Laura Hottenrott dürfte aktuell die vielseitigste Läuferin des Landes sein. Die Deutsche Berglaufmeisterin 2023 wurde Vierte im Vertical der World Mountain and Trail Running Championships Innsbruck-Stubai (WMTRC) und trug damit maßgeblich zum Silber der Deutschen Frauenmannschaft bei. Außerdem qualifizierte sich mit einer Fabelzeit von 2:24:32 h für die olympischen Spiele in Paris und wird als eine von drei Damen die Deutschen Farben beim Marathon tragen. Wir haben mit Laura über ein bewegtes Jahr 2023 und Pläne für die Zukunft gesprochen.
In unserem Special zur Top 5 der nationalen Trailrunner haben wir Laura übergangen. Wie konnte das passieren? Laut ITRA-Liste belegt sie Rang 6 im nationalen Vergleich, ist jedoch punktgleich mit Domenika Mayer. Sieht man genauer hin, hatte sie im direkten Vergleich auf Trails aber meist die Nase vorn.
Laura Hottenrott im Interview
2023 war wohl dein Jahr: Vierter Platz und Team-Silber bei der Berglauf WM, Sieg beim Zermatt-Marathon und dann natürlich noch deine Olympiaqualifikation. Läuft bei dir gerade, oder?
Auf Papier sieht es tatsächlich so aus als wäre 2023 ein komplettes Jahr in der Sonne gewesen. Tatsächlich hat das Jahr aber sehr holprig mit mehreren Infekten und nur soliden Ergebnissen begonnen. Ab Sommer konnte ich mich dann steigern.
Trotz super Ergebnissen war dein Jahr 2023 aber auch geprägt von Rückschlägen. Nach dieser unglaublichen Performance im Vertical bei der WMTRC hattest du beim anschließenden Short Trail ein DNF und auch beim Berlin Marathon 2023 hast du die angestrebte Qualifikation verpasst. Was macht dich mental so stark, dass du dich immer wieder aufrappelst und dann sogar noch einen draufsetzt?
Ich denke das ist die Erfahrung. In den letzten Jahren habe ich immer wieder Durststrecken überwinden müssen und Niederlagen akzeptieren. Manchmal hatte ich monatelang kein gutes Rennen. Trotzdem immer weiter zu machen, hat sich jedes Mal irgendwann ausgezahlt. Auch, wenn es oft nicht leicht war. Tatsächlich hatten solche Phasen aber auch rückblickend etwas Gutes. Zum Beispiel bin nach den knapp verpassten Olympischen Spielen für Tokio mit dem Sieg beim Jungfrau Marathon und dem Deutschen Berglauftitel zum Trailrunning gekommen. In den Bergen unterwegs zu sein gibt mir immer wieder neue mentale Reserven.
Dein Valencia-Marathon liest sich wie ein Märchen: Nach dem Berlin-Aus und der Entscheidung dort zu starten war es ein schwieriger Weg an die Startlinie. Und dann finishst du mit diesen unglaublichen 2:24:32 h. Wie fühlt sich diese Geschichte heute, im Rückblick, für dich an?
Immer noch sehr verrückt. Es lagen mir im Vorfeld so viele Steine im Weg, dass es ein Leichtes gewesen wäre, eine Ausrede für eine schlechte Leistung in Valencia zu finden. Dass ich aber gerade in dieser schwierigen Situation über mich hinauswachsen konnte, hat mir ein ganz neues Selbstbewusstsein gegeben.
Mit dem olympischen Marathon liegt der Fokus 2024 vermutlich voll auf Straßenlauf. Sehen wir dich 2024 trotzdem noch auf Trails? Oder baust du Geländeläufe wenigstens in dein Training mit ein?
Im Training auf jeden Fall. Aktuell sind wir im Trainingslager auf Teneriffa und trainieren auf Straße und Trails. Der olympische Marathon hat höchste Priorität. Den ein oder anderen Trailwettkampf und Berglauf, der in den Saisonverlauf gut passt, werde ich aber auch dieses Jahr gerne machen wollen.
Es gibt für Läuferinnen und Läufer kaum eine größere Ehre, als bei Olympia zu starten. Die Trailrunning-Szene kann von solcher Sichtbarkeit und solchen Ehren nur träumen. Mal dreist gefragt: Sollte Trailrun auch olympisch werden?
Klare Antwort. Ja! Trailrunning ist eine aufstrebende, attraktive und begeisternde Sportart mit viel Potential für die Zukunft.
Nur wenige kennen beide Welten so gut, wie du: Trailrun und Straßenlauf. Was macht für dich die Unterschiede aus – und was reizt dich an beidem?
Das Duell Frau gegen Frau macht für mich den besonderen Reiz auf der Straße aus. Nebeneinander zu laufen, die Schritte und den Atem zu hören und sich ganz auf sich und die Konkurrenz zu konzentrieren. Den Asphalt dabei auszublenden.
Im Trailrunning schätze ich es, dass ich mich selber pace, keine Kilometersplits mir helfen, sondern ich mich komplett auf mein Körpergefühl verlassen muss. So lerne ich mich selber immer besser kennen und einschätzen.
Beschreib doch kurz deinen Fahrplan für Paris. Was steht noch auf dem Programm, was sind die „Schlüssel-Trainingsphasen“?
Drei dreiwöchige Höhentrainingslager in Teneriffa, Livigno und der Sierra Nevada.
Ich weiß, die Frage ist fies zum derzeitigen Zeitpunkt – aber gibt es schon einen Plan für nach Olympia? Oder überstrahlt Olympia einfach alles?
Meine Freunde und meine Familie wissen, ich plane nicht gerne viel voraus. Aktuell ist in meinem Kopf der Marathon in Paris am 11. August. Alles Weitere stelle ich gedanklich hinten an. Auf jeden Fall will ich mich noch weiter auf der Straße steigern. Ich denke dies wird mir langfristig auch im Trairunning zu Gute kommen, da sich das Niveau und die Racepace von Jahr zu Jahr steigert. Im Vergleich zum Straßenlauf habe ich im Trailrunning noch nicht viele Rennen bestritten und kann hier noch viel lernen.
Über Laura Hottenrott
Meine Heimatstadt ist Kassel. Dort wurde ich im Mai 1992 geboren. Nach dem Abi 2011 an der Jacob-Grimm-Schule in Kassel habe ich ein Stipendium für ein Studium in den USA bekommen. Zwei Jahre habe ich in Portland Biologie studiert, dann bin ich ans renommierte Boston College gewechselt. Dort habe ich im Dezember 2015 mein Biologie Studium abgeschlossen und anschließend einen Masterstudiengang in Exercise Science and Coaching an der Deutschen Sporthochschule in Köln absolviert. Danach war ich Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und habe in der Sportwissenschaft promoviert. Ich lebe in Kassel und starte für den Heimatverein PSV Grün Weiß Kassel.
Instagram: @laura_hottenrott