-innen und Jugendlichen der diversen Heimatvereine ein wöchentliches Stützpunkttraining in den verschiedenen Disziplingruppen angeboten.
Aus Bad Kötzting kenne ich, dass im Kinder- und Jugendalter die Mädchen klar überwiegen. Ist das bei euch auch so? Ist Leichtathletik ein „Mädels-Ding“?
Ja, das ist auch bei uns so. Jungs suchen oft ihre Bestimmung im Fußball, wobei im DFB sehr viele Aktionen im Nachwuchsbereich angeboten werden. Mädchen sind im Schüler-u. Jugendalter oft zielstrebiger und ehrgeiziger, zudem konzentrierter und lernfähiger. Da Leichtathletik eine sehr vielseitige Sportart ist, die im Schüler-u. frühen Jugendalter noch kein tägliches Training unbedingt erforderlich macht, finden sich Mädchen gerade auch wegen des sozialen Gedankens gerne in der Leichtathletik wieder.
- Die Leistungsgruppe der „Tops“ trainiert bis zu 12 Einheiten/Woche.
- Jugendliche Leistungssportler trainieren 4-6 x/Woche.
- Schüler/innen kommen 1-3x/Woche (je nachdem, ob sie noch eine weitere Sportart ausüben).
Kannst du uns eine typische Trainingseinheit für Kinder skizzieren?
Trainingseinheit lauforientiert für Schüler/-innen 12-/13 jährig im Herbst im Freien:
- 1-2 km einlaufen
- Schwunggymnastik, Beweglichkeit, Koordination, z.T. mit Hürden
- Im Park: (4 x ) 5 x kurze Antritte über 5-10 m alle ca. 200m, dazwischen 200m locker traben. Serienpause 5 min. lockeres Traben.
- 1-2 km auslaufen
Leichtathletik bedeutet neben Laufen auch Werfen und Springen. Wieso ist diese breite Grundausbildung deiner Meinung nach wichtig?
Grundsätzlich ist es wichtig, im Kindesalter möglichst viele unterschiedliche Reize zu setzen und diese zu trainieren. Ich denke, dass eine gute Bewegungsvielfalt grundsätzlich im Leben viele Vorteile und letztendlich auch mehr Möglichkeiten in der Auswahl einer späteren Spezialisierung mit sich bringt. Allerdings bin ich nicht der Meinung, Kinder mit z.B. Wurftraining zu „belasten“, wenn sie es einfach nicht gerne machen. Ein entscheidender Faktor ist neben der pyhsischen Entwicklung die Begeisterung, denn nur mit Motivation, Freude und letztendlich Erfolg und Bestätigung werden wir die Kinder bei der Stange halten können.
In anderen Ländern spezialisieren sich die Kinder deutlich früher. Hältst du das für richtig?
Hier muss man wohl zwischen den verschiedenen Sportarten differenzieren.
Ich denke, dass es für die Leichtathletik richtig ist, Kinder zunächst vielseitig auszubilden und ich finde es gut, wenn die Kinder bis zu einem Alter von ca. 13 Jahren auch noch anderen Sportarten betreiben. Natürlich besteht immer die Gefahr, Kinder an andere Sportarten zu verlieren, aber letztendlich sollte man den Kindern die Entscheidung für die Wahl einer Sportart selbst überlassen. Nur durch Eigenmotivation wird es uns gelingen, sie bis zum Erwachsenenalter durchzubringen. Wichtig ist, dass man sie in jeder Phase ihres Lebens motivieren und begeistern kann.
Man hört im Leichtathletikbereich, aber im Wintersport oder Triathlon oft davon, dass Jugendliche regelrecht „verheizt“ werden. Was versteht man darunter und wieso ist es wichtig Sportler in diesem Alter nachhaltig und behutsam aufzubauen?
Leistungssport setzt eine langfristige und kontinuierliche Entwicklung voraus. D.h. es sollte im Kindes-u. Jugendalter altersgerecht trainiert und nicht jede körperliche Entwicklung zu 100% ausgenutzt werden. Die Gefahr ist, dass Trainer bei Jugendlichen desöfteren den schnellen Erfolg suchen, was in diesem Alter bei einem entsprechenden Talent jederzeit möglich ist. Der schnelle Erfolg macht „süchtig“ und so wendet man vielleicht schon Trainingsmittel (leider sehr oft anaerob) an, die eigentlich erst für spätere Entwicklungsabschnitte vorgesehen sind. Allerdings vergisst man dadurch auch, den notwendigen Grundstock für eine stete Weiterentwicklung zu legen und so kommt es im Übergang zum Erwachsenenalter zu Stagnationen, welche oft ein „Aufhören“ zur Folge haben. Für mich spielt die grundlegende Konditionierung in allen Bereichen eine entscheidende Rolle, d.h. die Entwicklung von Kraft/Schnelligkeit/Ausdauer/Beweglichkeit als komplexe Einheit. Allein die Entwicklung des Herz-Kreislauf-Systems dauert Jahre und muss behutsam und kontinuierlich trainiert werden. Grundlagenausdauer kann nicht in 2-3 Jahren entwickelt werden.
Könntest du für uns bitte folgenden Satz vervollständigen? Kinder sollten mit Leichtathletik beginnen, weil
….die Sportart sehr vielseitig ist und viele Talentbereiche abdecken kann.
…weil sie einerseits eine Individualsportart ist und man seine Begeisterung und Entwicklung dadurch selbst beeinflussen kann, andererseits aber durch Mannschaftswettbewerbe auch der Teamgedanke eine entscheidende Rolle spielt.
…da man im Kindes-u. Jugendalter in der Leichtathletik im Gegensatz zu anderen Sportarten wie Turnen und Schwimmen mit überschaubarem Trainingseinsatz sehr gute Ergebnisse erzielen kann und deshalb auch noch für andere Hobbys neben dem Sport Zeit hat
… da Leichtathletik zum Großteil im Freien stattfindet und viele Inhalte auch ortsunabhängig trainiert werden können
… eine Sportart mit relativem niedrigem finanziellen Aufwand ist
… man in der Vielfalt der Disziplinen sicherlich Gefallen finden kann
DANKE!