3 Tage Trailrunning Festival mitten im österreichischen Bergherbst. Ein Panorama voll schönster Rotbrauntöne und verlockenden Gipfeln – warum zum Teufel baller ich also mit einer 3:40er-Pace durch die Salzburger Altstadt? Das trailigste beim Auftakt-Nachtlauf sind Kopfsteinpflaster, schlendernde Menschen, Autos die enge Gassen zuparken und diverses zu überholendes Liferando-Personal.
Ein Trailrunning Fest in Salzburg?
Nicht gerade das, was man sich unter einem Trailrunning Festival vorstellt? Richtig und falsch, denn die 3 Tage in der Mozartstadt – und ja: es gibt Mozartkugeln in der Zielverpflegung – sind eben kein 4 Trails oder ähnliches Format, sondern ein spannender Mix unterschiedlicher Strecken und Anforderungen. 2021 findet es zum 10. Mal statt und gönnt sich mit dem Trailmarathon zum 1. Mal einen 3er-Cup, der die Hauptläufe in einer Gesamtwertung vereint: Nightrun am Freitag (5,5km / 80hm), Festungstrail am Samstag (13km / 480hm) und Gaisbergtrail am Sonntag (24km / 1.300hm). Und was für ein Fest das gemeinsam ergibt!
Nightrun: Mit Stirnlampen durch die Stadt
Der Freitagabend ist erwartungsgemäß schnell und ein ungewohnter Einstieg ins Trailrunning Wochenende – denn es ist ein reiner Straßenlauf. Durch die pittoreske Altstadt, an die Salzach, über eine der vielen Brücke, am anderen Ufer zurück und wieder hoch zum Kapitelplatz. Hier starten Hobbyläufer, Sprinterinnen, ein paar Kids und eben die fast 100 für den Trailmarathon Angemeldeten. Ich merke, dass ich es echt nicht mehr gewohnt bin, kurze Strecken auf Asphalt ballern.
Festungstrail: Einladung zum Auspowern
Der nächste Lauf ist ein klassischer Urban Trail. Vom Dreh- und Angelpunkt Kapitelplatz geht es hoch auf den Mönchsberg. Es wird ein bisschen trailig, gibt wunderbare Ausblicke auf die Stadt, lenkt rüber in Richtung Festung und geht wieder runter. Weil das so schön war: gleich nochmal. Plus finalem Aufstieg in die Festung als krönendem Abschluss. Start am Nachmittag und bestes Wetter sorgen für ideale Bedingungen – zeigt her, was ihr könnt! Die Strecke ist zu kurz, um die vielen Steigungen zu gehen, aber zu steil, um einfach durchzukrachen. Also voller Invest von Anfang an, der Puls wird zum Hochdruckkessel. Voll geil! Immer wieder raunen Passanten sowas wie „verrückt – total verrückt“, wenn sie bergauf zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt überholt werden. Und überhaupt: Der Zieleinlauf in die Festung ist zwar bitterlich steil, aber die Atmosphäre ist grandios.
Auf dem Weg runter frage ich mich, wie schlau dieser Invest war. Das Herzstück der Veranstaltung kommt ja morgen erst noch. Aber die Antwort ist letztlich brutal einfach: War geil, also war es richtig.
Gaisbergtrail: Steil hoch, technisch runter
Entsprechend ruhiger gehe ich den Gaisbergtrail am Sonntagmorgen an, versuche es taktisch zu halten. Es ist kalt, kaum über 0 Grad, aber das ist schnell vergessen beim engen Aufstieg auf den Kapuzinerberg, vorbei an der alten Stadtmauer. Nach diesen ersten 5 Kilometern geht es in die umliegende Landschaft. Endlich Trails wie man sie kennt und liebt. Steil, Natur, Wurzeln, Ausblicke – ein schon im Anstieg komplett anderes Anforderungsprofil für die Laufenden. Vor mir landet der erste Läufer auch bald im Busch, hinter mir kracht es auch mal. Aber nichts passiert, kann weitergehen. Immer wieder geht es kurze Stücke steil bergauf, nach VP1 stellt sich Bodenfrost ein, aber oben auf dem Gaisberg scheint die Sonne. Was schön! Eine kurze Stärkung und einen picture perfect Blick auf den Kapuzinerberg. Schön ist er, aber doch auch ein ziemlich kleines Zipfelchen von hier betrachtet.
Aber der Gedanke wird mit den nächsten Metern zur Seite geschoben. Es ist Zeit für das Highlight der Route: der Downhill. Steil, eng, technisch, laubbedeckt – einfach großartig. Von hinten kommt seit dem Anstieg niemand mehr an mich herangeschnauft, jetzt hole ich zu längst verloren geglaubten Gruppen auf. Als es nach fast 900 Höhenmetern hinunter leider schon wieder vorbei ist, brennen zwar die Beine aber es hüpft das Herz. Jetzt stehen nur noch rund 6km flache Strecke an. Rein nach Salzburg, durch Wohngebiete, die zielsetzende Festung schon lange im Blick. Keulen und Kopfstärke – oder einfach Sturheit – bringen nochmal ein paar Plätze. Und als wir endlich wieder auf vom Festungstrail bekannten Terrain sind, kommt das letzte Bonbon: Der Kapitelplatz liegt wenige hundert Meter vor uns. Einfach geradeaus. Aber der Track geht nochmal hoch. Natürlich. Ein letzter kleiner Anstieg. Und noch einer. Sonst kann man ja nicht runterlaufen. „Zieh los – ich kann nicht mehr,“ feuert ein Läufer beim Anstieg an. Wir sehen uns wenig später im Ziel. Kaputt aber glücklich.
Was für ein Fest zum 10. Geburtstag des Salzburger Trailrunning Festival. Der Trailmarathon bleibt hoffentlich fester Bestandteil, denn gerade dieses abwechslungsreiche 3er-Paket macht die Anreise attraktiv, wenn man halt nicht aus dem Umkreis kommt und kurz mal reinfährt. Dass man ganz nebenher noch mit unfassbar starken Läuferinnen und Läufern am Start steht, macht nicht nur zusätzlich Laune, sondern unterstreicht auch, welchen Ruf sich das Event erarbeitet hat.
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Weitere Infos
Die 11. Ausgabe ist schon in Planung und die Anmeldung startet im Dezember. Neben den 3 getesteten Läufen wird es auch wieder die kürzeren Etappen, die Kinderrennen, die Team-Wertung und dergleichen mehr geben. Für Alpinpuristen ist das alles vielleicht nur bedingt attraktiv – oder gerade wegen der Diversität eine verlockende Alternative. Für mich ist es klar Zweiteres.
Home: www.trailrunning-festival.at
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Tobias Gerber