Team XC-RUN.DE Athletin, Basilia Förster, berichtet nach ihrem Erfolg beim Davos X-Trails über ihr Rennen beim Diamond Run:
Restart am Sertig Wasserfall
Noch wenige Minuten bis zum Start. Endlich bin ich wieder hier. In Davos, auf dem Sportplatz. So viele Erinnerungen sind mit diesem Platz verbunden. Drei Finishs der ultralangen Swiss Irontrails. Immer hat es mit dem Podium geklappt. Wird es heute erneut klappen? Ich bin unsicher. Noch immer bin auf dem langen Weg zurück zu meiner Form von vor der OP. Viele Top-Läuferinnen warten um mich herum. Ich platziere mich etwas dahinter. 68 Kilometer und 2.700 Höhenmeter warten auf der Diamond-Strecke auf mich. Die kürzeren Gold-Distanz-Läufer starten mit uns. Die ersten Kilometer ins Dischmatal werden daher schnell werden. Ich werde versuchen, zu Beginn kontrolliert zu bleiben.
Davos X-Trails: Offizieller Rennbericht, Bildergalerie und Ergebnisse
Rien ne va plus – nichts geht mehr
Der Startschuss fällt. Ein flacher Kilometer durch den Ort. Dann wellig, moderat ansteigend auf der Forststraße zum Dürrboden. Mir geht es super. Die Beine sind leicht, das Tempo hoch. Es läuft. So könnte es bis zum Ziel weitergehen. Auf Platz 3 mit der Zweiten in Sichtweite laufe ich durch den Kontrollpunkt. Ein Singletrail schlängelt sich hinauf zum Scalettapass. Ich liebe diese Davoser Seitentäler. Ein reißender Gebirgsbach inmitten grüner Wiesen. Pinke, blaue, gelbe Bergblumen setzen darin ihre farbigen Akzente. Die Berge zu beiden Seiten bilden den passenden Rahmen. Laufen in dieser wunderschönen Gebirgswelt. Fast wäre ich ins Träumen gekommen. Doch die harte Realität kehrt schlagartig zurück. Mir wird schwindlig. Ist es die Höhe? Dann schlecht. Tempo zu hoch? Verpflegung? Nicht genug. Auch die neurologischen Probleme in meinem linken Bein lassen keinen runden Schritt mehr zu. An Laufen ist im Moment nicht mehr zu denken. Ich muss gehen. Mühsam bleibe ich in Bewegung. Der Casino-Gutschein in meinem Starterbag fällt mir ein. „Rien ne va plus – nichts geht mehr“- würde der Croupier sagen.
Die Entscheidung
Drei, vier, fünf, zehn. Ich weiß nicht mehr, wie viele Frauen an mir vorbeigezogen sind. Die unzähligen Männer gar nicht mitgerechnet. Im letzten Anstieg vor dem Sertigtal werde ich durchgereicht. Es ist so hart. Was soll ich nur machen? Runter muss ich auf jeden Fall. Langsam bewege ich mich weiter. Im Downhill geht es mir auch schon wieder etwas besser. Doch es sind noch 38 Kilometer. Endlich treffe ich Michael. Diese Abzweigung ist die Schlüsselstelle des Laufs. Hier gibt es die einmalige Chance, von der Diamond- auf die kürzere Gold-Strecke zu wechseln. Die Versuchung in meinem Zustand ist groß.„Platz 5 auf der langen Strecke. Es ist noch alles drin. Kämpfen!“, ruft Michael mir zu. Es liegt an mir. Alles oder nichts. Immerhin habe ich noch eine Chance. „Faites vos jeux! – Mach dein Spiel“. Nach kurzem Zögern biege ich zum Wasserfall ab. Anfangs schleppend, dann zügiger, bald wieder fast in normalem Renntempo. Die Entscheidung ist gefallen. Ich bin froh, dass ich sie nicht alleine treffen musste. Zu emotional war die Situation für mich. Doch wahrscheinlich hätte ich auch selbst so entschieden.
Restart in Monstein
Der letzte Anstieg beginnt. Als dritte Frau werde ich in Monstein angekündigt. Das gibt mir Rückenwind zum Restart. Ich fühle mich wieder gut. Das Bein funktioniert nicht perfekt. Aber es reicht, um Speed zu machen. Ein langer, welliger Singletrail quert unterhalb dem Rinerhorn. Es läuft. Auch im technisch schwierigen Abschnitt nach Sertig Dörfli. Ich kann auf dieser Etappe die schnellste Zwischenzeit laufen. Leider bleiben die ersten beiden Läuferinnen außer Sichtweite. Zuviel habe ich vorher verloren. Ich freue mich trotzdem. Es ist so schön, hier zu laufen. Über Wurzeln und Steine zu springen. Sonne, Wind und ein paar Regentropfen zu spüren. Im linken Augenwinkel immer das malerische Tal im Blick.
Happy End
Die Schlussetappe steht an. Talauswärts nach Davos. Ein Sprecher kündigt in Sertig Dörfli die 100-Meter-Sprintwertung an. Die lasse ich mir nicht nehmen und spurte los. Das Finale hat begonnen. Doch es wird kräftezehrender als gedacht. Viele Mini-Gegenanstiege lassen kein rechtes Downhillroll-Feeling aufkommen. Auch wenn ich schon längere Strecken in Davos gelaufen bin. Diese 68 Kilometer haben mir alles abverlangt. Doch das ist beim Anblick des Sportplatzes vergessen. Freudestrahlend laufe ich durch den Zielbogen. Vieles hätte heute besser laufen können. Aber nachdem schon fast alles verloren war, nochmal zurückzukommen, das bedeutet mir sehr viel. Und dabei habe ich bedeutend mehr gelernt als bei einem perfekten Rennen. Kurz vor der Siegerehrung beginnt es zu regnen. Dann kommt doch noch die Sonne raus. Wir strahlen um die Wette. Die Glückssträhne in Davos hat gehalten. Am Roulettetisch würde der Spieler nun wahrscheinlich den nächsten Einsatz wagen. Ich glaube, das werde ich nächstes Jahr auch machen.