Trailrunner im Interview: Matthias Dippacher

Matthias Dippacher © Matthias Dippacher

Die Trailrunningszene – vor allem im Leistungssportbereich – ist schnellebig und die Erfolge meist von kurzer Dauer. Matthias Dippacher ist gefühlt schon immer da, läuft auf höchstem Niveau und sackt immer noch zahlreiche Siege ein. Dabei wirkt er auf dem Trail immer noch so entspannt und locker wie ein 20-jähriger, nur eben mit mehr Erfahrung. Christian Mayer bat einen der ganz Großen der deutschne Trailszene zum Interview:

Christian: Servus Matthias, Du bist ein Trailrun- Urgestein und die Liste Deiner Erfolge ist sehr lang. Dein erster gelisteter Trailrunning- Wettkampf war mit dem Ausserfern Marathon in Reutte/Tirol im Jahr 2005, bei dem Du den undankbaren 4. Platz erreicht hast (Quelle: DUV-Statistik). Wie bist Du zum Trailrunning gekommen?

Matthias: Hallo Christian, wenn ich es genau betrachte bin ich nicht zum Trailrunning gekommen, sondern das Trailrunning zu mir. Zu meinem Werdegang als Läufer – ich bin bis Ende der 90er Distanzen bis zum Marathon gelaufen und habe mich auch gut 2 Jahre im Triathlon ausgetobt. 2004 bin ich ins Allgäu gezogen und war dann einfach viel in den Bergen unterwegs, anfangs mit Bergschuhen, die ich aber bald mit Laufschuhen tauschte und meine Touren immer mehr ausdehnte. Als ich dann 2005 vom ersten TAR hörte, war mir klar, da bin ich dabei. Was damals auch ziemlich gut klappte. Ein zwei drei Jahre darauf kam dann irgendjemand darauf alles Trailrunning zu nennen…. 

Christian: Lass uns noch ein bisschen in diesen Erinnerungen schwelgen. Gerade in den ersten Jahren gab es doch kaum Sportartikelhersteller, die für diese Belastungen passende Ausrüstung parat hatten. Was ist Dir gerade in Bezug auf die Ausrüstung in guter Erinnerung geblieben und was entlockt Dir heute noch ein Schmunzeln?

Matthias: Die ersten Jahre haben große Firmen nicht an den (wirtschaftlichen) Erfolg des Trailrunnings geglaubt, was zur Folge hatte, dass der Markt recht übersichtlich war. Dies hat sich dann aber relativ schnell verändert und nun will jeder ein Stück vom Kuchen abhaben. Revolutionär waren für mich definitiv die ersten Faltstöcke, wobei ich mittlerweile meist wieder auf eine Festgröße zurückgreife. Womit ich nie etwas anfangen konnte war ganz klar die ganze Palette an Kompressionszeug, wobei das natürlich ein rein subjektives Empfinden ist.

Christian: Im Jahr 2020 schießen die Veranstaltungen wie die Pilze aus dem Boden, die namhaften Hersteller überbieten sich mit schneller, weiter und höher und auch viele Sportarten fremde Firmen entdecken diesen Markt für sich. Wenn man den direkten Vergleich zwischen heute und damals wagt, welche Innovationen waren zukunftsweisend für Dich?

Matthias: Für mich ist es schwierig eine Innovation in der Vergangenheit besonders hervorzuheben. 

Generell ist die Bekleidung leichter und funktionaler geworden. Laufrucksäcke gibt es nun in allen erdenklichen Größen und Farben von einem Duzend Hersteller. Ebenso die Fortschritte bei Sportuhren mit Puls, GPS, Navigation, usw. Zudem ist in den letzten Jahren der Aspekt „Social Media“ immer mehr in den Fokus von Veranstaltern, Sponsoren und Sportlern gerückt. Mir ging es in erster Linie immer nur darum zulaufen, am liebsten in den Bergen!

Christian: Im Rahmen der Trail World Championship durftest Du Dir 2018 im Rahmen des Penyagolosa Trails das deutsche Trikot überstreifen. War dieses Rennen eines der schönsten Erlebnisse Deiner langen Karriere, oder denkst Du auch gerne an das eine oder andere Rennen zurück? Gibt es für Dich eine Art Lieblingsrennen?

Matthias: Ein Lieblingsrennen habe ich nicht. Generell mag ich es fast immer wenn es etwas länger ist und je technischer und ausgesetzter umso besser. Eine WM ist wohl für jeden Sportler etwas Besonderes, man startet im Nationaltrikot für`s eigene Land und darf sich mit den Besten der Welt messen. Die WM 2018 war ein schönes Erlebnis und ich war mit meinem Ergebnis zufrieden, besonders da ich im Jahr davor 10 Kilometer vor dem Ziel bei einer WM ausgestiegen bin. Aber da es nicht meine erste WM war, hat sie auch keinen besonders nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Zumal schaue ich lieber nach vorne. Mein definitiv nachhaltigster und emotionalster Zieleinlauf war vor vielen Jahren beim Spartathlon. 

Christian: Mit 811 ITRA- Punkten bist Du immer noch einer der besten deutschen Trailrunner. Bist Du sehr ehrgeizig um dieses hohe Niveau halten zu können? Wie sieht eine typische Trainingswoche aus bei Dir? 

Matthias: Natürlich bin ich ehrgeizig, sonst würde ich keine Wettkämpfe laufen. Aber da die Freude und Lust sich frei in den Bergen zu bewegen überwiegt, weiß ich, dass ich sehr viel mehr zielorientierter trainieren könnte.

Die perfekte Trainingswoche ist einfach jeden Tag in die Berge zu gehen und zu laufen. Im Idealfall jeden Tag woanders und in verschiedenen Intensitäten und Längen (natürlich immer mit frischen Beinen) 

Christian:  Gemeinsam mit André Purschke hast Du den Stubaier Höhenweg (100 km Länge mit über 8.000 HM) innerhalb von 16h bewältigt und damit einen neuen Weltrekord aufgestellt. Dürfen wir zukünftig öfters FKT- Begehungen von Dir erwarten, oder war das nur eine gelungene Abwechslung zum ganz normalen Event- Wahnsinn?

Matthias: Nun ja, die Idee kam von André und er hat sich auch um die technische Seite gekümmert. Wir wussten, dass es eine bestehende Zeit gibt, die wir im Hinterkopf hatten aber letztendlich wollten wir eine schöne lange Runde laufen und die war es auch und es hat uns super viel Spaß gemacht und natürlich auch einiges an Schweiß gekostet.

Aber generell stelle ich es in Frage dieses ganze FKT-Zeug, da es mit Ausnahme der Zeit schwer zu vergleichen ist. Denn hier spielen sehr viel mehr Faktoren eine Rolle; wie z.B. die Witterung, der Support und die Streckenbedingungen usw.

Ich bin die letzten Jahre etliche Runden alleine gelaufen, ohne auf die Zeit besonders zu achten und es groß Publik zu machen im Lechtal, Tannheimertal, den Allgäuer Alpen, einen Höhenweg in den Dolomiten, usw.  

Christian: Im September letzten Jahres hast Du Dir den Gesamtsieg beim Pyrenees Stage Run geholt. Ähnlich wie beim Transalpine Run werden auf sieben Etappen insgesamt 240 km überwunden. Was hat Dir persönlich besser gefallen, TAR oder PSR? 

Matthias: Beim TAR war ich glaube ich achtmal am Start und beim PSR war es letztes Jahr meine Premiere. Generell hat mich der PSR an die ersten Jahre beim TAR erinnert, als alles noch ein wenig familiärer zuging. Der PSR ist auf alle Fälle technischer und hat einen höheren Trailanteil. Aber beide werden wirklich sehr profesionell durchgeführt und die Veranstalter bringen sich mit viel Engament und Leidenschaft ein. Beim PSR fällt die CO2 Bilanz der meisten Leser sicherlich höher aus.

Christian: Vielen Dank Matthias, dass Du Dir für uns Zeit genommen hast. Wir wünschen Dir alles Gute und eine erfolgreiche und vor allem verletzungsfreie 2020er Saison.

Matthias: Vielen Dank!