Nachdem ich Euch im ersten Teil die mögliche Ausrüstung vorgestellt habe, geht es nun um meinen ersten Feldversuch zum Thema „Fastpacking“. Leider verlief dieser alles andere als geplant …
Die Planung
Meine allererste Fastpacking Tour musste etwas ganz Besonderes werden. Diese sollte im Zeitraum von Freitag, 05.07.24 bis zum Dienstag, 09.07.2024 stattfinden. Die Planungen erledigte ich im Vorfeld über das Tourenplanungsportal Komoot. Die Strecken selbst übertrug ich anschließend über Garmin Connect auf meine Garmin Fenix 6.
Tag 1: Fahrt mit dem Zug nach Garmisch-Partenkirchen. Anschließend Wanderung über Ehrwald zur Coburger Hütte – 27,8 km mit 2.280 HM im Anstieg und 1.090 HM im Abstieg
Tag 2: Von der Coburger Hütte nach Niederthai – 47,7 km mit 2.820 HM im Anstieg und 3.200 HM im Abstieg
Tag 3: Von Niederthai nach Moos in Passeier – 53 km mit 1.920 HM im Anstieg und 2.430 HM im Abstieg
Tag 4: Von Moos in Passeier nach Meran – 49 km mit 2.590 HM im Anstieg und 3.290 HM im Abstieg
Tag 5: Rückkehr mit der Bahn in meinen Heimatort
Scheitern stärkt die Erfahrung
Etwas Blauäugig übertrug ich diese Komoot-Daten auf meine Uhr, ohne die einzelnen Details der Strecken nochmals zu vergleichen. Einzig die korrekte Übertragung wurde von mir überprüft. Frohen Mutes ging ich am Freitagmorgen zu meinem Heimatbahnhof und setzte mich in die Bahn. Aller Unkenrufen zum Trotz klappte der Transfer mit der Bahn nach Garmisch-Partenkirchen vollkommen problemlos und ohne zeitliche Verzögerungen.
Um 13:00 Uhr startete mein Abenteuer am Garmischer Bahnhof. Bis auf Höhe des Eibsees verlief alles nach Plan, einzig die enorme Hitze an diesem Tag machte mir zu schaffen. Stets folgte ich der Routenführung durch meine Uhr und so ging es bald sehr schnell durch das anspruchsvolle Gelände an der westlichen Flanke der Zugspitze in Richtung Ehrwald. Bereits hier an dieser Stelle reiften in mir folgende Erkenntnisse:
- die anfänglich hohe Gehgeschwindigkeit (6km/h) konnte ich aufgrund der Streckenbeschaffenheit in Verbindung mit dem drückenden Gewicht von 12,7 kg meines Rucksacks nicht einmal annähernd halten
- aus diesem Zeitverzug resultierte der Verzicht auf dringend notwendige Pausen
- die geplante Ankunftszeit an der Coburger Hütte würde sich extrem verzögern, so dass ich diese vermutlich erst in den frühen Abendstunden erreichen werde
In Ehrwald angekommen war ich ehrlich gesagt schon ziemlich bratfertig und machte mich eher lustlos in Richtung Coburger Hütte auf den Weg. Aufgrund früherer Aufenthalte in dieser Gegend war mir bewusst, dass von der Ehrwalder Alm aus ein sehr breit geschotterter Weg bis nahe an die Coburger Hütte gehen würde. Jedoch zeigte mir meine Uhr einen anderen Weg an und da ich nicht bereits am Tag 1 meine eigene Planung über Bord werfen wollte, machte ich mich auf den beschwerlichen Weg namens „Hoher Gang“ auf. Wie so oft in meinem Leben habe ich bewusst das ÖAV-Warnschild „Alpine Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich“ übersehen. Im ausgeruhten Zustand wäre dies auch kein Problem, aber so ausgelaugt wie ich zu diesem Zeitpunkt bereits war, war dieser Streckenabschnitt kein Geschenk. Doch auch dieses Hindernis bewältigte ich, so dass ich gegen 19:30 Uhr den Seeebenensee unterhalb der Coburger Hütte erreichte.
Ich konnte und wollte nicht mehr weiter und so entschied ich zunächst hier mein Nachtlager aufzubauen. Schön säuberlich legte ich auf einer Bank meinen gesamten Rucksackinhalt aus. Mir ist bewusst, dass wildes Campieren wie in anderen europäischen Ländern in Österreich auch verboten ist. Dieses Verbot hat aber im Falle eines Notbiwaks, und als dieses betrachtete ich es, keine Gültigkeit. Bevor ich mich aber an den Zeltaufbau machte, wollte ich mich zunächst noch meiner verschwitzten Bekleidung entledigen. Nur spärlich bekleidet vernahm ich im gleichen Moment das näherkommen von Glockengeläut. Just in diesem Moment hatte sich eine ca. 10-köpfige Kuhherde dazu entschlossen den Aufenthaltsort zu wechseln und empfand scheinbar meine Anwesenheit als eine gelungene Abwechslung zum eher tristen Weidealltag.
Und so kam es wie es kommen musste. Die überaus freundliche Kuhherde stapfte auf mich zu und nachdem es die erste Kuh scheinbar als äußerst schmackhaft empfand mir den salzigen Schweiß vom Oberkörper zu lecken, fanden die anderen Tiere den Schlafsack, das T- Shirt und auch am Ende das Handy sehr interessant. Mit purer Verzweiflung versuchte ich mit einer Mischung aus streicheln und sanftem Wegdrücken den Tieren den Weg zu weisen. Sobald mir dies aber mit der ersten gelang, war die nächste bereits wieder an Ort und Stelle. Am Ende gab ich auf und zog mich inmitten der Kuhherde erst einmal wieder komplett an und packte hastig meinen Rucksack. OK, eine Zeltübernachtung blieb mir dadurch erspart. Eiligen Schrittes machte ich mich nun doch noch auf den Weg zur Coburger Hütte. Dort bekam ich auch aufgrund meiner Mitgliedschaft mein DAV ein freies Bett und nach einem kalten Getränk legte ich mich hundemüde schlafen.
Tag 2: Das Ende eines Abenteuers
Nach dem Frühstück in der Coburger Hütte startete ich meine Wanderung in Richtung Niederthai. Dabei trennte mich das Mieminger Gebirge vom Zugang zum Ötztal, so dass es nun zunächst einmal um eine Überschreitung der Grünsteinscharte ging. Bis auf eine Höhe von ca. 2.250 m war alles in Ordnung. Nun zeigte mir aber die Routenführung eine Abzweigung an, die ich im tatsächlich vorhandenen Gelände nicht ausmachen konnte. Also blieb ich zunächst auf dem Weg, bis mir nach ca. 50 m meine Uhr eine Streckenabweichung anzeigte. Also wieder zurück zum Ausgangspunkt und ein neuer Ansatz. Und wieder wies mich mein technischer Helfer auf eine Streckenabweichung hin, so dass ich wiederum zurückkehrte. Nun suchte ich das Gelände ab und fand tatsächlich am Beginn eines sehr steilen und sehr großen Altschneefeldes eine weitere Markierung.
Einige unter Euch mögen nun verächtlich über mich urteilen, aber ich machte mir meine Entscheidung an dieser Stelle nicht einfach. Ich dachte an das von mir gegebene Versprechen an meine Familie, dass ich wieder gesund und in einem Stück nach Hause zurückkehren werde. Nach einer kurzen Denkpause entschied ich mich zur Coburger Hütte abzusteigen und von dort aus nach Biberwier abzusteigen.
Gegen 12 Uhr erreichte ich diese verschlafene Ortschaft und suchte dort die nächste Bushaltestelle auf. Gerade Samstags ist der ansonsten regelmäßig verkehrende ÖPNV zumindest im Umfeld der Fernpassstraße sehr ausgedünnt, so dass ich mich dazu entschied nun noch die letzten vier Kilometer nach Ehrwald zu gehen, da Ehrwald über einen Bahnhof verfügt. Meine Hoffnung bestand darin, von Ehrwald aus eine Verbindung nach Ötztal Bahnhof zu bekommen, um von dort aus weiter mit dem Bus in Richtung Sölden zu fahren. Die Ernüchterung folgte aber auf dem Fuß. Die in dieser Situation einzig mögliche Zugverbindung würde mich zurück nach Garmisch führen. Im Anschluss daran über Mittenwald nach Innsbruck und von da aus nach Ötztal Bahnhof. Bei einer kurzen Brotzeit spielte ich die Optionen in meinem Kopf durch. Die sichere späte Ankunft im Ötztal in Zusammenhang mit dem angekündigten Dauerregen für den folgenden Tag ließen bei mir den Entschluss reifen, meine Tour an dieser Stelle abzubrechen und mit der Bahn wieder nach Hause zu fahren.
Resümee einer gescheiterten Tour – Do´s and don`ts
Keine Situation ist so schlecht, dass man nicht auch positive Schlüsse daraus ziehen kann. Und da nicht jeder Mensch die gleichen Fehler wiederholen muss, lasse ich Euch hier an meinen Erkenntnissen teilhaben:
Vertraue niemals einem einzigen Anbieter für Tourenplanungen
Jetzt im Nachgang habe ich die Daten bei Komoot, Outdooractive und Garmin Connect für alle vier Routen verglichen. Die Abweichungen bei den Streckenlängen halten sich bei allen drei Anbietern mit bis zu drei Kilometern im Rahmen. Anders sieht es aber bei den Höhenmetern im An- und Abstieg aus. Hier entstanden Abweichungen von bis zu 30 %. Diese Abweichungen sind nicht nur für die zur Verfügung stehende Energie bedenklich, sondern können sich im realen Gelände auch auf die Wegestruktur auswirken. Es macht gerade im Hochgebirge einen Unterschied, ob ich bei einer Streckenlänge von einem Kilometer mit einer Steigung von 20% nun 200 HM überwinden muss, oder ob es sich dann tatsächlich um eine Steigung von 26 % mit 260 HM handelt. Siehe Tabelle der einzelnen Anbieter:
Komoot | Outdooractive | Garmin Connect | |
---|---|---|---|
Garmisch-Coburger Hütte | 27,8 km / 2.280 HM / 1.090 HM | 27,6 km / 2.322 HM / 1.117 HM | 27,5 km / 2.700 HM / 1.503 HM |
Coburger Hütte-Niederthai | 47,7 km / 2.820 HM / 3.200 HM | 49,5 km / 3.174 HM / 3.540 HM | 47,19 km / 3.761 HM / 4.137 HM |
Niederthai-Moos in Passeier | 53,0 km / 1.920 HM / 2.430 HM | 54,0 km / 2.143 HM / 2.664 HM | 53,0 km / 3.433 HM / 3.957 HM |
Moos in Passeier-Meran | 49,0 km / 2.590 HM / 3.290 HM | 50,0 km / 3.029 HM / 3.753 HM | 49,0 km / 3.681 HM / 4.392 HM |
Achte auf die Streckenlänge
Selbst als Ultraläufer wird man in Zusammenhang mit dem Gesamtgewicht und den zu überwindenden Höhenmetern sehr schnell einen Unterschied zum Trailrunning spüren. Man muss wesentlich mehr Zeit einplanen, so dass die Gesamtleistung auf bis zu zweieinhalb Kilometer pro Stunde sinken kann.
Plane genügend Pausen ein
Wie beim Laufen ist auch hier die Verpflegung essentiell. Gerade bei anstrengenden Hochtouren braucht der Körper immer ausreichend Nahrung. Einmal ins Defizit gekommen, lässt sich dieses nur sehr schwer ausgleichen.
Achte auf das Gesamtgewicht der Ausrüstung
Als ich wieder zuhause war, bestellte ich mir sofort eine sehr günstige Gepäckwaage. Trotz Minimierung des Gesamtgewichts hatte ich mit 12,7 kg einfach viel zu viel eingepackt und gerade bei diesen Strecken wirkt sich das Gesamtgewicht auf die gesamte Performance aus.
Informiere Dich vor Antritt der Tour über vorherrschende Witterungsbedingungen
Ein kurzer Anruf beim Hüttenwirt der Coburger Hütte hätte mir sicher Klarheit über die vorherrschenden Altschneeverhältnisse gebracht.
Übernimm Dich nicht schon beim ersten Fastpacking- Abenteuer
Es wäre schade, wenn Du bereits hier die Lust auf weitere Abenteuer verlierst. Als absoluter Neuling versuche Dich vielleicht zunächst einmal an einer Ein-Tages-Tour oder wähle das Gebiet mit Bedacht. Ich werde mich definitiv nochmals an eine Fastpacking- Tour heranwagen. Das nächste Mal aber meine eigenen Punkte beachten!