Trailrunner im Interview: Lukas Sörgel

Lukas Sörgel beim Training © Philipp Reiter

Lukas Sörgel galt vor vier Jahren als eines der größten deutschen Talente im Ultratrail. Mittlerweile hat sich der Salomon Athlet auch in Sachen Fotografie und Videodreh hervorgetan. Zum Jahreswechsel beantwortet uns der (Mittel-) Franke ein paar Fragen:

Interview mit Lukas Sörgel

Lukas, danke dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Du hast auf meine Anfrage vom Gardasee aus geantwortet. Trainierst du schon fleißig auf Trails für die Saison 2020?

Lukas: Nicht direkt. Gemeinsam mit meiner Freundin nutze ich die Weihnachtsferien um einfach viel draußen zu sein. Wir wandern, testen uns an den Klettersteigen rund um Arco und liegen faul in der Hängematte. Kein richtiges Training aber ganz unsportlich sind wir natürlich auch nicht.

Deinen großen Durchbruch hattest du 2015 als Zweitplatzierter beim U.TLW. Wie würdest du seitdem deine sportliche Entwicklung beschreiben?

Lukas: Schwer zu sagen. Als Pessimist würde ich meine Entwicklung als „durchwachsen“ beschreiben. Ich habe immer irgendwie davon geträumt zu den Besten in Deutschland zu gehören. Ich bin sicher jemand, der meistens auch bei den großen Rennen um die vorderen Plätze mitläuft. So ganz an der Spitze stand ich aber ein bisschen seltener als erhofft. Unzufrieden bin ich dabei aber gar nicht unbedingt wegen einer Platzierung selbst, sondern eigentlich eher wenn ich ein Rennen mit dem Gefühl beende, dass ich es nicht geschafft habe meine beste Leistung abzurufen.
Besonders mein Magen hat zum Beispiel schon oft dafür gesorgt, dass ich an einem Wettkampftag langsamer unterwegs war als in so mancher Trainingseinheit. Ich glaube schon, dass ich jemand bin der sehr konsequent trainiert und hart für seine Ziele arbeitet. In Relation zu meinem Trainingsaufwand und meiner Motivation wäre ich auf Wettkämpfen nur manchmal gern besser „belohnt“ worden. Würde mir jemand sagen, dass sich im Wettkampf immer das widerspiegelt, was man trainiert hat, dann würde ich widersprechen.

Wobei das alles schon sehr pessimistisch klingt. Ich hatte auch einige Wettkampftage an denen ich sehr zufrieden mit meiner Leistung war. Dieses Jahr war ich im Sommer zum ersten Mal länger verletzt. Trotzdem konnte ich mich unerwartet über einen Sieg beim Walser Ultra Trail freuen und hatte auch eine gute Zeit bei den 4-Trails.
Bei beiden Wettkämpfen hatte ich im Rennverlauf auch Höhen und Tiefen, am Ende habe ich aber alles geben können was zu dem jeweiligen Zeitpunkt möglich war. Ganz unabhängig von der unterschiedlichen Platzierung war ich bei beiden Rennen sehr zufrieden mit mir und meiner Leistung.

Würdest du im Nachhinein bezüglich Training und Wettkampfdichte etwas anders machen?

Lukas: Auch das ist schwer zu beantworten. Wenn der Erfolg das wichtigste wäre, würde es sicher mehr Sinn machen weniger Wettkämpfe zu laufen und sich auf die jeweiligen Wettkämpfe spezifischer vorzubereiten. Wenn ich nur danach gehen würde, wie ich langfristig gesehen den maximalen Erfolg aus meiner Karriere ziehen kann, dann müsste ich einiges anders machen.
Mit meinen 23 Jahren hätte ich mich vermutlich noch nicht mal an die Marathon-Distanz trauen dürfen, und jeder Trainer würde mir vermutlich sagen, dass ich mehr an meiner Schnelligkeit, als an meiner Ausdauer trainieren soll. Tartanbahn statt „Ultra“. Ich achte auch darauf diese Tipps anzunehmen und möglichst „sinnvoll“ zu trainieren, schließlich habe ich auch Ziele die sich nur mit dem richtigen Training und viel Ehrgeiz umsetzten lassen. Letztendlich ist der Spaß für mich aber immer noch wichtiger als der mögliche Erfolg. Ich würde im Nachhinein also nur sehr wenig anders machen, auch wenn ich weiß das gewisse Änderungen womöglich auch bessere Ergebnisse bedeutet hätten.

Laut eigener Aussage warst du mit der Saison 2019 nicht so sehr zufrieden. Warum? Woran lag es? Was planst du für 2020?

Lukas: Ich war dieses Jahr richtig motiviert, habe im Frühjahr sehr strukturiert an meiner Grundschnelligkeit gearbeitet und bin schon im Februar und März richtig gute Zeiten auf 10km und über die Halbmarathon-Distanz gelaufen. Im Urlaub/Trainingslager auf La Palma habe ich dann ordentlich Höhenmeter gesammelt und war voll fokussiert auf die großen Wettkämpfe im Sommer. Leider habe ich dann richtig Leistenprobleme bekommen. Das hat sich bis Ende Juni hingezogen und ich konnte einige Wettkämpfe nicht laufen die auf meiner To-Do Liste standen. 
Bei den 4-Trails im Juli stand ich dann ohne viel Training am Start. Wie oben bereits beschrieben konnte ich dort dann aber trotzdem gut mitlaufen, und war somit auch echt zufrieden mit meiner Leistung und glücklich darüber das die Leistenprobleme (zumindest fast) ganz weg waren.

Mit seiner Leistung unzufrieden zu sein klingt erstmal immer so negativ. Da könnte man meinen, dass man es mit einem unglücklichen Menschen zu tun. In Wahrheit sind es aber vor allem ja die (sportlichen) Erlebnisse abseits vom Wettkampfgeschehen die uns zu glücklichen Menschen machen. Meine (sehr) hohen Ansprüche an mich selbst sorgen dafür vielleicht manchmal im Wettkampf enttäuscht zu werden. Gleichzeitig sorgen sie aber auch für die notwendige Motivation immer wieder raus zu gehen, zu trainieren und dabei Momente zu erleben die jedes Wettkampfergebnis unwichtig machen. Kilian Jornet beschriebt das in seinem Buch eigentlich ganz treffend: „Es gibt Menschen, die trainieren, um Wettkämpfe zu bestreiten. Und es gibt Menschen, die Wettkämpfe bestreiten, um zu trainieren.“ Für mich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Aber Wettkampferfolge hin oder her, ich bin ein Mensch mit einem sehr zufriedenen und erfüllten Leben. Vor allem wegen all den Erlebnissen die ich durch den Sport haben durfte.

Du hast erwähnt, dass du dich ab der neuen Saison auch mal über lange Distanzen mit 100km siehst. Welche Wettkämpfe würden dich reizen? Warum der Wechsel zu den langen Kanten?

Lukas: Lang und langsam, statt kurz und schnell. Je weiter die Ziellinie entfernt ist, desto weniger der Gedanke daran jetzt unbedingt ganz schnell da sein zu müssen. Ich habe großen Respekt vor den 100km. Ich bilde mir auch nicht ein, dass ich das grundsätzlich schaffe nur weil ich bereits öfter 50-70km gelaufen bin. Mir gefällt aber die Vorstellung einfach mal zu testen wie weit mich die eigenen Beine tragen können. Dabei geht es weniger um den Wettkampfgedanken und mehr um das Abenteuer selbst. Während bei den kürzeren Distanzen ständig auf die Pace geachtet wird und das Ziel immer vor Augen ist, rückt bei den langen Dingern das Ziel auch gedanklich in weite Ferne. Schwer zu beschreiben, aber es reizt mich einfach aus so vielen unterschiedlichen Gründen diese Erfahrung zu machen. Ist vor allem mental einfach nochmal etwas ganze anderes als ein Marathon. Los laufen und nicht wissen wie lange es dauert, wann und ob man ankommt, was man dabei erlebt,…
Nicht daran denken wie viele Kilometer noch vor einem liegen sondern einfach im Moment Leben und Laufen – Eine schöne Vorstellung. Wo und wann genau ich mich mal an die 100km trauen mag, weiss ich noch nicht.

Du hast in den letzten Jahren einige beeindruckende Fotos und Videoprojekte abgeliefert. Siehst du diesen Bereich als „zweites Standbein“ in Sachen Trailrunning?

Lukas: Ich fotografiere und filme, weil es mir Spaß macht und das mache ich sogar schon relativ lange. Natürlich freue ich mich, wenn ich als Fotograf angefragt werde und dadurch für mein Hobby sogar bezahlt werde. Ist schon eine tolle Sache, wenn man für etwas bezahlt wird, was einem so viel Spaß macht, dass man es auch unentgeltlich mit Freude machen würde. Das ganze Hauptberuflich zu machen kommt und kam für mich aus mehreren Gründen nicht in Frage. Es ist ein Hobby und soll ein Hobby bleiben. Seit diesem Jahr bin ich in der Ausbildung bei der bayerischen Polizei und kann aus zeitlichen Gründen sowieso nicht mehr richtig viel als Fotograf arbeiten. Aber das ist auch okay für mich.

Hier bietet sich der Vergleich zu Salomon Teamchef / Kollege Philipp Reiter an. Ist Philipp ein Vorbild bzw. Mentor für dich?

Lukas: Philipp war auf jeden Fall mal ein Vorbild. Ich habe über einen Bekannten sogar mal ein Autogramm von ihm abgestaubt. Das ist immer noch in meiner „Erinnerungskiste“ aufbewahrt.
Inzwischen würde ich ihn aber nicht mehr als Vorbild bezeichnen. Nicht weil er sich in meinen Augen verändert hat, sondern einfach weil ich mich verändert bzw. weiter entwickelt habe. Das Fotografieren habe ich auch zu einer Zeit angefangen in der Philipp noch nicht als „Laufender-Fotograf“ oder „Fotografierender-Läufer“ bekannt war. Was das anbelangt habe ich mich also weniger von ihm beeinflussen lassen. Aber was das Laufen in der Bergen anbelangt, habe ich mich definitiv von der Vorstellung motivieren lassen, dass auch so zu machen wie er. Das erste „Trail Magazin“ das ich gelesen habe ist mir ins Auge gefallen, weil so ein junger Typ (Philipp) auf dem Cover zu sehen war.

Wie sieht dein Training in den Wintermonaten aus?

Lukas: Am Ende der Saison gönne ich mir erst einmal eine Pause, in der ich das Training voll vernachlässige und nur noch das mache, worauf ich richtig Lust habe. Ich bin dann z.B. mehr am Mountainbike als sonst, gehe öfter ins Fitnessstudio um auch was für den Oberkörper zu machen und genieße es auch einfach mal faul zu sein. Im Dezember oder spätestens im Januar steigere ich dann wieder langsam die Trainingsumfänge und gewöhne meinen Körper und auch meinen Kopf an das regelmäßige Training.

Deine Tipps für Traileinsteiger?

Lukas: Langsam steigern und auf den Körper achten. Ehrgeizig sein, aber nicht den Spaß am Laufen verlieren. Realistische Ziele setzten, dafür „arbeiten“ und sich über die eigene Leistung freuen.

Vielen Dank Lukas für dieses nette, ehrliche und äußerst sympathische Interview!