Die Weltmeisterschaften im Berg- und Trailrunning 2025 in Canfranc haben gezeigt, wie nah Triumph und Ernüchterung beieinander liegen können. Während einzelne Athletinnen aus dem DACH-Raum für historische Glanzmomente sorgten, offenbarte sich zugleich die Kluft zur absoluten Weltspitze – besonders im Trailbereich.
Nina Engelhard schreibt Geschichte
Allen voran war es Nina Engelhard, die mit einer unfassbaren Doppel-Performance in Spanien in die Geschichtsbücher einging. Nach Gold im Uphill sicherte sie sich auch den Titel im Mountain Classic – und das mit fast zwei Minuten Vorsprung auf die internationale Konkurrenz. Ein Doppelschlag, der nicht nur ihr eigenes Standing auf die nächste Ebene hebt, sondern auch dem deutschen Berglauf insgesamt einen riesigen Push verleiht. So eine souveräne Demonstration auf WM-Bühne hat es aus deutscher Sicht noch nie gegeben.
Im Uphill glänzte zudem Laura Hottenrott, die als Neunte ein weiteres Ausrufezeichen setzte. Diese beiden Ergebnisse zeigen: Auf den klassischen Bergdistanzen hat Deutschland aktuell echte Weltklasse-Athletinnen.
Männer im Berglauf: geschlossen und stark
Auch die Männer verkauften sich teuer. Ohne den verhinderten Lukas Ehrle fehlte zwar ein möglicher Top-10-Kandidat, doch Tobias Ulbrich als 15. und die gesamte deutsche Mannschaft mit soliden Leistungen hinterließen einen starken Eindruck. Es ist vielleicht nicht spektakulär, aber es ist konstant – und genau das braucht es für den nächsten Schritt.
Short und Long Trail: Deutsche Athleten solide, aber ohne Anschluss an die Weltspitze
Die Weltmeisterschaften im Trail- und Berglauf 2025 haben eindrucksvoll gezeigt, wie hoch die Messlatte im internationalen Vergleich inzwischen liegt. Für die deutschen Läufer:innen war es ein WM-Einsatz mit Licht und Schatten: starke persönliche Leistungen, viel Einsatz und bemerkenswerter Teamgeist, aber gleichzeitig auch ein deutlicher Hinweis darauf, wie weit die Spitze entfernt ist.
Long Trail: Hartweg mit Achtungserfolg – Hegemann und Brinks solide
Bei den Frauen war klar: Gegen Katie Schide (USA) und die internationale Spitze war kein Kraut gewachsen. Aus deutscher Sicht kämpften sich Ida-Sophie Hegemann (28.), Charlotta Brinks (32.) und Eva-Maria Sperger (40.) tapfer ins Ziel. Alle drei zeigten konstante Leistungen auf dem selektiven Kurs. Dennoch offenbart das Resultat eine Realität: Mit mehr als zwei Stunden Rückstand zur Spitze blieb der erhoffte Anschluss an die Weltklasse aus – besonders nach dem überragenden WM-Auftritt 2023 hatte man sich hier mehr erhofft.
Schwer wog das Ausscheiden von Rosanna Buchauer, die bereits beim Western States ein DNF hinnehmen musste und nun auch ihr zweites Saisonhighlight nicht beenden konnte. Für eine Athletin, die noch bei vergangenen Weltmeisterschaften als Podiumskandidatin galt, ist das ein herber Rückschlag.
Über die Langdistanz der Männer setzte US-Star Jim Walmsley ein Ausrufezeichen und gewann souverän. Manuel Hartweg landete als Bester auf Platz 29 – ein Achtungserfolg in einem extrem hochklassigen Feld. Johannes Löw belegte Rang 61, Marcel Geißler kam als 89. ins Ziel. Johannes Dörr fiel nach einer Zeitstrafe noch auf Rang 92 zurück. Damit bestätigten die Männer das erwartete Bild: solide, kämpferisch, aber im internationalen Vergleich im Mittelfeld verankert.
Short Trail: Starker Einsatz – aber Hottenrott fehlte
Auch im Short Trail kämpften die deutschen Athleten tapfer gegen die internationale Konkurrenz. Zwar sprang kein Spitzenplatz heraus, doch alle zeigten engagierte Leistungen und brachten das Rennen durch – ein Fakt, der angesichts des hohen Tempos und der massiven Höhenmeter nicht selbstverständlich ist.
Vom Start weg zeichnete sich im Short Trail ein enges Rennen an der Spitze ab. Schon an der ersten Zwischenzeit in Moleta (KM 6,6) lagen die Favoriten dicht beieinander, ehe der Franzose Frédéric Tranchand im Mittelteil das Tempo verschärfte. Über Larraca und Candanchú setzte er sich entscheidend ab und sicherte sich in 4:42:10 Stunden den Weltmeistertitel. Dahinter folgten der Spanier Manuel Merillas (+3:23) und Landsmann Andreu Blanes (+9:42).
Für die deutschen Männer war der Kampf gegen die Weltspitze ein hartes Stück Arbeit:
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Moritz auf der Heide erreichte als Bester Rang 36 (5:28:46 Std.),
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Marc Dürr folgte auf Platz 48 (5:34:01 Std.),
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Johannes Ostfalk kämpfte sich trotz Problemen bis ins Ziel und belegte Platz 99 (6:04:23 Std.).
Bei den Frauen spielte einmal mehr Tove Alexandersson (SWE) in einer eigenen Liga. Mit einer Siegzeit von 5:04:20 Stunden deklassierte sie die Konkurrenz um über eine halbe Stunde. Aus deutscher Sicht erreichten Daniela Oemus (29.) und Sarah Kistner (30.) respektable Platzierungen im Mittelfeld – solide, aber ohne Chancen, in die Nähe der Podiumsplätze zu kommen.
Kritisch bleibt allerdings die Frage nach der Teamaufstellung: Laura Hottenrott, die 2025 bereits mehrfach bewiesen hat, dass sie auf der Short-Trail-Distanz mit der Weltspitze mithalten kann, blieb unberücksichtigt. Ihr Start hätte der deutschen Mannschaft hier möglicherweise eine echte Chance auf eine Platzierung weiter vorne eröffnet.
Österreich: Anna Plattner überrascht im Short Trail
Für Österreich sorgte Anna Plattner im Short Trail für ein dickes Ausrufezeichen. Die Tirolerin belegte Rang fünf und bewies auf dem extrem technischen Kurs über 44 Kilometer internationale Klasse. Es ist eine der besten österreichischen Trail-Leistungen der letzten Jahre.
Zwischen Beruf, Studium und Familie – eine Mammutaufgabe
Was bei allen Resultaten nicht vergessen werden darf: Die deutschen Athleten sind keine Vollprofis. Sie stemmen Training und Wettkämpfe neben Studium, Beruf und familiären Verpflichtungen – ein Spagat, den die internationale Konkurrenz aus den USA, Frankreich oder Italien oft unter ganz anderen Voraussetzungen bewältigt. Allein deshalb sind die Auftritte von Hartweg, Hegemann, Brinks, Sperger & Co. aller Ehren wert.
Junge Hoffnung: Julia Ehrle
Einen echten Lichtblick brachte der Nachwuchs: Julia Ehrle krönte sich zur U20-Weltmeisterin im Mountain Classic. Mit kluger Renneinteilung und großem Kämpferherz bezwang sie selbst die favorisierten Uganderinnen. Ein Titel, der Mut macht, dass im Nachwuchs Potenzial heranwächst, um vielleicht irgendwann auch im Trailbereich konkurrenzfähig zu werden.
Fazit: Zwischen Euphorie und Baustellen
Die WMTRC 2025 wird aus DACH-Sicht vor allem wegen Nina Engelhard in Erinnerung bleiben – ihre zwei Titel sind ein historischer Meilenstein. Auch die geschlossenen Leistungen der Männer im Berglauf und der WM-Sieg von Julia Ehrle im Nachwuchs lassen hoffen. Doch im Trailrunning bleibt die bittere Erkenntnis: Die Weltspitze ist nicht nur vorneweg, sie läuft gefühlt in einer anderen Liga.
Es braucht mutige Konzepte, bessere Förderung und vielleicht auch eine realistische Erwartungshaltung. Aber: Mit Athletinnen wie Engelhard und Ehrle ist klar, dass der deutsche Berglauf lebt – und dass der Traum von künftigen Medaillen kein Luftschloss sein muss.