Low Carb und Superkompensation: Ein Selbstversuch

Kaiserschmarrn ist für die Tage des Carbo Loading nicht die schlechteste Strategie. © Marco Felgenhauer / woidlife photography

In Anlehnung an unsere Beitragsreihe „Ernährungsstrategie für den Ultratrail“ und auf Basis eines Seminars von Anja Schneider (http://www.sporternaehrungsberatung.de/) wagte unser Team Athlet Christian Mayer den Selbstversuch vor dem Innsbruck Alpine Trailrunn Festival (65k): Low Carb Ernährung mit anschließender Superkompensation (Carbo Loading).

Low Carb und Superkompensation: Ein Selbstversuch von Christian Mayer

Da ich seit ein paar Jahren mein Hobby „Laufen“ sehr ambitioniert betreibe, bin ich immer auf der Suche nach Möglichkeiten meine Zeiten zu verbessern. Um auch noch die letzte Sekunde bei Wettkämpfen herauszuholen, schrecke ich dabei mit einer großen Portion Neugierde auch nicht vor Selbstversuchen zurück. Mit „try and error“ könnte man mein Trainingsmotto kurz umschreiben.

Genau aus diesen Grund besuchte ich bereits im Januar einen abendfüllenden Vortrag mit dem Thema „Ernährung im Ausdauersport“ der von Anja Schneider, Ernährungsberaterin und Markus Mingo, amtierender Deutscher Meister im Trailrunning gemeinsam durchgeführt wurde.  Neben vielen interessanten Teilaspekten wurde auch die Thematik „Low Carb“ und „Superkompensation“ in der Vorbereitung auf Wettkämpfe angesprochen.

Demnach soll der Körper im Anschluss an eine Low Carb Ernährungsphase dazu gebracht werden, mit Hilfe einer erhöhten Kohlenhydrataufnahme mehr Energie zu speichern, als dies im Regelfall einem durchschnittlich trainierten Menschen möglich ist. Ein möglichst großer und gut gefüllter Kohlehydratspeicher soll auch über lange Ultradistanzen dabei helfen, Ob dies möglich ist und tatsächlich funktioniert, wollte ich in Vorbereitung auf das Innsbruck Alpine Trailfestival 2018 austesten.

Um für meinen Test nachvollziehbare Ergebnisse vorweisen zu können, wurden sämtliche Mahlzeiten Gramm genau gemessen, auf die Messung von Getränken wurde verzichtet, da ich während der Low Carb Phase nur Kaffee, Tee, Wasser und hin und wieder ein Cola Light konsumierte. Während der Carboloadingphase wurden natürlich kalorienhaltige Getränke aufgenommen.

Während der Low Carb Phase war es das Ziel, die verbrauchten Lebensmittel in folgender Aufteilung zu mir zu nehmen:

  • 50 % Fett
  • 30 % Protein
  • 20 % Kohlenhydrate

Als Gesamtenergiemenge wurde mein Grundumsatz zusammen mit verbrauchten Kalorien während der Sporteinheiten und ein gewisser Puffer angesetzt, um auf keinen Fall den Körper in eine Energieschuld zu bringen um zu verhindern das vorhandene Muskelmasse abgebaut wird.

Während der abschließenden 2- tägigen Superkompensation versuchte ich am ersten Tag zwischen 6g. und 7g. Kohlenhydraten / kg Körpergewicht zu mir zu nehmen und am zweiten Tag das Ganze auf 8g. bis zu 10g. Kohlenhydraten zu erhöhen. Das würde am ersten Tag eine Menge von 390g. bis 455g. und am zweiten Tag zwischen 520g. bis zu 650g. Kohlenhydrate bedeuten.

Auf die bewusste Einnahme von industriell hergestellten Zucker habe ich komplett verzichtet. Auf in bestimmten Lebensmitteln vorhandenen Zucker habe ich allerdings keinen Einfluss.

Samstag, 21.04.2018:

Los sollte es eine Woche vor dem IATF gehen. Um meinem Körper gleich zu Beginn zu zeigen, wohin es nun geht, begann mein Tag mit einem zwei stündigen Nüchternlauf ab 06:00 Uhr. Vorneweg gab es nur eine Tasse Kaffee und meine tägliche Magnesiumbrause. Mit diesen zwei Stunden Lauf hatte ich keinerlei Probleme, da mein Speicher noch vom Vortag gut gefüllt war.

Nun hatte ich aber Hunger und das Frühstück wartete. Low Carb bedeutet nicht, dass man Hunger leiden muss. Nur die Zusammensetzung der Lebensmittel ist eben anders. Und so gab es zwei kleine Scheiben Vollkornbrot mit Butter und Käse, etwas Gemüse, ein Frühstücksei und Kaffee. Nur der Verzicht auf die Marmeladensemmel schmerzte anfangs etwas.

Entgegen verschiedener Ernährungsrichtlinien findet meine Hauptmahlzeit meistens abends statt. Aus diesem Grund gab es für mich mittags nur ein Müsli, bestehend aus Soja-Flocken, Haselnüssen, fertig angebotenes Proteinmüsli und fettarmer Milch.

Für den kleinen Hunger zwischendurch genehmigte ich mir einen Naturjoghurt mit eingefrorenen Heidelbeeren.

Da meine Frau weder ambitionierte Läuferin ist, noch über irgendwelche Figurprobleme klagen muss, ernährt sie sich zwar bewusst, aber ohne Hinblick auf Zusammensetzung oder Kalorienanzahl. Da sie aber selbst neugierig ist, schloss sie sich in dieser Woche zumindest bei den Hauptmahlzeiten an. Und so gab es für uns abends gebratene Putenbrust, mit sehr wenig Kartoffeln und viel Salat. Das Salatdressing war Chefsache und so verwendete ich als Hauptbestandteil Apfel-Balsamico und um auf Zucker verzichten zu können, benutzte ich eine kleine Menge Erythrit.

Bei der anschließenden Nährwertbilanz des Tages jedoch, traute ich meinen Augen nicht. Dieser erste Low-Carb Tag ging nun aber mal so richtig daneben. Meine tatsächliche Zusammensetzung lautete: 22% Fett, 33% Kohlenhydrate, 45% Protein und das bei 3.000 Kalorien. Daran konnte auch der erhöhte Verzehr von fettigen Erdnüssen nichts mehr ändern.

Getreu meines Mottos „Try and error“ ging es nun auf die Fehlersuche, bei der ich hinterher sagte: na klar, ist ja logisch!

 

  • Apfel-Balsamico hat einen sehr hohen Kohlenhydratanteil, wird nun durch normalen Branntweinessig ersetzt.
  • Die geringe Anzahl an Kartoffeln sind locker im Gesamtansatz für Kohlenhydraten drin, auch das Vollkornbrot ist kein Problem, wenn aber diese „Problemlosen“ Lebensmittel innerhalb eines Tages kombiniert werden, dann überzieht man den Ansatz sehr deutlich.
  • Salat ist wichtig und gesund! Allerdings sollte man auch bei Salat darauf achten, dass der Hauptbestandteil nach Möglichkeit tatsächlich aus grünem Salat (Kopfsalat, Pflücksalat etc.) besteht, da auch die Kohlenhydraten aus Paprika, Tomaten, Mais, Karotten etc. sich insgesamt hochsummieren.
  • Die Verwendung von fettarmer Milch bei einer Low Carb Ernährung die auf eine erhöhte Einnahme von Fetten ausgerichtet ist, ist nicht zielführend!
  • Auch Naturjoghurt ist dieser Ernährungsart nicht förderlich, da der Kohlenhydratanteil beim Naturjoghurt genauso hoch ist wie der Fettanteil. Eine Verwendung von Quark ist in diesem Fall wesentlich besser.
  • Auch das vorproduzierte Proteinmüsli hat je nach Hersteller noch einen sehr hohen Kohlenhydratanteil und sollte nur in geringem Maß Verwendung finden.

 

Sonntag, 22.04.2018:

Am Tag zwei meines Experiments sollte alles besser werden. Da ich heute noch einen 28 km langen Trail mit ca. 1.000 HM vor mir hatte, begann der Tag um halb sechs mit einem reichhaltigen Frühstück: 3 Rühreier verfeinert mit Schinken und Sahne, Gurke, Käse, Butter und meine zwei Scheiben Vollkornbrot. Anschließend ging es auf die Laufrunde. Um meinen Carb- Speicher nun endgültig zu leeren wurden die geraden Strecken im GA1- Bereich und die Anstiege im anaeroben Bereich gelaufen.

Da ich anschließend mit der Familie einen Ausflug in den Nationalpark machte, war ich mittags nun auf die örtliche Gastronomie angewiesen. Die Servicekraft im Haus der Wildnis war sehr nett und zuvorkommend und so wurde auch mein Wunsch bei einem bestellten Steak auf die Kartoffeln zu verzichten und dafür mehr Salat zu erhalten ohne Aufhebens erfüllt.

Abends gab es nochmals einen großen Salat mit Käse und diesmal mit Branntweinessig. Als Nachspeise hinterher gab es Erdnüsse und ein kleines Stück Zartbitterschokolade (70% Kakaoanteil).

Meine Bilanz war an diesem Tag bereits wesentlich besser: 35% Fett, 24% Kohlenhydrate,  41% Protein bei insgesamt 3.500 Kalorien.

Montag, 23.04.2018:

Der Montag begann mit einem Frühstück aus zwei Vollkornscheiben, Butter, geräuchertem Lachs und Gurkenscheiben. Als Snack für zwischendurch gab es Frischkäse mit Gurkenspalten und mittags Quark mit Erdbeeren und gehackten Erdnüssen. Abends genehmigte ich mir gemeinsam mit meiner Frau einen Blumenkohl-Brokkoli-Hackfleisch-Auflauf. Da ich an diesem Tag meinen trainingstechnischen Ruhetag einlegte und auch ansonsten durch den normalen Büroalltag keinerlei körperlichen Belastungen hatte, reichte diese Nahrungsaufnahme komplett aus. Als kleine Belohnung gab es wieder gesalzene Erdnüsse und Zartbitterschokolade. Dieser Low Carb Tag war einer der erfolgreichsten für mich: 46% Fett, 19% Kohlenhydrate, 35% Protein bei 2.500 Kalorien.

Dienstag, 24.04.2018:

Obwohl ich mittlerweile mit dieser Ernährungsart richtig gut zurecht kam, merkte ich wie mein Wohlfühlpegel zusehends sank. Dadurch sieht man wie sehr der Körper an die Einnahme von Zucker gewöhnt ist. Da die Energiebilanz am Tag zuvor so gut ausgefallen war, hielt ich mich auch am Dienstag in groben Zügen an diesen Plan. Da ich zusätzlich eine kleine GA1 Einheit durchführte, wurde der erhöhte Kalorienverbrauch mit Hilfe von Erdnüssen und einer zusätzlichen Quarkmischung ausgeglichen. Abends gab es Lachs mit Blumenkohl-Brokkoli-Sahnesauce.

Die Bilanz des Tages: 42% Fett, 20% Kohlenhydrate, 38% Protein bei 2.500 Kalorien.

Mittwoch, 25.04.2018:

Letzter Low-Carb-Tag!!! Da nun ein Ende in Sicht war, nahm ich nochmal allen Ehrgeiz zusammen und zog die letzten Stunden mit Vorfreude auf den nächsten Tag durch. Bis Mittag lief alles nach Schema F. Nun aber überkam mich ein starkes Hungergefühl. Die rettende Idee kam beim Einkaufen. Kaminwurzen, diese bestehen hauptsächlich aus Fett und Protein und gemeinsam mit Frischkäse und Gurkensticks wurde mein Hunger gestillt. Abends belohnte ich mich mit einem Salat und einer großen Portion Lachs. Um mein persönliches Wohlbefinden noch etwas zu drehte ich an diesem Tag noch eine kleine Grundlagenausdauerrunde. Auch meine tagesgenaue Bilanz passte wieder einigermaßen: 40% Fett, 23% Kohlenhydrate, 37% Protein bei 2.500 Kalorien.

Donnerstag, 26.04.2018:

Endlich wieder Kohlenhydrate! Der Tag begann mit einer eigenen Porridge-Mischung: 40gr. Haferflocken, 15gr. Proteinpulver, 10gr. Brauner Zucker, 3gr. Zimt und 300 ml. Fettarme Milch. Zum zweiten Frühstück folgte 150gr. von meiner Frau liebevoll gebackenen Rosinenzopf, gefolgt von einem Müsli zum Mittagessen. Krönender Abschluss des Tages war eine große Portion Spaghetti Napoli und ein alkoholfreies Weißbier. Anschließend wurde mit einem Eis nochmals richtig gesündigt. Insgesamt kam ich bei einer Kalorienaufnahme von 2.900 kcal auf 484 gr. Kohlenhydrate. Das entspricht einer Aufnahme von 7,4gr./kg Körpergewicht und einem Kohlenhydratanteil von 76% der gesamten Tagesernährung. Auf eine Sporteinheit wurde ebenso wie am Freitag verzichtet.

Freitag, 27.04.2018:

Nach einem reichhaltigen Frühstück mit Marmeladensemmeln ging die Reise los in Richtung Innsbruck. Für zwischendurch hatte ich mir noch den restlichen Rosinenzopf eingepackt. Da ich aber unterwegs meine Ernährung nicht Grammgenau aufzeichnen konnte, kann ich über die restliche Aufnahme nur Schätzungen abgeben. Demnach müsste ich auch hier im grünen Bereich liegen. Bei einer kurzen Rast gab es ein Stückchen Apfelkuchen, gefolgt von einem großen Teller Spaghetti bei der Ankunft in Innsbruck. Und die Schupfnudeln abends füllten nun endgültig den restlichen Speicher auf.

Samstag, 28.04.2018:

Da der Start zum K65 um 08:00 Uhr erfolgte, war es mir leider nicht mehr möglich das hotelinterne Frühstück zu genießen. Aus diesem Grund hatte ich mir bereits am Vortag einen 600gr. Supermarkt-Hefezopf und zwei Fläschchen mit gekühlten Kaffee besorgt. Mit der Energie der Hälfte des Zopfes sollte nun alles klappen. Zusätzlich gab es auf dem Weg in den Startbereich noch schokolierte Reiswaffeln. Die Energiezufuhr während des Wettkampfes regelte ich nur noch über die Einnahme von Gels.

Fazit:

Während des Wettkampfes hatte ich nie das Gefühl in einen Hungerast zu fallen, bzw. dass ich mich müde fühlte. Natürlich kann hierbei auch eine Art Placebo- Effekt mitspielen. Trotzdem bin ich von dieser ernährungstechnischen Vorbereitung auf einen Wettkampf absolut begeistert und überzeugt. Für mich persönlich erschreckend war die Gewichtsabnahme während der Low Carb Phase. Obwohl ich täglich einen Überschuss von ca. 500 Kalorien zu mir nahm, verlor ich innerhalb dieser 5 Tage insgesamt 4 kg. Als dauerhafte Ernährungsweise kommt für mich die Low Carb Ernährung nicht in Frage, da ich eine zu große Vorliebe für Kuchen habe. In der direkten Vorbereitung auf den nächsten Wettkampf werde ich allerdings wieder auf Low Carb zurückgreifen.