Mit gemischten Gefühlen fuhr ich mitten in der Nacht von meinem Heimatort nach Breitenberg um den Staffelstab von Thomas zu übernehmen. Die dunklen Wolken am Nachthimmel spiegelten dabei meine Situation sehr gut wieder. Trotz veränderter Trainingsstrukturen mit deutlich vermindertem Laufumfang erhielt ich drei Wochen zuvor von meinem Orthopäden die erschütternde Diagnose eines erneuten Ermüdungsbruches im linken Wadenbein. Die sofortige Laufunterbrechung zeigte Wirkung, so dass ich zumindest schmerzfrei an den Start gehen konnte.
Kurz nach meiner Ankunft am vereinbarten Treffpunkt in Breitenberg trafen auch Marco und Steffi, sowie Karina und Sabine ein. Nach kurzer Wartezeit entdeckten wir am langgezogenen Anstieg zwei leuchtende Punkte die sich sehr schnell auf uns zubewegten. Wir zweifelten etwas, da wir es nicht für möglich gehalten hatten, dass Thomas und Martin bei diesen widrigen Witterungsbedingungen so schnell sein konnten. Schließlich mussten sich beide neben dem anspruchsvollen Gelände durch mehrere Phasen von starken Regenschauern kämpfen. Kurze Zeit später hatten wir die Gewissheit. Die beiden hatten einen wahren Höllenritt vollbracht und knapp eine Stunde Vorsprung herausgelaufen. Nach kurzer, herzlicher Begrüßung unterstützen uns die Mädels bei der Staffelübergabe.
Mit Übernahme der Uhr für die Gesamtdaten und des Trackers ging es für mich nun auf die abenteuerliche Nachtetappe. Vermutlich hatte ich mit dem Laufen in absoluter Dunkelheit die wenigsten Probleme, da ich im Winterhalbjahr mein komplettes Training in der Finsternis durchziehe. Als problematisch erwiesen sich jedoch die natürlichen Hindernisse in Form von Wurfholz, das nach dem großen Schadenereignis Anfang des Jahres noch nicht ganz aufgearbeitet war. Durch die teilweise kreuz und quer liegenden Baumstämme war die Orientierung sehr erschwert, so dass ich über den auf meiner Uhr abgespeicherten Track sehr froh war. Insgesamt vier Mal musste meine Uhr mit einem mahnenden Hinweis auf das Verlassen der Originalroute hinweisen. Ohne diese Unterstützung wäre ich vermutlich nie am Zielort angekommen, so dass ich mir zukünftig angewöhnen werde, weitere Tracks abzuspeichern und zu verwenden. Die ersten Kilometer verliefen mit Ausnahme der leichten Orientierungsschwierigkeiten unspektakulär. Natürlich hat man unbewusst immer mindestens ein Ohr am verletzten Bein und schreckt innerlich bei einem leichten Stechen oder Ziehen auf. Bereits ab Kilometer 5 meinte ich immer wieder einmal leichte Empfindungen zu spüren. Das kann der besonderen Aufmerksam geschuldet sein, oder aber der latenten Gefahr einer Verschlimmerung des aktuellen Zustands. Dann bei km 10 der Schock – meine Stirnlampe begann zu flackern. Ausgerechnet der meiner Meinung nach zuverlässigste Ausrüstungsgegenstand. Ich konnte mir es echt nicht erklären. Die letzten nächtlichen Trainingseinheiten im März verliefen noch problemlos und für diesen Lauf hatte ich die Lampe am Samstag komplett aufgeladen. Kurze Zeit darauf stand ich im sprichwörtlichen Dunkeln. Zum Glück hat meine Lampe eine Notfallfunktion, so dass ich in sehr diffusem Licht einigermaßen vernünftig weiterlaufen konnte. Nun zeigte sich die Stärke unseres Teams, da wir uns niemals gegenseitig im Regen stehen lassen. Im Laufschritt verschickte ich an unsere Gruppe die Nachricht: „Kleines Problem, meine Lampe läuft nur noch auf Notbetrieb. Keine Ahnung wie lange die noch funktioniert.“ Zusätzlich gab ich noch eine ungefähre Ortsangabe durch. Sofort schrieben sich ein paar Teammitglieder von uns zusammen und am Ende machten sich Bine und Martin auf den Weg, mir eine Ersatzlampe zu bringen. Ich bekam von diesen Bemühungen nicht viel mit und freute mich aus diesem Grund umso mehr, als ich die beiden am Oberfrauenwald traf. Es war mittlerweile 03:40 Uhr, so dass die beginnende Dämmerung noch etwas auf sich warten ließ und ich nur dank der schnellen Hilfe meinen Weg fortsetzen konnte. Die vielen Lichter von Hauzenberg waren schon erkennbar und dennoch trennten mich noch 7 km vom Zielpunkt. Im gesunden Zustand würde ich an ein Scheitern keinen einzigen Gedanken verschwenden, aber in dieser Nacht war alles anders. Der nun folgende steile Downhill sorgte zusätzlich dafür, meine eh schon sehr nachdenkliche Stimmungslage zu verstärken. Ich nahm sehr viel Tempo aus meinen Lauf und bewältigte dieses Steilstück mehr wandernd als laufend. Das Ziel kam nun immer näher und mit einsetzender Dämmerung erhellte sich auch meine Grundstimmung. Der etwas abenteuerliche Weg durch Hauzenberg führte mich schließlich in Richtung des Bürgerparks. Bereits an der Kreuzung wartete mein Freund Konrad auf mich und begleitete mich auf den letzten Metern. Am Pinocchioturm angekommen, übergab ich die Uhr und den Tracker, wünschte Konrad viel Spaß und gutes Durchkommen und schnellen Schrittes machte sich Konrad um 04:22 Uhr auf den Weg.
Die Etappe von Breitenberg nach Hauzenberg ist zahlentechnisch die kürzeste Distanz. Für mich spielte das keine Rolle, da die Freude über den Lauf nach drei Wochen Abstinenz überwog und ich einfach nur froh war, meinen Teil für das xc-run Team beigetragen zu haben.