Long road to TRANSALPINE RUN 2019: Teil 2

Das GORE Wear XC-RUN.de Team Christian Mayer und Eric Leidenfrost bei einer Trainingspause am Haidstein © Christian Mayer

Im ersten Teil von  „Long road to TRANSALPINE RUN 2019“ berichtete Christian Mayer über Höhen und Tiefen auf dem Weg zu seinem sportlichen Lebenstraum.Inm Teil zwei könnt ihr ihn auf den letzten Metern bis zum Startschuss begleiten…

Der Chamerauer Trailrunner, Redaktion- und GORE WEAR xc-run.de Trailrunning Team Mitglied von Anfang an träumt schon lange vom Lauf über die Alpen! In wenigen Wochen soll es endlich soweit sein! Aber kein Weg ist eben, vor allem nicht beim Trailrunning…

 

Ein Event der Superlative als Zaungast

Am Samstag, 01.06.19 machte ich mich auf dem Weg nach Maria Alm zum Hochkönigman, bei dem ich ursprünglich beim Skyrace starten wollte. Aufgrund meiner Verletzung war an einen Start natürlich nicht zu denken. Trotzdem hatte ich das dringende Bedürfnis wieder bei einem Event dabei zu sein und so konnte ich diesen Wettkampf als Zaungast von außen beobachten. Martin und Sabine liefen die Marathondistanz und so fieberten Eric und ich ordentlich mit. Eric selbst startete am Sonntag wie geplant beim Skyrace. Ich begnügte mich mit der Aufgabe eines Supporters und nutzte die Gelegenheit möglichst viele Eindrücke von diesem Event im Bild festzuhalten. Sabine war natürlich wieder einmal die Leistungsträgerin des Teams und holte sich auf der anspruchsvollen Marathonstrecke den Sieg. Martin hatte mit der starken Konkurrenz zu kämpfen und gemeinsam freuten wir uns über seinen 10.Platz.

Eric und ich nutzten die gemeinsame Zeit um uns Gedanken über die weitere Vorgehensweise in Bezug auf den Transalpine Run zu machen.  Bei einem intensiven Gespräch stand für uns beide sehr schnell fest, dass wir dieses Projekt auf jeden Fall gemeinsam durchziehen wollen. Die Ambitionen auf eine Platzierung im vorderen Feld der Starter rücken dabei komplett in den Hintergrund. Für uns steht ab sofort das Bestehen dieser gemeinsamen Aufgabe und das genießen dieses einmaligen Events im Vordergrund. Wir wollen den Transalpine Run 2019 gemeinsam meistern und ein unvergessliches Erlebnis mit nach Hause nehmen.

Mit ein bisschen Wehmut verfolgte ich dann tags darauf das Skyrace. Ich unterstützte Eric so weit es ging und machte mich nach dem Start auf, um entlang der Strecke möglichst viele Eindrücke zu sammeln.

Aufgrund der Schneelage wurde die Strecke stark verändert, so dass diese über eine Länge von 15 km in Richtung Schönfeldspitze ging und nach einem Wendepunkt über die gleiche Strecke zurückführte. Dabei wurden insgesamt 2.500 Höhenmeter im Anstieg bewältigt. Ich konnte mich auf direktem Weg an den Anstieg machen, während die Läufer in etwa fünf Kilometer mehr zurücklegen mussten. Das verschaffte mir die Möglichkeit noch vor dem Hauptfeld über das Steilstück zu wandern und Bilder von der führenden Spitze zu machen. Das ich dabei schnellen Schrittes wandern immer noch vor den meisten Läufern bleiben konnte, verstärkte meinen Entschluss die Flinte nicht ins Korn zu werfen und auch weiterhin den Traum vom Transalpine Run 2019 zu träumen! Mit Eric habe ich den idealen Partner an meiner Seite. Dieser holte sich beim Skyrun den elften Platz und ließ dabei den einen oder anderen starken Läufer hinter sich. Wir beide harmonieren sehr gut miteinander und wenn nun bei mir hoffentlich alles gut läuft und die Genesung weiterhin so gut fortschreitet, dann dürfen wir uns auf unvergessliche acht Tage von Oberstdorf bis nach Sulden am Ortler freuen!

Mut der Verzweifelten

Mir ist trotz aller Rückschläge immer bewusst gewesen, dass ein kurzzeitiges Zweifeln das ganze Projekt zum Einstürzen bringen würde. Mit dem Mut der Verzweifelten trainierte ich fleißiger denn je zuvor. Anfangs noch relativ verhalten, da ich bei Erschütterungen mehr oder minder starke Schmerzen im betreffenden Bereich spürte. Das besserte sich jedoch von Tag zu Tag, so dass ich mein Trainingspensum auf dem Rad anpassen und steigern konnte. Jeder ambitionierte Freizeitsportler kennt das Problem. Man will sich und seinen Körper zu Höchstleistungen trainieren, darf jedoch niemals die eigene Familie außer Acht lassen. Die Familie ist gerade in Zeiten in denen es nicht so gut läuft immer für einen da und eine äußerst wichtige Stütze. Aus diesem Grund darf man diese niemals enttäuschen, um sich auch weiterhin vollster Unterstützung sicher sein zu können. Aus diesem Grund versuche ich schon immer es zu vermeiden, dass meine Liebsten unter meiner zeitintensiven Trainingsbelastung leiden müssen. Darum habe ich es mir angewohnt auch zu sehr unchristlichen Zeiten mein Pensum zu erfüllen. Mitte Juni fahren wir nach Saalbach-Hinterglemm und auch während dieser Zeit bleibe ich meinen Prinzipien treu.

Das Bein hält und ist mittlerweile auch bei Stößen oder mittleren Belastungen schmerzfrei. Einen Laufversuch habe ich bisher nicht unternommen, da die Angst vor einem Rückschlag bei der Genesung einfach zu groß ist. Dafür macht mir das schnelle Bergwandern unheimlich viel Spaß, so dass ich diesen Einheiten im Urlaub täglich nachgehe. Im konkreten Fall bedeutet dies um 04:45 Uhr aufstehen und auf leisen Sohlen die gemeinsame Unterkunft zu verlassen. Kurz nach fünf Uhr stehe ich vor dem Hotel und mache mich auf dem Weg in die umliegende Bergwelt. Der Morgen gehört nur mir alleine und schnellen Schrittes werden nun steile Anstiege und markante Gipfel erobert. Mein Zeitfenster ist begrenzt, so dass ich nur am Rande die Schönheit der Natur bewundere und die fantastischen Gipfelmomente sehr kurz ausfallen. Meistens bin ich um halb acht Uhr wieder zurück im Hotel und nach einer kurzen Verschnaufpause gehört der restliche Tag meiner Familie.

Kaum zurück aus dem Urlaub geht es wieder rauf aus Rennrad und in unzähligen Stunden erweitere ich Schritt für Schritt meinen Aktionsradius. Routinemäßig wechseln sich dabei kurze und lange Radeinheiten ab, um beim Muskelaufbau immer neue Reize setzen zu können. Auch den Weg zur Arbeit nutze ich jetzt sinnvoll – das Auto bleibt stehen, ich pendle mit dem Rad und verlängere häufig meinen Nachhauseweg. Viele Stunden verbringe ich mit Dehnen, Alternativtraining und Physiotherapie. Da man bei einem schleichenden Bruch den genauen Zeitpunkt der Verletzung nicht kennt, kann man die notwendige Rehabilitationszeit nur vorsichtig abschätzen. In der letzten Juniwoche verliere ich die Geduld und wage einen ersten Berglauf auf den Gipfel des Pröllers. Dieser Lauf funktioniert absolut schmerzfrei und in einer für mich einigermaßen annehmbaren Zeit stehe ich überglücklich am Gipfelkreuz. Bereits talwärts bemerke ich was mir am nächsten Tag blühen wird. Durch die lange Laufpause ist diese Belastung für meinen Muskelapparat ungewohnt und so habe ich in den nächsten Tagen mit einem ordentlichen Muskelkater eine nette Erinnerung an meinen erneuten Laufeinstieg.

Ein willkommener Besuch

Die Zeit schreitet viel zu schnell voran und ich kann immer noch nicht abschätzen, ob ich das wirklich schaffen werde. Viel zu oft verfalle ich in den Gedanken, ob eine Teilnahme am TAR überhaupt noch Sinn macht. Ich kann wieder laufen, nicht weit und auch Höhenmetertechnisch liege ich sehr weit zurück. Bei dieser teilweise sehr trostlosen Gedankenwelt kommt es mir wie gerufen, dass sich Eric am ersten Juliwochenende als Besucher ankündigt. Und so verabreden wir uns spontan zu einem Lauf auf einen meiner Hausberge. Nach der herzlichen Begrüßung warne ich ihn vor, dass ich zwar wieder unterwegs bin, sein Tempo aber sicher nicht mitgehen kann. Da wir uns seit Maria Alm nicht mehr gesehen haben, haben wir uns einiges zu berichten und so vergeht der Lauf zum Haidstein wie im Flug. An der Kirche angekommen falle ich Eric in die Arme und er gratuliert mir, dass es schon wieder so gut läuft. Beim obligatorischen Kaffee und Kuchen auf der Haisteiner Hütte unterhalten wir uns über die letzten notwendigen Vorbereitungen für den Transalpine Run. Eric hat mir nochmals versichert, dass ich mir über eine fehlende Form keine Gedanken machen brauche. Ich sollte mir nur beim Aufbau des Trainings viel Zeit lassen um den weiteren Heilungsprozess nicht zu behindern. Mit der Gewissheit das uns nun nur noch eine weitere Verletzung stoppen kann und einem wirklich guten Gefühl genießen wir die gemeinsame Laufstrecke zurück nach Chamerau.

Mit flauem Gefühl im Bauch zum Arzt

Mitte Juli muss ich nochmals zu meinem behandelnden Orthopäden. Bei einer MRT- Kontrolle soll der Heilungsprozess begutachtet werden. Zwischen MRT und Auswertung vergeht eine scheinbar endlose Wartezeit. Glücklicherweise hat die Arzthelferin mein MRT- Bild am Bildschirm eingeblendet, so dass ich mir selbst ein Bild davon machen kann. Erschrocken betrachte ich dieses und stelle fest, dass mein Wadenknochen zwei sichtbare Risse aufweist. Kurze Zeit später ist der Arzt da und kann mich beruhigen. Das MRT kann sehr genaue Bildaufnahmen erzeugen. Dadurch ist auch der scheinbar längst verheilte Bruch aus dem vergangenen Jahr noch sichtbar. Darum sollte ich mir aber keine Gedanken machen. Und auch bei der neuen Verletzung ist der Heilungsprozess bereits sehr weit fortgeschritten. Allerdings warnt er mich davor, es an dieser Stelle mit dem Training zu übertreiben. Nur wo hört das vernünftige Training auf und wo fängt die Selbstzerstörung an? Auf jeden Fall hat mir dieser Termin neuen Antrieb gegeben und mit gutem Gefühl geht die Vorbereitung weiter. Wie bisher wechsle ich mein Lauftraining mit dem radeln ab. Auch den Laufumfang steigere ich von Woche zu Woche sehr dosiert und spätestens nach drei Wochen Training wird eine Regenerationswoche eingelegt.

Pröller Berglauf und Arber Radmarathon

Mein erster und zugleich letzter Wettkampf in dieser Saison war das Innsbruck Trailrun Festival Anfang Mai. Da kam es mir gerade recht, dass am 20.07.2019 der Pröller Berglauf in Grün bei St. Englmar stattfand. Ich wählte die 26 km lange Distanz mit dem wohlklingenden Namen „Hadriwa-Rattenberger-Höhentrail“. Diesem Wettkampf plante ich ursprünglich als Trainingslauf unter Rennbedingungen ein. Die längere Distanz wollte ich zu diesem Zeitpunkt meinem lädierten Bein noch nicht zumuten. Trotz aller anfänglicher Bedenken fand ich immer besser in das Renngeschehen hinein und holte am Ende einen für mich persönlich überraschenden 2.Platz. Viel mehr als diese Platzierung freute ich mich darüber, dass ich diesen Lauf, trotz der hohen Belastung für das Bein, vollkommen schmerzfrei absolvieren konnte. Natürlich musste ich auch weiterhin die richtige Balance zwischen Belastung und notwendiger Erholung halten, so dass ich nach wie vor auf mein Rennrad als Trainingspartner setzte. Aus diesem Grund startete ich schließlich Ende Juli als vollkommener Neuling beim Arber Radmarathon. Die große Runde mit 250 km traute ich mir als Rennrad-Youngster noch nicht zu. Da ich aber unbedingt an meinem Heimatort Chamerau vorbeikommen wollte, wählte ich die 170 km lange Runde und kam 6h 15min später wieder wohlbehalten am Dultplatz in Regensburg an.

Training und Familienzeit

Je näher der Transalpine in den persönlichen Focus kommt, umso mehr mache ich mir nicht nur über den Lauf, sondern auch um das ganze Umfeld Gedanken. So schwingt immer der Gedanke darüber mit, welche Belastungen man der eigenen Familie durch diesen Zeitraum der Abwesenheit zumutet. Um meine Familie bereits im Vorfeld positiv zu stimmen, das schlechte Gewissen etwas zu beruhigen und auch gemeinsame Zeit verbringen zu können, sind wir kurzerhand zu einem Wochenendtrip nach Garmisch-Partenkirchen aufgebrochen. Neben der vielen gemeinsamen Stunden nutzte ich die mir zur Verfügung stehende Zeit um letzte Tests für den TAR machen zu können. Gerade lange und kräftezerrende Anstiege sind in meiner Heimat schwer zu trainieren und auch die vorhandene Höhenlage und die Beschaffenheit der Wege sind mit meinen üblichen Trainingsverhältnissen kaum vergleichbar. Am meisten Selbstvertrauen hole ich mir einen Tag nach meinem 43.Geburtstag. In aller Früh starte ich ausgehend vom Eibsee einen Trainingslauf zum Gipfel der Zugspitze. Das Wetter ist gut, ich bin frohen Mutes und hoch motiviert laufe ich los. Je näher ich der Wiener Neustädter Hütte komme, umso steiler und technischer wird der Weg. Das sind die idealen Trainingsvoraussetzungen. Nachdem ich diesen Versorgungspunkt hinter mich gebracht habe, geht es in den Stopselzieher, der als leichter Klettersteig deklariert ist. Trotz der frühen Stunde ist an dem mit Seilen und Haken gesicherten Weg schon jede Menge los und dementsprechend lange sind die Wartezeiten an den versicherten Stellen. Da ich keine Lust darauf habe auszukühlen und mir noch eine Erkältung zu holen, suche ich mir meine eigenen Wege in Richtung der Bergstation. Teilweise auf allen vieren kämpfte ich mich an den staunenden Klettersteiggehern vorbei und erobere Höhenmeter um Höhenmeter. Nach knackigen 2h 08min stehe ich am Plateau der Zugspitze und strahle mit der Sonne um die Wette. Dieser Lauf hat mir gezeigt, dass alles möglich ist, wenn der Körper mitspielt.

Die letzten Tage

Momentan durchlebe ich ein Gefühlschaos. Vorfreude ist vermischt mit Nervosität und auch die Sorge um den noch nicht völlig ausgeheilten Bruch schwingt sehr stark mit. Ich hoffe, dass mein Bein ein einsehen hat und mir keinen Strich durch die Rechnung macht. Trotz allem verlaufen die letzten Tage wie in einem festen Programm. Seit Samstag bin ich im Low Carb Modus um anschließend ab Donnerstag beginnend zum Carboloading überzugehen. Meine Laufbelastung fahre ich spürbar herunter und spule letzte Radkilometer ab. Ansonsten gehe ich mehrmals die gepackte Ausrüstung durch, um guten Gewissens nach Oberstdorf fahren zu können.

Freitag nach dem Frühstück fahre ich los und kann dann hoffentlich meinen ebenso gut gelaunten Teampartner Eric begrüßen. Wir beide berichten Euch dann regelmäßig über den Verlauf unserer sportlichen Reise über die Alpen.