XC-RUN.de Athletin Basilia Förster war beim Gletscher Trailrun im Ötztal auf der Königsstrecke über 60 Kilometer und 3600 Höhenmeter unterwegs. Die Münchnerin mit italienischen Wurzeln belegte dabei den undankbaren vierten Platz – wirkt aber nach langer Verletzungspause dennoch sehr glücklich und zufrieden. Hier lest ihr ihren Erfahrungsbericht:
Ötztal Gletscher Trailrun 2021. Viele Träume. Die meisten werden wahr.
1:45 Uhr morgens. Ich reihe mich in den Startblock ein. Obergurgl schläft. Ich auch noch ein wenig. Ein bisschen Zeit bleibt, um noch zu träumen. Davon, endlich wieder über Trails zu laufen, zu schweben, zu fliegen. Leichtfüßig alpine Landschaften durchqueren. Und am Ende glücklich auf dem Podium zu landen. 2 Uhr. Der Startschuss reist mich aus meinen Gedanken.
Zurück in der Wirklichkeit.
Und nach wenigen Minuten zurück in der pechschwarzen Nacht. Schnell wird es trailig. Das Tempo ist hoch. Ich bin dankbar für die Leuchtkraft meiner Stirnlampe. Nach einer kleinen Schleife durch den Zirbenwald geht es Richtung Hochgurgl. Die ersten Damen sind in Sichtweite. Mir geht es sehr gut. Ein Traum ist damit schon mal wahr geworden. Monate lang seit meinem Bandscheibenvorfall zum Ende des Winters war Laufen nur eingeschränkt möglich. Zwei Rennen habe ich in den vergangenen Wochen bestritten. Beide führten nur bergauf. Wie wird es mir heute wohl in den Downhills gehen? Auch die Distanz dieses Gletscher Trailruns mit über 60 Kilometern und mehr als 3.000 Höhenmetern geht weit über alle gelaufenen Distanzen dieses Jahres hinaus. Viele offene Fragen. Doch erstmal freue ich mich, überhaupt wieder so locker laufen zu können. Meinen Körper in Aktion zu spüren. Die frische Bergluft zu atmen. Und für den Moment sogar wieder vorne dabei zusein.
Genug geträumt.
Nun geht es hinunter ins Tal. An der Lenzen Alm erreiche ich die ersten Verpflegungsstation. Ich fülle meine Trinkflaschen auf. Die Nacht ist angenehm warm. Ich verstaue mein Langarm-Shirt im Rucksack. Auf dem folgenden Anstieg komme ich ins Schwitzen. Die Sonne geht rechtzeitig auf, um den Blick auf den idyllischen Nedersee freizugeben. Leider habe ich keine Zeit, um das Panorama länger zu genießen. Doch das Naturschauspiel liefert alle paar Augenblicke neue Highlights. Ein kleiner Abstieg führt zur Küppelehütte. Links im Tal liegt Obergurgl noch immer im Schatten. Hier oben wärmt mich schon die Morgensonne. Ein langer Aufstieg folgt nun zum Ramolhaus. Man kann es schon von Weitem sehen. Doch nur langsam kommt es näher. Umso größer ist die Freude, endlich den höchsten Punkt der Strecke auf knapp über 3.000 Metern erreicht zu haben. Der Ausblick über die vielen Gipfel der Ötztaler Alpen ist überwältigend. Ich treffe die dritte Frau. Wir laufen schon lange in knappem Abstand zueinander. Die Hälfte des Rennens haben wir noch vor uns.
Über dem Abgrund
Wenige Minuten später wartet mein persönliches Streckenhighlight auf mich. Die Piccardbrücke. Ein gesicherter Abstieg führt hinunter. Dann geht es auf der Hängebrücke in hundert Metern Höhe über die Schlucht. Ein bisschen mulmig ist mir schon. Mein Blick schweift in die Weite. Imposant dominiert die Zunge des Gurgler Ferners die Kulisse. Rote Felsen säumen meinen Weg zur Langtalereckhütte. Weiter geht es über die Schönwieshütte ins Rotmoostal. Der Trail führt am Gebirgsbach entlang. Ich spüre nun die 45 Kilometer in meinen Beinen. Zu gern würde ich die müden Muskeln im kalten Wasser wieder aufwecken. Also laufe ich ein kurzes Stück im eisigen Schmelzwasser. Über das Gaißbergtal geht es schließlich hinauf zur Hohe Mut Alm. Endlich treffe ich meinen Mann und Betreuer Michael. An der Küppelehütte in der Früh haben wir uns knapp verpasst. Nachdem er gestern Abend beim Berglauf schon mal die Aussicht hier oben genießen durfte, ist er nun zum Anfeuern zur Stelle. „Eine Minute hinter Platz 3“ ruft er mir zu. „Ich bin wacklig auf den Beinen. Schon mehrmals gestürzt.“, entgegne ich. „Lauf Dein Rennen“. Michael weiß, dass ich gerade zum Ende eines Rennens noch einiges gut machen kann.
Final Downhill
Tendenziell geht es nun bergab. Das ist heute ein Nachteil für mich. Bergauf konnte ich trotz Verletzung schon einiges trainieren. Bergab so gut wie gar nicht. Das nehmen mir meine wackligen Oberschenkel nun übel. Ab dem Ende des Königtals geht es nun auf der Startetappe von letzter Nacht hinunter ins Dorfzentrum. Der Singletrail fordert mit seinem ewigen Auf-und-Ab bis zum Schluss volle Aufmerksamkeit. Nun kann ich auch die Schönheit des Zirbenwalds bewundern. Gestern kurz nach dem Start erkannte ich diesen nur an seinem wohltuenden Aroma. Nach 10.37h erreiche ich die Ziellinie. Erschöpft und glücklich stoppe ich meine Uhr. Ein großer Traum wurde heute war. Mit diesem Finish bin ich zurück auf den Trails. Der Traum vom Podium erfüllte sich denkbar knapp heute nicht. Macht nichts. Ein Grund mehr, nächstes Jahr ins Ötztal zurückzukehren.
Comeback
Viele Gründe sprechen dafür. Die fantastische Landschaft. Hochalpin und zugleich lieblich. Eine einzigartige Symbiose. Die professionelle Rennorganisation. Nicht einmal musste ich auf der Strecke überlegen, ob ich noch richtig war. Man konnte spüren, dass die Markierungen von erfahrenen Bergläufern gemacht wurden. Auch ansonsten wurde einfach an alles gedacht. Vom detaillierten Racebriefing mit allen wichtigen Informationen bis zur Siegerehrung im neu gebauten Gurgl Carat. Hier konnten wir wenige Stunden nach dem Rennen schon die zu einem kurzen Eventclip zusammengestellten Highlights bestaunen. Fünf verschiedenen Distanzen verschmolzen hierbei auf der riesigen Kinoleinwand. Zurückdenken werde ich immer auch gerne an die Gastfreundschaft im Hotel Enzian. Die Pasta am Abend war fantastisch und der kurze Weg zum Startgelände ideal. Nur die Nacht war etwas kurz. Aber nur so können Träume auch in Erfüllung gehen.
Pressebericht und Ergebnisse