Ein Triumph in 66 Stunden, 8 Minuten und 22 Sekunden
Victor Richard ist der neue „König der Giganten“. Mit einer Zeit von 66 Stunden, 08 Minuten und 22 Sekunden setzte der 39-jährige Franzose beim TOR330 – Tor des Géants eine neue Bestmarke. Seine Leistung war geprägt von taktischer Klugheit, Durchhaltevermögen und dem unbedingten Willen, das Ziel in Courmayeur als Erster zu erreichen.
Taktik: Geduld vor dem Angriff
Richards Lauf begann zurückhaltend. Die ersten 50 Kilometer absolvierte er kontrolliert, ließ andere Läufer das Tempo bestimmen und wartete ab. Den entscheidenden Vorstoß setzte er an den schwierigsten Pässen – Entrelor und Loson. Bereits in Cogne lag er vorne und sogar über eine Stunde vor dem Rekordtempo von Franco Collé aus dem Jahr 2023. Doch anstatt durchzuziehen, überraschte Richard mit einer Schlafpause von über einer Stunde. Zwischenzeitlich fiel er dadurch auf Rang sechs zurück – ein kalkuliertes Risiko, das sich später auszahlte.
Vom Rückstand zum Alleingang
Erholt und gestärkt startete Richard sein Comeback. Schritt für Schritt überholte er seine Konkurrenten, während Collé aufgrund von Augenproblemen aussteigen musste. Spätestens am Lago Chiaro war Richard endgültig an der Spitze. Fortan wurde der Wettkampf ein einsames Rennen gegen die Uhr. Sein Vorsprung auf die bisherige Bestzeit wuchs zeitweise auf über 90 Minuten.
Kampf gegen Schmerzen und Müdigkeit
Die Belastung forderte ihren Tribut: Starke Schmerzen an der Achillessehne machten Richard zu schaffen. In Ollomont musste er behandelt werden, konnte aber anschließend weiterlaufen. Auf den letzten Kilometern plagte ihn die Müdigkeit so sehr, dass er zwischen den Hütten Bonatti und Bertone kurz einschlief. Dennoch erreichte er das Ziel – erschöpft, aber siegreich.
Stimmen des Siegers
„In der ersten Rennhälfte konnte ich kaum essen, das war ein echtes Problem. Erst später, nach einer Portion Polenta im Rifugio Coda, fühlte ich mich besser – ab da begann mein Rennen“, erklärte Richard im Ziel. Über seinen Sieg und die neue Bestzeit freute er sich, zeigte sich aber selbstkritisch: „Ich glaube, man kann die Zeit noch auf 62 Stunden drücken – und vielleicht sogar unter 60 Stunden.“
Die Verfolger im Männerfeld
Hinter Richard sicherten sich Simone Corsini und Martin Perrier den geteilten zweiten Platz. Beide liefen die letzten Kilometer gemeinsam und erreichten das Ziel nach 71 Stunden, 48 Minuten und 55 Sekunden – eine persönliche Bestleistung für beide Athleten.
Noor Van Der Veen ist die neue Königin des TOR330
Siegzeit von 79 Stunden, 34 Minuten und 30 Sekunden
Bei den Damen setzte sich die Niederländerin Noor Van Der Veen durch. Mit einer beeindruckenden Zeit von 79 Stunden, 34 Minuten und 30 Sekunden überquerte sie um 17:34 Uhr die Ziellinie am Jardin de l’Ange in Courmayeur. Damit blieb sie nur knapp über der Rekordzeit von Katharina Hartmuth (79h10’40’’ aus 2023).
Ein taktisch kluger Aufstieg
Van Der Veen begann das Rennen zurückhaltend, blieb lange im hinteren Feld und arbeitete sich kontinuierlich nach vorne. Während andere Athletinnen ausstiegen oder mit Krisen zu kämpfen hatten, nutzte sie ihre Reserven und übernahm zwischen Valtournenche und dem Rifugio Barmasse erstmals die Führung. Von da an baute sie ihren Vorsprung stetig aus – zeitweise auf mehr als zwei Stunden.
„Ich habe bewusst langsam begonnen, um Kräfte zu sparen. In Niel und Ollomont habe ich jeweils eine Stunde geschlafen, danach fühlte ich mich deutlich besser. Als ich Lisa Borzani einholte, wusste ich, dass ich gewinnen kann“, erklärte die 32-Jährige nach ihrem Sieg.
Überraschungscoup einer vielseitigen Athletin
Van Der Veen aus Arnhem ist im Trailrunning kein Neuling, hatte jedoch bislang nicht auf ganz großer Bühne triumphiert. Ihre bisherigen Erfolge umfassen Siege beim Arc of Attrition by UTMB (2025), beim Kaiserkrone Marathon Trail (2024) und beim Valmalenco Ultradistance Trail (2022). Zudem absolvierte sie 2024 und 2023 den UTMB mit den Rängen 19 und 30. Ein besonderer Meilenstein: Im Juli 2025 meisterte sie als erste Frau die Pyrenean Haute Route – 731 km und 45.000 Höhenmeter – in 10 Tagen, 11 Stunden und 38 Minuten.
Die Podiumsplätze der Damen
Hinter Van Der Veen liegt Natalie Taylor aktuell auf Platz zwei, gefolgt von Lisa Borzani, die allerdings den Angriff von Melissa Paganelli abwehren muss. Das Podium scheint sicher, die Reihenfolge bleibt jedoch spannend.
Starke österreichische Beteiligung: Florian Grasel in den Top Ten
Auch aus österreichischer Sicht gibt es Erfreuliches zu berichten: Florian Grasel aus Niederösterreich erreichte beim TOR330 den zehnten Platz. Der erfahrene Ultratrail-Läufer bewältigte die 335 Kilometer mit 24.000 Höhenmetern im Aostatal mit großem Einsatz.
„Ich kam mir vor, mit einem Messer bei einem Pistolenduell zu sein“, resümierte er nach dem Rennen. „Ich warf die Flinte aber doch nicht ins Korn und fahre demütig, zufrieden und auch stolz wieder nach Hause.“
Mit seiner kämpferischen Leistung platzierte sich Grasel souverän unter den besten zehn und bestätigte einmal mehr seine Klasse im internationalen Ultralauf.
Ein außergewöhnliches Kapitel in der Geschichte des TOR330
Mit dem Sieg von Victor Richard bei den Männern, dem Triumph von Noor Van Der Veen bei den Damen und der starken Platzierung von Florian Grasel erlebte der TOR330 – Tor des Géants® 2025 gleich mehrere herausragende Geschichten. Alle bewiesen, dass Geduld, kluge Taktik und eiserner Wille entscheidend sind, um bei diesem legendären Ultralauf zu bestehen.
