Alpin Team Trailrun 2023 – Laufend Gutes tun

Alpin Team Trailrun © Christian Mayer

Der Alpin Team Trail ist eine reine Wohltätigkeitsveranstaltung. Aufgrund der vielen freiwilligen Helfer, sowie der großzügigen Spenden der Sponsoren können alle Ausgaben im Vorhinein abgegolten werden. Somit können 100% aller Anmeldegebühren und Einnahmen des Events an Familien in Notsituationen gespendet werden. Christian berichtet von der Langdistanz und hatte die Gelegenheit den Chef des Organisationskomitees einpaar Fragen zu stellen:

Unerwartete Uphill- Schwäche

© Christian Wurzer (wusaonthemountain.at)

Das Atmen fällt mir zunehmend schwerer, immer langsamer werden die Schritte. Ich richte den Blick nach oben, aber die vorbeiziehenden Nebelschwaden verhindern wirkungsvoll die Sicht. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich habe ein flaues Gefühl im Magen und mein Kopf ist ähnlich schummrig wie das Wetter. Es herrscht eine unheimliche Stille am Berg. Das einzige wahrzunehmende Geräusch ist das monotone Klappern meiner Stöcke, mit deren Hilfe ich mich nach oben drücke. Höhenmeter für Höhenmeter geht es nach oben. Die beiden Läufer, mit denen ich in den Anstieg gegangen bin, vergrößern den Vorsprung und die Lücke wird immer deutlicher. Mein Kopf rebelliert, ich versuche dranzubleiben, aber der Körper versagt. Trotz der Kühle des frühen Morgens spüre ich in mir regelrechte Hitzewallungen aufsteigen. Ich verlasse den Pfad, bleibe stehen, stütze mich auf die Stöcke und atme schwer durch. In mir entbrennt ein Kampf der Gefühle. Einerseits will ich diesen Lauf nach durchwachsener Saison durchziehen, andererseits befiehlt mir vehement eine Stimme auszusteigen. Aber wie soll das funktionieren? Ich befinde mich mitten im ersten ernstzunehmenden Anstieg mit rund 1.200 HM im Geröllgelände und habe außer der markierten Wettkampfstrecke keine Möglichkeit zurück ins Tal zu kommen. Zumindest den Übergang über den höchsten Punkt des K50 mit anschließenden Downhill bis zur VP2 bei km 20 musste ich bewältigen. Ich lasse ein paar Läufer passieren und hänge in Gedanke am frühen Morgen des Wettkampftages:

Gedanken an den Start

© Manuel Keser

Nach kurzem Fußmarsch erreiche ich pünktlich zum Streckenbriefing den gut gefüllten Start- Zielbereich. Trotz des leichten Nieselregens blicke ich in lachende und freudige Gesichter, die es kaum erwarten können, in das Abenteuer ATT mit einer Länge von annähernd 52 km zu starten. Mit kräftiger Stimme begrüßt uns der OK- Chef Martin Lindinger und gibt die neuesten Infos zur Strecke. Es hat in der Nacht zwar geregnet, dies beeinträchtigt die Sicherheit auf der Strecke aber nicht, so dass auf der Originalstrecke gelaufen werden kann. Mit dem Motto der Tourismusregion „Respektiere Deine Grenzen – respect your limits“ wird uns noch einmal deutlich gemacht, dass wir neben allem Wettkampf nicht den respektvollen Umgang mit der Natur vergessen sollen. Ein sehr schönes Motto wie ich finde. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich aber noch nicht, dass dieser Spruch für mich persönlich noch eine ganz andere Bedeutung haben wird. Nach der obligatorischen Ausrüstungskontrolle geht es in den Startkanal. Trotz der frühen Stunde stehen schon viele Zuschauer und Angehörige außerhalb des abgesperrten Bereichs und fiebern gemeinsam mit uns Läufern den Start entgegen. Die Wartezeit vergeht wie im Flug und schon erklingt der Countdown. Pünktlich um sieben Uhr werden wir auf die Strecke geschickt. Als erfahrener Läufer lasse ich mich nicht von der allgemeinen Hektik des Startes anstecken und schlage an der ersten Anhöhe ein eher gemäßigtes Tempo an. Die überholenden Läufer lasse ich im Hinblick auf die lange Wettkampfdistanz an mir vorüberziehen. Spätestens beim in Kürze beginnenden Anstieg zur Werfener Hütte auf 1.967 m werde ich meine Uphillfähigkeiten wieder ausspielen und Boden gut machen können. So war der Plan, aber schon nach den ersten Metern an dieser Steigung merke ich das etwas nicht stimmt. Ich hole meine Stöcke raus und will mich im schnellen Stock-Bein-Wechsel kraftvoll nach oben schieben. Es bleibt beim Vorsatz, weil die Beine nicht das machen was der Kopf ihnen sagt. Ich kann nicht sagen, woran es liegt, es ist einfach kein Druck in den Beinen vorhanden. Ich gehe den Berg hoch, als würden mir die Beine nicht gehorchen. Unsicherheit macht sich breit und wird sich auch bis zum Ende hin nicht mehr legen.

Irgendwie geht es weiter

„Nur nicht aufgeben“ – eine Bergwachtlerin reißt mich aus meiner Gedankenwelt. Ja, ich stehe immer noch abseits der Strecke und ich weiß auch nicht, wie lange ich meinen Gedanken hinterherhing. „Ich versuche es, ist aber nicht mein Tag“ – mit diesen Worten versuche ich mühevoll der jungen Dame zu folgen. Nach einer für mich gefühlten Ewigkeit habe ich schlussendlich die Werfener Hütte erreicht. Leider bleibt mir, wie auch den anderen Läufern, eine möglicherweise motivierende Aussicht verborgen und so stolpere ich dem folgenden Downhillabschnitt entgegen. „Haste Scheiße am Fuß, dann haste Scheiße am Fuß“ – mit diesem fragwürdigen Spruch von Andi Brehme konnte ich bisher noch nichts verbinden, aber seit diesen Stunden verstehe ich den tieferen Sinn dieser Erkenntnis. Es klappt einfach überhaupt nichts! Ich bin nicht als Koryphäe des technischen Downhills bekannt, aber das was nun folgt, gleicht einem bewegungslegastenischen Drama. Ich könnte vor Verzweiflung heulen und taste mich die Steinstufen hinab. Zwei Streckenposten sehen mich mitleidsvoll an und fragen sich in diesem Moment, was dieser Kerl im Gebirge zu suchen hat. Endlich erreiche ich die Forststraße, die mich direkt zur VP2 führt. Dort steht Jakob Herrmann, der verletzungsbedingt nicht starten konnte, und feixt mit den Helfern vor Ort. Eigentlich wollte ich hier meine Aufgabe verkünden, aber die herzliche Art der Anwesenden hilft mir über meinen wunden Punkt. Vielleicht versuche ich es doch noch bis zur VP3 bei km 34 und wenn überhaupt nichts mehr funktioniert, dann werde ich sowieso aufgrund Zeitüberschreitung aus dem Rennen genommen. Ich bin total am Ende und fürchte mich dennoch vor der endgültigen Entscheidung zum DNF. Es ist noch zu früh und der Schmerz ist noch zu gering um mir das nichtbewältigen dieser Strecke einzugestehen. Ich lasse mir Zeit, trinke viel zu viel Cola und nehme noch drei Stück Wassermelone mit auf den Weg. Ich stampfe davon und gehe in den nächsten langen und schmerzvollen Anstieg. Auch das Wetter macht die trostlose Situation nicht besser und verwöhnt uns Läufer mit mehr oder weniger intensiven Grautönen. Soweit es sich erahnen lässt, laufen wir in einer abwechslungsreichen und atemberaubenden Landschaft. Nur hin und wieder hat der Wettergott Erbarmen und schenkt uns Einblicke in die schöne Bergwelt rund um Werfenweng.

Nach einem Tal kommt immer ein Berg

© Teresa Keser-Clee (ATT)

Nach einer gefühlten Ewigkeit und schier endlos wirkenden Kämpfen mit meinen Dämonen im Kopf erreiche ich die VP3. Jakob Herrmann ist auch wieder da und unterhält sich mit den Damen über das Führungstrio, das bereits in Richtung Ziel unterwegs ist. „Und, geht`s gut?“ fragt mich eine Helferin. „NEIN“ lautete meine spontane aber ehrliche Antwort. Nach einer kurzen Schrecksekunde fragt sie mich, ob ich das Rennen schon noch fortsetzen kann. Natürlich, erwidere ich mit einem leichten Grinsen. Aber wenn ich so direkt die Frage nach meinem Wohlbefinden bekomme, dann antworte ich auch ehrlich. Daraufhin konnten Jakob und die Damen auch wieder lachen. Ich dagegen nehme wieder mein heutiges Tagesmenü zu mir – sechs Becher Cola und drei Wassermelonenstücke. Und schon geht es wieder weiter. Im Kopf beginne ich nun schon zu rechnen. 33 km mit 2.700 HM in 5 Stunden bedeuten für mich, dass ich im schlechtesten Fall das ganze in höchstens 9 Stunden beenden werde. Keine Glanzleistung, aber auch kein Grund mehr aufzugeben. Das Wetter bessert sich, die Sicht wird klarer und irgendetwas hat sich auch in meinem Körper verändert. Der nun folgende Forststraßenteil mit gleichbleibender Steigung spielt mir in die Karten und von nun an kann ich sogar wieder in den Laufmodus umschalten. Ich fühle mich schon ziemlich ko, kann aber von nun an wieder Boden gut machen und andere Läufer hinter mir lassen. Die Zeit bis zur VP 4 vergeht schneller als erwartet und auch dort halte ich mich nicht mehr lange auf. Ein paar Becher Cola und schon wird das letzte Teilstück unter die Füße genommen. Trotz der kurzen Zeitspanne die seit dem Rennen vergangen ist, kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr detailliert an diese Restetappe erinnern. Ich trauere nicht den vergangenen Stunden hinterher, ich freue mich das die Beine jetzt laufen und so spule ich km für km ab. Überglücklich mit feuchten Augen laufe ich nach 7h 22 min in den Zielkanal und werde lautstark von Martin Lindinger angekündigt. Ich bin so glücklich nach diesem harten Kampf gegen meinen eigenen Körper über die Ziellinie schreiten zu können. Martin drückt mich freudig und fragt mich wie es war. „Heute war es knapp, ich stand kurz vorm DNF. Ich bin einfach nur fertig. Die Strecke war genial, aber ich konnte heute nichts machen.“ Lautet mein kurzes Resümee. Mit einem Zielbier suche ich mir einen Liegestuhl, genieße die Atmosphäre und freue mich über die wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner Haut.

5 Fragen an Martin Lindinger (Chef OK- Team)

© Teresa Keser-Clee (ATT)

Wie bist Du auf die Idee mit dem ATT gekommen? Wann wurde es mit den Planungen zur 1. Austragung konkret?

Im Verein Alpin Team Austria sammeln wir durch Bergsteigen, Klettern, Trailrunning Höhenmeter die durch unsere Vereinssponsoren in bare Münze umgewandelt wird. So helfen wir schnell und unbürokratisch Menschen mit Schicksalsschlägen. Leider ist unsere Spendenliste sehr lange und wir müssen immer wieder streng priorisieren. Daher haben wir uns gedacht, dass wir einen Event machen könnten, um so den Spendentopf noch aufzufrischen. Es war von Beginn an klar, das es ein Trailrunning Event sein muss, bei dem wir zu 100% spenden möchten. Die Planungen starteten im Jahr 2020. Sehr lange haben wir uns mit dem richtigen Ort und den passenden Strecken befasst, bis wir im Jahr 2022 dann zum TVB und der Gemeinde Werfenweng damit gegangen sind. Dann ging alles Schlag auf Schlag und bereits 6 Monate später starteten wir mit der Erstaustragung.

Bei Euch steht der soziale Zweck im Vordergrund. Es werden nahezu alle Einnahmen für einen guten Zweck gespendet. Gibt es dazu einen speziellen Aufhänger?


Nahezu stimmt nicht ganz. Zu 100% trifft es auf den Punkt. Wie schon erwähnt haben wir alles, was wir brauchen. Uns und unseren Familien geht es gut und wir sind alle gesund. Mehr benötigen wir im Alpin Team Austria nicht um glücklich zu sein. Ich selbst erlitt im Jahr 2014 einen sehr schweren gesundheitlichen Schicksalsschlag. Ich musste ich mich damals einer OP an der Wirbelsäule unterziehen und anschließend das Gehen wieder neu erlenen. Neben unzähligen Kosten und fehlendem Verdienst nach einem Jahr Krankenstand, war es um mein Bankkonto auch nicht mehr gut bestimmt. Meine Eltern haben mich damals vor den absoluten Ruin gerettet. Ich habe mir so oft die Frage gestellt, wie andere das alles finanziell machen, die keine Familie im Hintergrund haben. Ich bzw. wir im Verein wollen nicht nur zusehen – wir handeln.

Leider hat uns dieses Jahr der Nebel die schöne Aufsicht auf die Strecke etwas genommen. Ich konnte mir aber am Tag zuvor bereits einen schönen Rundblick vom Bischling aus verschaffen. Wer steckt hinter dieser Streckenführung? Gab es seitens der Grundstücksbesitzer viele Vorbehalte?


Der Nebel war Fluch und Segen zugleich. Natürlich hätte ich euch als OK eine großartige Aussicht gewünscht. Jedoch war es sicherlich angenehmer zu laufen als in der Hitze die Tage zuvor. Die Streckenführungen K23 und K50 sind so gewählt, dass die Strecken jeder schaffen kann. Wir beginnen immer mit technischen und schweren Streckenabschnitten und am zum Ende hin lassen wir es laufen. So ist ein Finish für alle Athletinnen und Athleten möglich. Die Strecken wurden unzählige Male von unseren Streckenchefs Max, Sylvia und mir gelaufen. Immer mit einem Gedanken: Es muss knallen. Der Bereich der Griesscharte mit der Querung zu Werfener Hütte ist das absolute Highlight der K50 Strecke. Dann die Koreinhöhe, Frommerkogel mit den ultimativen Blick Richtung Dachstein. Leider haben wir das aufgrund des Nebels nicht präsentieren können, aber vielleicht ein anderes Mal. Bei der Erstaustragung sind wir auf viel Gegenwind gestoßen, da sich viele Grundbesitzer nichts vorstellen konnten. Dieses Jahr hatten wir aber genau das Gegenteil. Der Tourismusverband Werfenweng hat alle informiert und diese waren Feuer und Flamme und fieberte gespannt mit. Nahezu perfekt aus meiner Sicht.

Bei der Siegerehrung hast Du Dein Kernteam von 10 Personen vorgestellt. Für uns Außenstehende ist es immer schwer abzuschätzen, wie viel Aufwand hinter der Realisierung eines Events steckt. Kannst Du ungefähr nachvollziehen wie viele Stunden Arbeit beginnend bei der Vorplanung bis hin zum Ab- und Rückbau stecken?

Ohne meinen OK-Team, Mitglieder des Vereins, freiwillige Helfer*innen, der Bergrettung, Polizei usw. würde das nicht gehen. Hier ist absolut jede*r zu 100% dabei. Vielen Dank auch an dieser Stelle nochmals. Die Planungen laufen eigentlich ein ganzes Jahr non-Stop. Ich möchte die vielen Stunden gar nicht zählen, da es wirklich unendlich viele sind. Wir hatten 11 OK-Sitzungen die mindestens immer 5 Stunden andauerten. Unzählige Excel Listen und Ablaufpläne. Wenn ich einen Richtwert abgeben müsste zu der Stundenanzahl von der ersten Planung 2023 bis zum Abbau, dann würde ich 400-500 Stunden im Team schätzen. Wir haben mit 10 Personen mit dem Aufbau eine Woche vor dem Event begonnen . Unser Markierungsteam hat uns heuer alle überrascht: 75 KM-Strecke in 2 Tagen und die Markierungsarbeiten waren fertig. Der ATT 2023 wird sicherlich noch 3 Wochen nach dem Event andauern, bis alles erledigt ist.

Der ATT 2022 sollte laut Info auf Eurer Homepage eine einmalige Sache werden, dann kam der große Zuspruch und der Wunsch nach einer Wiederholung des Events. Geht es 2024 in die dritte Runde? Sind Neuerungen für das nächste Jahr geplant?


2022 haben wir uns geschworen, dass wir es bei einer einmaligen Sache bleiben. Dann kam der Anruf 2 Wochen nach dem Event von unseren Infra Chef Mike und er sagte: Lindi, mir ist langweilig. Ich sitze den ganzen Samstag zuhause auf dem Sofa. Können wir nicht wieder aufbauen? Nach ein paar Telefonaten und diesen Zuspruch vom 2022 war es klar: 2023 muss es wieder einen ATT geben. Mit solchem Feedback haben wir nie im Leben gerechnet. Auch heuer 2023 haben wir gezeigt, was möglich ist. Die VA kostet 30.000€, die wir dank unseren Sponsoren vorzeitig abzahlen konnten und ja, wir spenden alle Anmeldungen. Klar ist es viel Arbeit, ein Event mit solch einer Summe zu spenden. Aber es ist möglich und ich würde mir wünschen, dass es so etwas öfters geben würde. Ich bin mir sicher, dass sich jetzt viele Leute denken: Was ist mit 2024? Wir halten es uns immer offen, da ich 120 Personen benötige. Daher kann ich nur sagen: Seid gespannt!

Vielen Dank Martin, dass Du uns noch die Zeit für dieses kurze Interview geschenkt hast. Ich werde diesen Event definitiv in sehr guter Erinnerung behalten. Beginnend mit der freundlichen Aufnahme bei der Startnummernabholung über die vielen netten Helfer an der Strecke, die mich über die gesamte Distanz hinweggeholfen haben bis hin zu dieser super Atmosphäre am Veranstaltungstag und der kurzweiligen Siegerehrung am Abend. Ein besonderes Lob verdient die überragende Streckenmarkierung. Ich bin ein Experte im Verlaufen. Dies war aber beim ATT nicht möglich und selbst im dichten Nebel konnte man die nächste Markierung immer schon erkennen.