Ultratrail Fränkische Schweiz 2023: Alles, aber nicht gemütlich - xc-run.de Trailrunning

Ultratrail Fränkische Schweiz 2023: Alles, aber nicht gemütlich

Ultratrail Fränkische Schweiz (UTFS) 2023 © Gerhard Illig

„Selten so gelitten – aber geil war es!“ Nach dem 2. Ultratrail Fränkische Schweiz sind sich fast alle einig: das war ein brutales Brett. Hart zu laufen, aber großartig organisiert und darüber hinaus auch noch ein schönes Familientreffen am Anfang der Saison. Nach dem Debüt 2022 hatte der UTFS einen so guten Ruf, dass die Messlatte für 2023 extrem hoch war. Aber der UTFS hat geliefert und spielt ab jetzt im Kreis der etablierten Mittelgebirgsrennen mit.

Willkommen im Mittelgebirgs-Bootcamp

Die Fränkische Schweiz – auch gerne die Frängische genannt – ist pittoresk. Viele Hügel, viel Wald, Felsen, Höhlen, Wanderwege. Dazu herzliche Menschen und gutes Essen. Was will man mehr von einer Urlaubsregion? Klingt das jetzt allzu gemütlich? Für die meisten Gäste ist es das auch. Für uns nicht. Um 7:00 geht der Startschuss für den 66 Kilometer langen und 2.700 Höhenmeter absolvierenden Ultratrail Fränkische Schweiz. Ade Gemütlichkeit, adios entspannt Wandern und Schlemmen – willkommen im Mittelgebirgs-Bootcamp. Die 2.700 Höhenmeter bewegen sich konstant zwischen 300 und 550 Metern Höhe. Es gibt keine langen Anstiege, sondern nur konstantes Auf und Ab. Und zum ersten Mal im Jahr Frühlingstemperaturen und konstant Sonne. Eine Kombination, die viel abverlangt und so manchen Stecker zieht.

Ultratrail Fränkische Schweiz (UTFS) 2023 © Sportograf

Die ersten, flachen 3,5 Kilometern sind schnell. Wir finden unsere Plätze, ich fühle mich gut, die Luft ist noch kühl. Zehn Minuten lang sehe ich XC-RUN.de Team Kapitän Markus noch, dann ist er zu weit vorne weg. Obwohl wir die ersten Anstiege kollektiv rauf joggen, halte ich mich defensiv und lasse mich – unter mentalen Schmerzen – immer mal wieder überholen. Der Hammer wird bei dieser Hochruntertour schon noch kommen… Und wenn er bei mir vorbeischaut, soll er den Finger kriegen und weiterziehen. Soweit der Plan.

Nach 22 Kilometern kommen zwei Berliner Kollegen vorbei. „Drittel geschafft!“ Zugegeben: ein mäßiger Aufmunterungsversuch, denn die Beine sind schon schwer. „Ich fühle mich wie mindestens zwei Drittel…,“ meint einer der beiden, bevor wir schweigend weiter den nächsten kleinen Anstieg hoch ziehen. Bisher ist es die wellige Topografie zwar anstrengend zu laufen, aber der Weg ist easy. Fast schon zu einfach und zu laufbar. Immerhin: So kann man etwas mehr auf die wunderschöne Landschaft schauen und sich auf die nächste VP freuen, die rund alle 10 Kilometer kommen. Im warmen Sonnenschein werden wir überall begrüßt, als hätten wir das Rennen schon längst absolviert und eigentlich sogar gewonnen. Alle werden reinapplaudiert und umsorgt – die haben mal richtig gute Laune hier.

Der Hammer kommt erst noch

So hübsch und gutgelaunt und sonnig und anstrengend das alles ist – woher kommt nun der exorbitant gute Ruf nach nur einer Ausgabe? Die Antwort auf die ketzerische Frage ist einfach: Vom zweiten Teil des Tracks. Die einfachen Trails werden plötzlich schmal, verwurzelt, steinig. Jetzt wo die Beine ausgelaugt sind und immer mal wieder ein Krampf in die Wade zwicken will, muss man aufpassen. Füße hoch, saubere Trittarbeit, nur nicht vom grandiosen Panorama mit seinen Höhlen und Burgen ablenken lassen. Es geht durch schmale Klammwege, Bäume liegen quer und ab ca. Kilometer 50 teilen wir uns den Weg mit dem Speedtrail, der auch 33 Kilometer und über 1.300 Höhenmeter auf die Uhr bringt. Als ich an die Kreuzung vom Speedtrail komme, biegen gerade die beiden Frontläufer ein. Kaum auf unserer Strecke, geht es gemeinsam steil den Berg hoch. Nach 50 Kilometern und mental ausgelaugt dropt meine Bergauf-Pace sofort ins stockgestützte Unimog-Tempo. Die beiden 30er hingegen tippeln den Berg hoch als wäre es das zweigeschossige Treppenhaus im Getränkemarkt, in dem das Bier halt dummerweise oben gelagert wird. Wahnsinn.

Ultratrail Fränkische Schweiz (UTFS) 2023 © Gerhard Illig

Falls der Hammermannn in meiner Nähe gewesen sein sollte, hat er wirklich den Finger gekriegt. Wenn auch mehr aus Trotz als sonstwas. Ich laufe zwar stoisch weiter, hänge aber schon seit 10 Kilometern in den Seilen. Zähe Kiste. Immerhin geht es allen anderen genauso. Ich bewege mich weiterhin im vorderen Viertel der Gestarteten und setze mir mentale Meilensteine: Wie weit bis zur nächsten VP? Wie weit, bis es nur noch ein Halbmarathon ist? Wie weit bis zur 50er-Kreuzung? Ab und zu laufe ich an Wandernden vorbei, die applaudieren und Erfolg wünschen. Hochgefühl und Erschöpfung sind heute sehr nah zusammen – bis die Kilometer endlich merklich zusammenschmelzen.

Nächstes Ziel: VP6. Danach sind es nur noch 8 Kilometer, von denen die letzten knapp 3 wieder flach sein werden. 5 Kilometer vor dem Ende tippeln wir erneut der Berg hoch und laufen wieder runter. Der Läufer hinter mir stellt die fast schon unsinnige Frage: „War das jetzt der letzte Anstieg? Müsste doch eigentlich.“ Ich glaube nicht dran – und zehn Minuten später geht es wieder nach oben.

Dann irgendwann: Asphalt. Dorf. Letztes Stück. Irgendwo noch ein paar Körner auftreiben, um ein konstantes und nicht zu langsames Tempo anzuschlagen. Weit vor mir ist einer – den kriege ich aber nicht mehr. Hinter mir ist jemand – der wird mich aber nicht kriegen. Ich kann im eigenen Tempo zurück nach Ebermannstadt laufen und sogar noch einen kleinen Zielsprint einlegen. Start wie Ziel mit 4:30 Min/Km. Eine schöne mentale Klammer.

Finish und Familie

Im Ziel bekommen alle Finisher einen Stein, der schöner aussieht, als mancher Pokal. Den haben sich heute aber auch alle verdient. Große Zielverpflegung gibt es zwar keine, aber Kuchen und Bier – und Grillstände zum Würstchenkauf. Markus ist natürlich schon seit 2h im Ziel, frisch geduscht und fast schon erholt. Wie immer: Hut ab! Nach und nach kommen immer mehr Bekannte an und die Veranstaltung geht dort weiter, wo sie gestern aufgehört hat: einem Trailrun-Familienfest. Überall kennt man jemanden, ein großes Hallo und Umarmen. Nur dass wir heute etwas mitgenommener aussehen, schlechter riechen und mehr Salzränder auf den Klamotten haben als gestern.

Nach der zweiten Auflage des Ultratrail Fränkische Schweiz steht fest, dass wir ein neues Schwergewicht bei den Mittelgebirgsveranstaltungen haben. Neben Läufen wie dem längst legendären U. Trail Lamer Winkel, dem Südthüringen Trail oder dem O-SEE Ultra Trail kann sich der UTFS gut einsortieren. Herzlich willkommen bei den Großen!

Tobias Gerber

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