Wir wissen es inzwischen alle – auch der Zugspitz Ultra Trail wurde 2021 abgesagt. Christian Mayer berichtet vom jähen Ende eines Traumes:
„Stolpern, hinfallen, aufstehen, abputzen und wieder weiter. So könnte man die Wochen dreizehn bis sechszehn meines Trainings in wenigen Worten beschreiben. Und dabei war die Freude groß nach einem Vierteljahr Grundlagentraining in die spezifische Vorbereitung einzusteigen.“
Schwierigkeiten kündigen sich an
Bereits in Woche 13 nahm dieser rabenschwarze Trainingsblock seinen Lauf. Während ich die gemütliche Laufrunde in Zone 1 am Montag noch ziemlich unspektakulär durchzog, verlief die Bergintervalleinheit am Dienstag alles andere als optimal. Der Aufwärmphase sollten drei achtminütige Intervalle in Zone 3 folgen. Nach dieser Belastungsphase sollte die fünfminutige Pause dem Downhill dienen, um den Berg bei der anschließenden Belastung wieder in Angriff nehmen zu können. Voller Elan ging ich in den ersten Anstieg und ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich mich im geplanten HF- Korridor befand. An einem sehr steilen Abschnitt signalisierte mir meine Uhr, dass die erste Belastungsphase beendet sei. Treu ergeben machte ich auf der Stelle kehrt und ging voller Elan in den raschen Downhill über. Ein folgenschwerer Fehler wie sich sehr bald herausstellte. Keine 50m später verkrampften beide Oberschenkel sehr schmerzhaft, so dass ich mich zunächst einmal setzen musste. Ich schimpfte und fluchte wie ein Kesselflicker über meine Blauäugigkeit – dieser schnelle Richtungswechsel unter Volllast war von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Nach ungefähr einer Viertelstunde waren die Schmerzen annähernd so erträglich, um ein äußerst langsames Joggen bis zu meiner Haustür zu ermöglichen. Trotz aller Bemühungen lief ich wie auf rohen Eiern nach Hause und gab vermutlich ein sehr bemitleidenswertes Gesicht ab.
Dementsprechend war an ein Training am Mittwoch überhaupt nicht zu denken, so dass ich kurzerhand einen Regenerationstag einschob. Donnerstag war die Muskulatur wenigstens schon wieder soweit hergestellt um einen lockeren Zone 1 Lauf durchzuziehen. Die etwas unrunde Laufdynamik sollte sich in den nächsten Tagen rächen. Am Freitag standen zunächst 70min Zone 1 gefolgt von 20min Fahrtspiel in Zone 2 und 3 auf dem Plan. Immer noch leicht lädiert nahm ich die Herausforderung an und erfüllte das Training wie auf dem Papier gefordert. In Vorbereitung auf den ZUT sollte ich am Sonntag den wöchentlichen Laufumfang von 100 km zum ersten Mal erfüllen. Aufgrund des Ausfalls einer Laufeinheit am Mittwoch war dieses Ziel nicht mehr in greifbarer Nähe. Da aber auch die schmerzender Tibialis Posterior Sehne nicht mehr zu verleugnen war, endete meine Trainingswoche 13 mit einer 75 km langen Radeinheit auf dem Smarttrainer.
Das Verhängnis nimmt seinen Lauf
Nach drei Tagen, an denen ich zum radeln verdammt war, konnte ich am Dienstag wieder in den Trainingsplan einsteigen. Die Bergintervalle mit 4min Belastung und 3 min Pause waren hart und schmutzig, aber genau nach meinem Geschmack. Und nachdem ich diese Einheit relativ schmerzfrei durchziehen konnte, ging es mir mental hervorragend. Den Abend verbrachte ich damit, meine nun wieder motzende Sehne mit Arnika zu pflegen.
Aller Vernunft zum Trotz absolvierte ich einen Tag später den geplanten Zone 1 Lauf. Das Wetter zeigte sich dabei von seiner unversöhnlichen Seite, als wollte es mir mit Schnee- und Graupelschauern sagen, dass ich mir mit diesen 18 Kilometern keinen Gefallen tue. Am Donnerstag war an Laufen nicht zu denken. Zu stark waren die Beschwerden mit der entzündeten Sehne. Also musste wieder einmal mein Smarttrainer für eine lockere Radeinheit herhalten. Zunächst verlief alles nach Plan. Nach knapp einer halben Stunde stieg ein eigenartiger Brandgeruch in meine Nase. Der Blick auf die Kenndaten bei Zwift verhieß nichts Gutes. Innerhalb kürzester Zeit fiel die Wattangabe und trotz höherer Trittfrequenz konnte ich die Leistung nicht halten. Die Elektronik meines Smarttrainers war in Rauch aufgegangen.
Nun war guter Rat teuer. An Laufen war wegen entzündeter Sehne nicht zu denken, für das Outdoor-Radtraining war, meiner Ansicht nach, das Wetter einfach noch zu schlecht und Indoor musste wegen reparaturbedürftiger Technik pausieren. Meinen persönlichen Gemütszustand kann sich vermutlich jeder ambitionierte Freizeitsportler vorstellen. Zum Glück besserte sich zum Wochenende hin das Wetter, so dass ich am Sonntag zumindest noch eine homöopathische Radrunde drehen konnte.
Kann es noch schlimmer kommen?
„Schlimmer geht’s immer“ lautete das Motto der Woche und so gibt es von dieser Trainingswoche nicht viel zu berichten. Mit einer Gesamttrainingszeit von knapp über 3h entsprach diese Woche zu keinem Zeitpunkt meinen eigenen Ansprüchen. Aufgrund meiner anhaltenden Sehnenprobleme wollte ich zumindest die drei Schwerpunkttrainingseinheiten durchziehen (2x Intervalle, 1x lange Einheit). Hier war allerdings der Wunsch Vater des Gedankens, so dass es bei der Intervalleinheit am Dienstag blieb. Da ich meinen Körper sehr gut kenne und somit ganz genau weiß, woher meine Probleme stammen (klassischer Knick-Senk-Spreizfuß), setzte ich alle Hebel in Bewegung um dieser verfahrenen Situation schnellstmöglich zu entkommen. Ein kurzer Anruf bei meinem Physio brachte mir mehr persönliche Therapiezeit ein. Außerdem erinnerte ich mich an einen befreundeten Trailrunner aus Schwandorf, der ein Sanitätshaus mit Orthopädietechnik einer speziellen Sparte für Läufer betreibt. Ein kurzer Anruf und ich hatte einen Termin für eine Laufbandanalyse meiner Füße. Die Wartezeit darauf verkürzte ich mit Selbststudium zum Thema Tapping der Tibialis Posterior Sehne. Dieses Thema brachte mir zumindest eine mittelmäßige Linderung meiner Beschwerden, so dass ich am Sonntag zumindest eine kleine Wandertour mit der Familie durchziehen konnte. Nun waren es nur noch knapp acht Wochen bis zum Zugspitz Ultratrail und auch wenn sehr viele Faktoren gegen eine Teilnahme dieser Veranstaltung sprachen, wollte und konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht aufgeben. Mit jeder verlorenen Woche wird es immer schwieriger die 100km- Distanz erfolgreich zu bewältigen.
Licht am Ende des Tunnels
Neue Woche, neues Glück – bereits frühmorgens machte ich mich auf den Weg nach Schwandorf zur Laufwerkstatt des Sanitätshauses Betzlbacher. Die Fachberaterin nahm meine Füße genauestens unter die Lupe und nach mehreren Videoaufnahmen auf dem Laufband führte sie mir aufgrund verschiedener Fakten und Messpunkte die Problematik vor Augen. Durch die stärker als von mir erwartete Fußfehlstellung knickt mein Fuß zu stark nach Innen ein und belastet die Sehne unnötig. Als Läuferin konnte sie meinen Wunsch nach einer Teilnahme nachvollziehen und machte mir bei schneller Einlagenversorgung vorsichtig Hoffnung auf baldige Besserung. Die Rückfahrt nutze ich für einen Zwischenstopp mit kurzer Laufrunde.
Sämtliche Vorurteile früherer Jahre gegenüber verschiedener Tapingmethoden konnte ich guten Gewissens revidieren. So verhalf mir diese stützende Klebetechnik zu annähernd schmerzfreien Laufeinheiten in der Woche 16. Endlich zeigte sich auch der Frühling von seiner besten Seite, so dass ich von nun an auch endlich in die Radsaison starten konnte. Es begann wieder Spaß zu machen, wäre da nicht..
Ein jähes Ende aller Träume
Es ist gegen 12:00 Uhr als ich mit einer frischen Tasse Kaffee meine Mittagspause nutze, um mich auf aktuellen Stand zu bringen. Als erstes rufe ich meine persönlichen E- Mails ab. Doch was war das gerade …. eine Mail von Plan B …. schweren Herzens müssen wir den ZUT 2021 absagen … Wir sehen uns 2022. Gleich mehrmals muss ich diese Mail lesen um es endlich zu verstehen. In diesem Moment bricht eine kleine Welt für mich zusammen. Natürlich war diese Entwicklung vorhersehbar, aber so richtig wahrhaben wollte dies vermutlich niemand. Mir ist schon klar, dies ist Jammern auf sehr hohem Niveau, aber trotzdem hätte ich mir, wie so viele, diesen Sommer anders vorgestellt.
Ob ich sauer bin … auf was? Auf dieses kleine fiese Virus das seit über einem Jahr unser komplettes Leben auf den Kopf stellt? Nein, dieses kleine Ding ist einfach eine Laune der Natur und stellt uns auf eine harte Probe. Aber auch diese Prüfung wird irgendwie vorbeigehen und wenn ich es schaffe, meine kleinen Wehwehchen in den Griff zu kriegen, dann werde ich 2022 an der Startlinie in Grainau stehen.
Aber wie geht es nun weiter? Diese Frage hat mir Markus auch gestellt. Ich denke, dass ich nun ein paar Tage brauche, um mir selbst darüber klar zu werden, was ich überhaupt will. Trotz der neuerlichen Rückschläge haben mir doch die letzten Wochen und Monate gezeigt, dass das Trailfeuer immer noch in mir brennt und es mir immer noch wahnsinnig viel Spaß bereitet, im Training alles zu geben. Nun steht erst einmal die vollständige Ausheilung der Entzündung im Vordergrund, um im Anschluss das vorhandene Eventangebot genauer zu durchleuchten. Mein großes Ziel 2021 konnte ich nicht erfüllen, aber gehört scheitern nicht irgendwie zum Lernprozess? Ich werde aber alles daran setzen, gestärkt aus dieser Zeit hervorzugehen und im nächsten Jahr meinen Traum zu erfüllen!