Lavaredo Ultra Trail 2019: Freudentaumel im Schatten der Dolomiten

Lavaredo Ultra Trail 2019

Am vergangenen Wochenende fand wieder der alljährliche „La Sportiva Lavaredo Ultratrail“ im italienischen Cortina statt. Mit seinen vier verschiedenen Distanzen, dem „Cortina Skyrace“ (20km; 1000hm; Start Do. 27.06.19; 17 Uhr); dem „Cortina Trail“ (48km; 2600hm; Start Fr. 28.06.19; 09 Uhr), dem „Ultra Dolomites“ (87km; 4600hm; Start Sa. 29.06.19; 06 Uhr) und der Königsdisziplin, dem „Lavaredo Ultra Trail“ (120km; 5800hm; Start Fr. 28.06.19; 23 Uhr) ist dieses komplette Wochenende ein Event der Extraklasse. Unsere beiden Mädls vom GORE WEAR xc-run.de Trailrunning Team Sabine Wurmsam (Cortina Trail) und Basilia Förtster (Lavaredo Ultra Trail) waren an diesem Wochenende live dabei. Hier lest ihr wie es Sabine beim CT ergangen hat und was sie an diesem Wochenende so alles erlebt hat.

 

Das ultimative Weihnachtsgeschenk

Bereits im Dezember 2018 fand die „Vorregistrierung“ für den Cortina Trail 2019 statt. Pünktlich zur Stunde der Vorregistrierungseröffnung saßen mein guter Freund und Laufkollege Träger Tom und ich vor dem PC und schickten unsere Daten nach Italien. Nun hieß es warten, Daumen drücken und hoffen, dass wir beide einen Startplatz ergattern konnten. Auf die 1700 freien Startplätze „bewarben“ sich viele tausend Laufbegeisterte aus aller Welt. Das hieß für uns, dass es nicht sicher war, ob wir überhaupt einen Startplatz bekommen würden. Da wir aber seit Monaten darüber sprachen, dass wir uuuuuuunbedingt an diesem Lauf teilnehmen wollen, musste dies klappen. Und dann, pünktlich am 24.12.18 morgens bekam ich von Tom eine Nachricht „Schau in dein E-Mail Postfach, ich habe soeben die Nachricht bekommen, dass ich einen Startplatz habe“….. und tatsächlich, auch ich hatte die Nachricht, dass ich dabei bin. YESSSSS, wir fahren nach Cortina!!!! Dies war für uns beide an diesem Tag das schönste Weihnachtsgeschenk.


 

Schockverliebt in die Dolomiten

Ein gutes halbes Jahr später war es dann soweit. Am 27.06.19, dem Vortag des CT brachen Tom und ich um 7 Uhr morgens auf nach Cortina. Die Vorfreude wurde immer größer, als wir bereits vom Auto aus die gewaltigen Dolomiten um uns herum bewundern konnten. Nach ca. 6,5 Std. Fahrzeit waren wir dann endlich dort. – Cortina, ein wunderschönes kleines italienisches Städtchen inmitten der Dolomiten – sofort hatte ich mich verliebt! Nachdem wir unser gemütliches Quartier bezogen hatten, machten wir uns auf um unsere Startunterlagen abzuholen und gemütlich durch die Expo zu schlendern, welche in der Eishalle stattfand, was bei diesen heißen Temperaturen eine willkommene Abkühlung war. Diese bestand zum größten Teil aus Ständen, wo für sämtliche Trailrunningevents geworben wurde. Wir waren wirklich sehr erstaunt, wo überall auf der Welt mittlerweile solche Läufe ausgetragen werden. Noch ein paar kostenlose Werbegeschenke abgestaubt und an den Ständen die zahlreichen kleinen Snacks probiert – hier sind die Italiener wirklich sehr großzügig – machten wir uns auf in die Fußgängerzone von Cortina, wo sich der Start-Zielbereich befand, um uns den Start des 20km Skyrace anzuschauen. Schnell merkten wir, Stimmungsmäßig macht den Italienern keiner so schnell etwas nach… Um es kurz auszudrücken, die Stimmung war bombenmäßig! Zahlreiche Zuschauer hatten sich eingefunden und bejubelten die Läufer, Musik spielte, die beiden Moderatoren heizten so richtig ein. Um 17 Uhr wurden dann die Läufer des Skyrace bei über 35 Grad auf die Strecke geschickt. Nach diesem Spektakel freuten wir uns noch mehr auf unser Rennen und die Stimmung am nächsten Morgen – wobei ich ziemliche Bedenken hatte wegen der extremen Hitze…. Auch für den nächsten Tag wurden wieder Temperaturen um die 35 Grad angekündigt und jeder der mich kennt weiß, dass ich es so richtig hasse, bei solch extrem heißen Temperaturen zu laufen. „Das kann ja heiter werden…“ Nichts desto trotz freuten wir uns auf unser Rennen und das Abenteuer, welches uns bevor stand. Zurück in der Unterkunft wurde noch schnell „das Rucksackl zambagglt“ und dann ließen wir den Tag mit einem gemütlichen Bierchen auf unserer Terrasse ausklingen.

 

Endlich – Raceday

Nach dem Frühstück begaben wir uns in den Start-Zielbereich, wo um 08:30 Uhr das Briefing stattfand. Da ich – für mich überraschenderweise – auf der Liste der „Top runners“ stand und somit auch eine andere Startnummer bekam als die anderen Läufer, hatte ich die Ehre, mich zusammen mit den anderen „Top runners“ vor allen anderen in der Startaufstellung einzureihen. Ich stand ganz vorne an der Startlinie, neben mir die Amerikanerin Hillary Allen, Siegerin vom letzten Jahr und Favoritin auch in diesem Jahr…. „Mal sehen was der Tag so alles bringt“ dachte ich. Kurz vor 9 Uhr, die Moderatoren heizten die Stimmung wieder gewaltig an, die Zuschauer jubelten, aus den Lautsprechern schallte (passenderweise? ? ) der ACDC-Song „Hells bells“ und ich bekam Gänsehaut….. „TRE – DUE – UNO“ der Startschuss fiel und 1700 Trailrunner aus aller Welt setzten sich in Bewegung. Die ersten Kilometer führten uns über Asphalt aus Cortina hinaus. Gleich zu Beginn des Rennens überholten mich einige Mädls, welche ich aber nach kurzer Zeit wieder einholen konnte. Bereits um diese frühe Uhrzeit stach die Sonne schon so richtig vom Himmel und mir wurde klar, dass dieses Rennen echt hart werden würde. Was mir sehr zu denken gab war, dass die 1. Verpflegungsstation erst bei km 23 auf uns wartete und ich wirklich etwas Angst hatte, dass mir bis dahin meine Wasserreserven nicht reichen würden. Egal, jetzt hieß es erst mal den ersten Anstieg zu meistern, welcher uns zum „Lago Ghedina“ führte. Meine Beine fühlten sich locker an und ich konnte bei diesem Anstieg nochmal ein paar Mädls hinter mir lassen. Kurz darauf kam ich an einem älteren Herren vorbei, welcher mir andeutete, dass ich die 3. Frau sei. Voll motiviert lief ich weiter und die nächsten km führten uns durch ausgetrocknete Flussbetten, wo immer noch zahlreiche glasklare Bäche von Schmelzwasser flossen, die wir durchqueren mussten. Ich war so dankbar für dieses klare Wasser, denn hier konnte ich meine Flaschen mit eiskaltem Wasser auffüllen und meine Bedenken, es nicht bis zur 1. Verpflegung zu schaffen hatten sich damit erledigt. Immer weiter ging es bergauf bis zum „Forc. Col die Bos“ auf ca. 2300m. 800hm auf ca. 9km hatten es bei diesen Temperaturen wirklich in sich. Oberhalb der Baumgrenze sind die Möglichkeiten für etwas Schatten leider ziemlich begrenzt. Nichts desto trotz erfreute ich mich an der atemberaubenden Landschaft und konnte es mal wieder kaum glauben, wo ich in diesem Moment herumlief. Oben angekommen war ich einfach nur fasziniert; diese Berge, riesige Kolosse aus Stein, einfach unglaublich und wunderschön! Ab hier ging es noch ca. 4km etwas bergauf und bergab und schon war ich bei der 1. Verpflegung am „Rifugio Col Gallina“. Was mich hier erwartete, mit dem hätte ich wirklich nicht gerechnet…. Hunderte von Menschen hatten sich hier eingefunden, um die Läufer zu empfangen und anzufeuern. Die Stimmung hier war einfach nur der Hammer und immer wieder hörte ich Menschen meinen Namen rufen; „GO GO GO, Sabine 3rd Lady“. Gepusht von den lautstarken Anfeuerungsrufen lief ich weiter. Der nächste sehr steile Anstieg zum höchsten Punkt, dem „Rifugio Averau“ auf 2420m stand bevor. Nun knallte die Sonne so richtig auf uns herunter und ich verfluchte innerlich den Wettergott für diese Temperaturen. Als ich jedoch dort oben ankam, waren die Hitze und alles andere um mich herum vergessen. Atemberaubend schön war es hier oben und ich konnte mich gar nicht satt sehen an dem, was die Natur hier erschaffen hatte. Ich hätte mal wieder heulen können, so freute ich mich darüber, genau in diesem Moment hier sein zu dürfen. Mit diesem Glücksgefühl rannte ich die nächsten km weiter bis zur 2. Verpflegungsstelle am „Passo Giao“ bei km 31. Kurz die Flaschen aufgefüllt und schon ging es weiter über ziemlich felsiges Gelände hinauf zum „Forc. Giau“. Die Strecke führte uns ziemlich oft über loses Geröll, wo man wirklich bei jedem Schritt aufpassen musste, um auf den rollenden Steinen nicht auszurutschen. „Jetzt geht’s die nächsten 2km nur noch bergab bis zur letzten Verpflegung am „Rifugio Croda da Lago“ dachte ich.

 

Sturzpech und Freudentaumel

Doch plötzlich…….Sturz….. Auf den losen Geröllsteinen war ich ins Rutschen gekommen und konnte mich nicht mehr fangen. Ich lag auf dem Boden und sofort fingen beide Hände und das linke Knie an zu bluten. SHIT!!! Doch zum Glück hatte ich mir nicht ernsthaft weh getan und konnte sofort wieder aufstehen. Von weitem konnte ich auch schon die letzte Verpflegungsstation sehen, wo ich meine blutenden Hände etwas abwaschen konnte. Die Helfer dort waren wirklich sehr lieb und besorgt um mich und wollten mich verarzten, doch ich winkte dankend ab und lief weiter. Meine Hände brannten, aber ich sah nur mehr die letzten 10km und das Ziel vor meinen Augen. Konnte ich es wirklich schaffen, bei einem solchen großen internationalen Rennen mit so starker Konkurrenz als 3. Frau ins Ziel zu laufen??? Die Strecke führte uns nun einige km auf Waldwegen ziemlich steil bergab und je weiter wir Richtung Tal runter kamen, umso heißer wurden die Temperaturen. Die letzten Kilometer ins Dorf mussten wir auf Asphalt zurücklegen, was bei dieser Hitze so ziemlich das Schlimmste ist. Einige Anwohner waren so lieb und hatten neben der Straße eine Gartendusche aufgestellt, durch die wir hindurchlaufen konnten. Eine willkommene Abkühlung, für die ich in diesem Moment extrem dankbar war. Es war nicht mehr weit, doch die letzen Meter zogen sich wie Kaugummi. Von weitem konnte ich den Kirchturm von Cortina sehen und das Ziel, welches sich genau dort befand, war nun in greifbarer Nähe. Ich bog in die Fußgängerzone ein und war von Neuem überwältigt. Es waren wieder so viele Menschen gekommen, um die Läufer auf ihren letzten Metern ins Ziel anzufeuern. Nun konnte ich die Moderatoren hören, welche mich als 3. Frau ankündigten und so lief ich überglücklich und mit Freudentränen in den Augen über die Ziellinie. Als auch Tom einige Zeit später die Ziellinie überquerte war der Tag perfekt. Wir hatten es beide geschafft und waren gesund und mehr oder weniger ohne größere Blessuren ins Ziel gekommen.
Ich ziehe meinen Hut vor jedem einzelnen Läufer, der dieses Rennen, unter diesen extremen Umständen, geschafft hat; wir sind alle Sieger!!!

 

Mein persönliches Fazit:

Zu diesem Event und damit meine ich nicht nur den Cortina Trail, sondern die komplette Veranstaltung übers Wochenende, kann ich nur sagen „GRANDIOSO!!!“ Organisation: Perfekt, Stimmung; Hammermäßig; Strecke/Landschaft: So wunderschön, mit Worten kaum zu beschreiben. Diese Veranstaltung muss man einfach miterlebt haben und ich bin so dankbar dafür, dass ich dabei sein durfte! An dieser Stelle möchte ich mich noch ganz herzlich bei Tom bedanken, mit dem ich an diesem Wochenende so viele wundschöne und unglaubliche Dinge erleben durfte. „DANKE Tom, ohne di wads nur hoib so schee gwen!“ 

Und noch ein persönliches Anliegen

Lieber Wettergott, ich möchte mich wirklich nicht beschweren und ich danke Dir für das grandiose Wetter und die vielen Sonnenstunden, die Du uns an diesem Wochenende geschenkt hast. Jedoch wünsche ich mir für meinen nächsten Lauf Temperaturen im humaneren Bereich, wo ich nicht kurz vor dem Hitzetod stehe. Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du meinen Wunsch beim nächsten Mal beherzigen würdest. Sportliche Grüße nach oben; Deine Bine

 

Hier gehts zu der Bildergalerie des Lavaredo Ultra Trail, mit Bildern von mir, Basilia und natürlich von Sportograf!