Trailrunner im Interview: Jojo Klein

Jojo Klein bei der Walser Trail Challenge 2017 © Dominik Berchtold / WTC

Der junge Allgäuer und Adidas TERREX Athlet, Jojo Klein, ist als Botschafter von „Tourismus Oberstdorf“ unterwegs und identifiziert sich voll und ganz mit seiner Heimat. Wenn er nicht gerade die internationale Skyrunner Series aufmischt, dann ist er rund um Nebelhorn, Höfats und Co. anzutreffen.

Christian: Servus Johannes, viele kennen Dich nur unter dem Rufnamen Jojo. Was ist Dir lieber? Steckt hinter diesem Kürzel eine Geschichte, oder wurdest Du bereits zu Schulzeiten so genannt?

Jojo: Ich werde schon immer Jojo genannt. Da war der Grundstein bereits in der Grundschule gelegt. Ich weiß nur noch, dass ich mich Anfangs, aus unerklärlichen Gründen, sehr gegen diesen Spitzname gesträubt habe. War wahrscheinlich einfach eine sinnlose Protestreaktion, da ich mir den Namen nicht ausgesucht habe.

Heute aber schätze ich den Namen sehr und freue mich, wenn ich so genannt werde. So stelle ich mich zumeist von selber als Jojo vor. Das macht den Umgang und die Kommunikation mit Menschen von Beginn an unkomplizierter und offener.

Christian: Corona hat uns leider alle fest im Griff, eine Veranstaltung nach der anderen wird abgesagt und die Aussichten auf einen versöhnlichen Saisonabschluss mit ein paar Wettkämpfen sind ebenso ungewiss. Wie gehst Du mit dieser Situation um? Wie steht es um Deine Trainingsmotivation?

Jojo: Um es kurz zu machen – es hat sich für mich nicht wirklich viel verändert, denn ich darf mich immerhin immer noch frei bewegen und das auf die Art, wie es mir gefällt. Deswegen ist die derzeitige Situation für mich als Bewegungsjunkie keine große Umstellung. Selbstverständlich fehlt zurzeit ein wichtiges Element, nämlich Ziele in Form von Wettkämpfen. Für mich ist es aber kein Problem den leistungsorientierten Athleten in diesen Monaten hinten anzustellen und dafür anderen Aspekten des Sports mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Christian: Durch diese Einschränkungen haben viele Strava für sich entdeckt. Alte Strava- Hasen wissen aber, dass Du schon sehr lange diese Plattform nutzt und durch spektakuläre Aktionen immer wieder Ausrufezeichen setzt. Was bedeutet Dir die Jagd nach KOMs und PB? Kann Strava Deiner Meinung nach zu einer Konkurrenz zu klassischen Wettkämpfen werden?

Jojo: Ganz ehrlich, für mich ist Strava eine absolute Bereicherung und ein geniales Tool um einfach die technischen Möglichkeiten motivierend in den Trainingsalltag zu integrieren. Und wenn dann mal wieder hier und da eine Krone dabei rausspringt freut man sich selbstverständlich. Für mich gilt hier das Motto: „Die Eroberung des Nutzlosen“.

Strava wird aus meiner Sicht niemals einen echten Wettkampf ersetzen können, aber ich denke schon, dass wir zukünftig auch Wettkämpfe in der digitalen Welt erleben werden. Zwift macht uns Läufern in diesem Bereich schon einiges vor…

Christian: Diese Woche konnte man Dich auf Strava mit einer persönlichen 24h Challenge verfolgen – eine Stunde radeln, eine Stunde Pause. Wie ging es Dir? Stammt die Grundidee von Dir, oder hast Du Dir Anleihen von vergleichbaren Wettkämpfen geholt?

Jojo: Inspiriert wurde ich zu dieser Challenge vor allem von David Goggins. Auf diese einmalige Persönlichkeit möchte ihr hier nicht weiter eingehen, das würde den Rahmen sprengen, aber er hat vor kurzem zur 4x4x48 Challenge aufgerufen. Diese Herausforderung beinhaltet zwei Tage am Stück, alle vier Stunden für vier Meilen zu laufen. Ich habe mir das zum Anlass genommen meine eigene „Quarantänechallenge“ daraus gemacht und so entstand die Mr. Klein (mein Ego, welches ich herausgefordert habe) Challenge. Für 24 Stunden abwechselnd je eine Stunde auf dem Ergometer und eine Stunde pausieren.

War eine ganz neue Erfahrung für mich und ich habe es bewusst auch so wahrgenommen. Den gesamten Zeitraum über habe ich den Puls aufgezeichnet um festzuhalten, wie er sich über die Zeit entwickelt. Wie sich die Ernährung auf die Leistung auswirkt und wie ich mit bewussten Atemtechniken noch mehr in der Erholungsphase rausholen kann. Ein geniales Tool ist für mich hier die Möglichkeit gewesen meine Herzratenvariabilität, über das Programm von Autonom Health, in Echtzeit verfolgen und auswerten zu können. Die Daten aus dieser 24 Stunden Challenge sind für mich von großem Wert und fast noch wichtiger als das eigentliche Durchhalten und bestehen der Challenge, denn ganz ehrlich, es hätte noch weitergehen können – nur der Hintern hat dann doch ziemlich gezwickt.

 Christian: Es gibt ja viele bemerkenswerte Geschichten und Aktionen von Dir, aber besonders eine hat sich bei mir ins Gedächtnis eingebrannt – Wie kommt man auf die verrückte Idee dreimal die Zugspitze an einem Tag zu erlaufen, Jubiläumsgrat inklusive versteht sich? War diese Aktion spontan, wie kam es dazu? 

Jojo: Das war damals im Sommer 2016 als ich noch sehr unerfahren und vor allem unbekümmert durch die Berge gerannt bin. Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern und dass ich beim letzten Anstieg Richtung Gipfel zum ersten Mal in meinem Leben wirklich gelernt habe, was es bedeutet einen Hungerast zu leiden und eigentlich nicht mehr zurechnungsfähig zu sein. Aber wie gesagt, ich habe es nicht besser gewusst, mich da durchgebissen und am Ende bin ich dreimal auf den höchsten Gipfel Deutschlands gestiegen, immer über verschiedene Routen und hatte einen genialen Tag. Ich glaube es waren am Ende mehr als 15 Stunden. Definitiv ein prägendes Erlebnis für mich und ganz sicher auch ein Meilenstein in meiner Entwicklung, denn hier habe ich gelernt, dass Grenzen und Limits nur Teil unseres Egos, unseres Verstandes sind. Noch kleiner Nachschub, nur circa eine Woche später bin ich im Ötztal auch einen eigenen Ultra gelaufen, mit Besteigung der Kreuzspitze, Similaun, Fineilspitze, Saykogel und zum Abschluss noch auf die Wildspitze über die Ötztaler Urkund. So viel zum Thema Unbekümmertheit. Ich weiß nicht ob ich solche Monsterprojekte dieser Tage noch einfach so unstrukturiert und häufig machen würde.   

Mal schauen, was im Sommer 2020 so an eigenen Projekten in Angriff genommen wird, aufgrund der besonderen Umstände…

Christian: Mit 2017 und 2018 hattest Du zwei sehr erfolgreiche Jahre, die Dich an die Spitze der deutschen Trailläufer- Community gebracht haben. Dann kam das Seuchenjahr 2019 mit Deiner langwierigen Verletzung (Ermüdungsbruch im Schienbein). Konntest Du dieser Zeit auch etwas Gutes abgewinnen? Welche Rückschlüsse hast Du daraus gezogen?

Jojo: Es mag komisch klingen, aber im Nachhinein bin ich fast dankbar für diese einschneidende Verletzung, denn sie hat mich zum einen mal wieder sauber geerdet und zum anderen hat sie mich gezwungen meine Vorstellungen von Sport und Training zu überdenken und neue Herangehensweisen und Aspekte in Betracht zu ziehen und schließlich auch umzusetzen. Unterm Strich hat mich diese Verletzung zu einem besseren, glücklicheren und ausgeglicheneren Athleten gemacht und das Wichtigste, sie hat mir wieder vor Augen geführt, was für mich wirklich wichtig ist und mich in meinem tiefsten Inneren motiviert. Zudem durfte ich mal wieder erfahren, was für tolle Menschen ich um mich herumhabe, welche mich durch diese schwierigen Zeiten begleitet haben und auch zukünftig mein Team sein werden, was mich als Einzelsportler noch stärker macht.

Christian: Zum Ende der Saison 2019 konntest Du beim Limoneextreme mit dem 2.Platz beim Skyrace ein fulminantes Comeback feiern. Was bedeutete Dir diese Platzierung?

Jojo: Jede Menge. Das war einfach eine geniale Sache und hat 2019 wirklich ideal abgeschlossen. Ich habe im Vorfeld zum ersten Mal für mich wirklich begriffen, was es heißt strukturiert und zielorientiert zu Trainieren – ich denke mein Mentor hat hier einen ersten Meilenstein mit mir und meinem Ego erreicht. Das Resultat hat dies untermauert und lässt mich mehr als motiviert und ambitioniert in die Zukunft schauen. Ich sehe nun das Puzzle aus einer anderen Perspektive und habe gelernt, dass dieser Prozess der stätigen und erfolgreichen Entwicklung und Verbesserung nicht auf der Überholspur stattfindet, sondern eine lange Reise ist ohne Abkürzung.

Christian: Diese Frage zu diesem Zeitpunkt zu stellen kommt einem Blick in die Glaskugel nahe. Ich versuche es aber trotzdem. Auf welches Rennen freust Du Dich jetzt schon besonders?

Jojo: Machen wir es so rum, welche Rennen will ich unbedingt noch in dieser Lebensphase bestreiten? Ganz klar sind das für mich die technischen Skyraces. Kima, Madeira Skyrace, Tromso und fast alles was in England bzw. Schottland stattfindet. Sicher auch die Pyrenäen will ich noch kennen lernen, Patagonien und Norwegen. Wie du merkst sind es dann in erster Linie Gebirge und Regionen, welche mich anziehen und dann werden erste die Rennen interessant. 

Christian: Wenn Du nicht gerade läufst oder radelst, womit beschäftigst Du Dich am liebsten in Deiner Freizeit? Gibt es bestimmte kulinarische Gelüste zu denen Du nicht nein sagen kannst?

Jojo: Ich liebe es ins Kino zu gehen, am besten mit Freunden und man geht vorher noch etwas gemeinsam Essen. Beim Thema Essen ist es eigentlich nicht schwer mich glücklich zu machen, denn ich mag fast alles und bin auch immer offen für kulinarische Abenteuer. Aber eines ist sicher, ich gehöre ganz klar zum Team ‚Schokolade‘. Hier sündige ich schon mal regelmäßig. Habe aber auch gelernt, das nicht zu ernst zu nehmen und mich zu kasteien. Aus meiner Sicht macht Schokolade oder ein selbstgebackener Kuchen wirklich glücklich und mit dieser bewussten und achtsamen Einstellung spricht auch nichts gegen ein wenig Gönnung.

Christian: Vielen Dank das Du uns diesen Einblick in Deinen Alltag gewährt hast. Komm gut durch diese Zeit, bleib gesund und ich drücke Dir die Daumen, dass Du dieses Jahr noch an der Startlinie stehen kannst!