Ein Gespräch über sportliche Anfänge, Siege in Asien und die Zukunft des Trailrunnings
Interview: David Reichl
Er gehört zur Weltspitze im Berg- und Traillauf auf Kurz- und Mittelstrecken: Daniel Pattis aus dem Südtiroler Bergdorf Tiers – am Fuße der berühmten Schlern-Gruppe – hat sich in den vergangenen Jahren eindrucksvoll auf der internationalen Bühne etabliert. Zwischen den ersten beiden Rennen der Golden Trail Series (GTS) 2025 in Japan und China nahm er sich Zeit für ein Gespräch mit uns – über seine sportliche Laufbahn, seine Ziele und die Herausforderungen eines Sports im Wandel.
Von der Loipe auf den Trail: Daniels sportliche Anfänge
Daniel, wie hast du den Weg zum Trailrunning gefunden?
Die Liebe zur Natur und zur Bewegung habe ich definitiv von meinen Eltern geerbt. Mit meinen zwei Geschwistern war ich von klein auf in den Südtiroler Bergen unterwegs, im Winter waren wir oft langlaufen. So kam es, dass meine ersten Wettkämpfe tatsächlich Langlaufrennen waren – allerdings war ich da eher im Mittelfeld unterwegs.
Im Sommer bin ich dann mit meinem Vater gelaufen – ursprünglich als Trockentraining für den Winter. Bei Schulmeisterschaften im Laufen stellte ich überrascht fest, dass ich ganz vorne mitmischen konnte. Dort lernte ich auch meinen späteren Trainer Hans Pircher kennen, der mich auf die Leichtathletikbahn einlud.
Da mein Heimatdorf Tiers weit von der Bahn in Bozen entfernt liegt, trainierte ich hauptsächlich zu Hause – auf bergigen Wegen mit vielen Höhenmetern. Ein Start bei der italienischen Jugendmeisterschaft im Berglauf brachte schließlich den Durchbruch: Ich gewann und wurde in die Nationalmannschaft berufen. Bei der U18-WM in Bulgarien wurde ich Erster – ab da war für mich klar: Der Berglauf ist meine sportliche Heimat.
2024 – Ein Jahr voller Highlights
Du hast 2024 mit einem 5. Platz bei der GTS und mehreren Siegen im DACH-Raum abgeschlossen. Was war dein persönliches Highlight?
Das Rennen in China bei der Golden Trail World Series war für mich etwas ganz Besonderes – mein erstes Podium bei einem GTS-Rennen. Wir starteten auf 3.000 Metern Höhe, liefen an Yaks vorbei, unter 6.000 Meter hohen Gipfeln – das war unvergesslich. Ich bin unglaublich dankbar, dass mich der Sport an solche Orte bringt.
Vorbereitung auf die Saison 2025
Du hast die neue Saison bereits mit einem Sieg beim Ötzi Trail eingeläutet. Wie sah deine Wintervorbereitung aus?
Nach einer kurzen Pause im Dezember habe ich viel auf der Straße trainiert – mein Fokus lag auf dem Halbmarathon in Barcelona im Februar. Diese Abwechslung hat mir mental gutgetan, auch wenn das Training hart war. Den Radweg in Innsbruck kenne ich inzwischen in- und auswendig! Nach dem Rennen habe ich dann wieder verstärkt auf Trails trainiert.
Ein Sport im Wandel: Die neue Struktur der GTS
Wie bewertest du die Veränderungen in der Golden Trail Series 2025?
Die GTS befindet sich meiner Meinung nach in einer Art Findungsphase. Sie hat den Sport in den letzten Jahren stark vorangebracht – insbesondere durch die kluge Nutzung von Social Media.
Jetzt versucht man, Rennen im TV zu übertragen – was technisch in den Bergen natürlich schwieriger ist. Daher wurden Formate wie das „Flower Format“ eingeführt, bei dem die Läufer mehrere Runden laufen und öfter an der Kamera vorbeikommen.
Traditionsreiche Rennen wie der Marathon du Mont Blanc wurden hingegen gestrichen, ebenso wie die nationalen Serien, die für junge Talente ein wichtiges Sprungbrett waren. Das birgt Risiken: Man könnte die Kern-Community verlieren, wenn die Klassiker verschwinden.
Seit drei Jahren bist du Teil des Teams Brooks. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Ich fühle mich im Team sehr wohl – die Atmosphäre unter uns Athleten ist super. Brooks investiert stark in den Traillauf und unterstützt uns bei Trainingslagern und Wettkämpfen. Dadurch konnten wir ein Team aufbauen, das auch international sehr konkurrenzfähig ist.
Der Boom im Outdoorsport bringt auch Herausforderungen für die Natur. Wie siehst du das?
Das ist das große Paradoxon unseres Sports: Wir lieben die Natur und sind uns ihrer Verletzlichkeit bewusst – und gleichzeitig sind wir es, die sie durch unsere Aktivitäten beanspruchen. Die einzige Lösung ist wohl, mit maximalem Respekt unterwegs zu sein.
Zwischen Uni und Wettkampfreisen – Alltag eines Profi-Trailrunners
Wie bekommst du Beruf und Sport unter einen Hut?
Ich arbeite in Teilzeit als Laborassistent an der Uni Innsbruck – das ist dank meiner Zusammenarbeit mit Brooks möglich. Meistens trainiere ich früh morgens, manchmal auch noch abends. Mein Arbeitgeber gibt mir viel Flexibilität, sodass ich auch an internationalen Wettkämpfen teilnehmen kann. Dafür bin ich sehr dankbar.
Blick nach vorn: Saison 2025 und darüber hinaus
Was sind deine sportlichen Ziele für die nächsten Monate und Jahre?
Dieses Jahr werde ich wieder an mehreren GTS-Rennen teilnehmen. Japan ist bereits absolviert, China steht vor der Tür, danach folgt das legendäre Zegama. Ich möchte mich außerdem bei den italienischen Meisterschaften für die WM im September in Spanien qualifizieren.
Im Sommer geht’s weiter mit dem Lavaredo 50K und Sierre-Zinal – hoffentlich reicht’s für die Top 10! Für den Herbst ist die WM mein großes Ziel. Im Winter würde ich gerne wieder auf der Straße laufen – vielleicht einen weiteren Halbmarathon oder sogar einen Marathon.
Langfristig möchte ich mich an die 50-Kilometer-Distanz herantasten – 2026 ist der OCC ein großes Ziel. Außerdem fasziniert mich der Trofeo Kima. Und ich träume davon, irgendwann Paragleiten und Traillauf miteinander zu verbinden. Mal sehen, was sich daraus entwickelt!
Trainingsmethoden: Höhenluft und Hitze
Setzt du auf Höhen- oder Hitzetraining zur Leistungssteigerung?
Trainingslager in der Höhe wären ideal, lassen sich bei mir aber zeitlich schwer umsetzen. Hitzetraining möchte ich in Zukunft gezielter einsetzen – mit dem Klimawandel werden heiße Wettkämpfe häufiger. Vielleicht seht ihr mich bald in Daunenjacke trainieren – zur Anpassung!
Vielen Dank für das Gespräch, Daniel!
Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg, Gesundheit und spannende Rennen auf den Trails dieser Welt!