In unserer Artikelserie Road to ZUT könnt ihr Christian Mayer auf dem Weg zu seinem ersten Hunderter begleiten und bekommt zugleich Einblicke in das Gefühlschaos und das Training eines Ultraläufers. In diesem Teil geht berichtet er über die Höhen und Tiefen der ersten vier Trainingswochen.
Eine fixe Idee und erste Schritte
Aus einer fixen Idee wurde nach einem Gespräch mit meinem Chefredakteur ein durchgeplantes Vorhaben und nach nun knapp über vier Wochen wird es nun Zeit für ein erstes Resümee der ersten Trainingswochen auf meinem Road to ZUT 2021.
Gerade in den ersten Tagen spüre ich sehr deutlich die Verletzungsbedingte lange Laufabstinenz. Die subjektiv spürbare Ausdauer ist nach wie vor vorhanden, aber gerade in den schnellen Einheiten bemerke ich meine Leistungsgrenzen und bei langsamen Einheiten habe ich meine Herzfrequenz (HF) nicht mehr im Griff. Bei den ersten Trainingseinheiten habe ich Mühe die Vorgaben von Markus zu erfüllen. Zum besseren Verständnis ein paar Beispiele:
Vorgabe 60 min laufen in Zone 1:
Die Zone 1 bedeutet in meinem Fall eine HF unter 140 Schlägen/Minute. Das jahrelang unstrukturierte Training hat in meinem Unterbewusstsein einige Spuren hinterlassen und so hat sich bei mir für Ausdauereinheiten eine Pace von 4:50 min bis 5:15 min eingeschliffen. Bei meinem ersten geplanten Zone 1 Lauf bin ich zunächst unkontrolliert in diesen Tempobereich losgelaufen und stelle beim ersten Kontrollblick auf die Uhr eine stark erhöhte HF fest. Um die Vorgabe zu erfüllen hilft nur das Tempo zu drosseln. Am Ende der Einheit lande ich sehr unsanft am Boden der Tatsachen. Für eine HF unter 140 Schlägen muss ich mit einer für mich vorher unvorstellbaren Pace von knapp über 6 min laufen. Mit persönlichen Laufspaß hat dies für mich nichts mehr zu tun.
Vorgabe Einlaufen 15 min – Intermittierendes Lauftraining 6x 30/30 mit 3 Wiederholungen und 4 min Pause – 15 min Auslaufen:
Ich quäle mich gerne. Und erst wenn mir mein Körper signalisiert, dass nichts mehr geht, bin ich zufrieden. Das war schon immer so und auch jetzt verspüre ich das Verlangen nach unbarmherzigem Training. Aber genau das war vermutlich der Auslöser für meine körperlichen Problemen. Trotzdem freue ich mich auf diese Einheiten, in denen ich mich verausgaben darf. Bei diesen Einheiten ist die Vorgabe im anaeroben Bereich zu trainieren um die altersbedingte maximale Leistungsgrenze nach Möglichkeit weiter in den oberen zu verschieben. Die Realität sieht aber auch in diesem Fall leider vollkommen anders aus. Die innere Stimme gibt mir in der 30 sec. Belastungszone den Auftrag alles zu geben, ich ziehe die Geschwindigkeit an, laufe mit leeren Gedanken, konzentriere mich auf den Sprint und spüre in jeder Belastungszone eine Art Geschwindigkeits- oder HF- Begrenzer. Die Verärgerung über mich und den für mich unakzeptablen Trainingsstand steigt von Intervall zu Intervall und mich irritiert diese scheinbar unüberwindbare körperliche Grenze. Die Vorgabe von Markus lautet 3 Wiederholungen dieser Zyklen, am Ende steht aber meine persönliche Enttäuschung. Mit imaginärer Handbremse schaffte ich es nicht mich in diesem Maße zu verausgaben, dass ich das Gefühl persönlicher Trainingszufriedenheit bekommen hätte. Nur zu gerne hätte ich nun die Auslaufphase auf eine Stunde verlängert. Allein die Vorstellung meines kopfschüttelnden Trainers hindern mich daran dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Und sonst so? Probleme und Wehwehchen
Der Lockdown und die teilweise schlechten Witterungsbedingungen mit vereisten Wegen machen die Durchführung des Trainingsplanes nicht unbedingt einfacher. Gerade bei den Intervalleinheiten fehlt die räumlich limitierende aber abgemessene 400m Laufbahn die als öffentliche Sportstätte derzeit nicht genutzt werden darf. Hinzu kommen die unberechenbaren und mit dem Trainingsplan teilweise unvereinbaren Witterungsbedingungen. Zum einen wächst der innere Schweinehund exponentiell zur Intensität des Niederschlages und zum anderen ist ein geplanter Regenerationstag an einem sonnigen Wintertag in den Augen eines Bewegungsjunkies ein verschenkter Tag. In Abstimmung mit meinem Trainer wird so gerade in den ersten Wochen der Trainingsplan ordentlich durchgewürfelt. Trotzdem führe ich jedes vorgegebene Training durch und bemühe mich auch die geplanten Intensitäten in diesem Umfang durchzuführen. So kann es aber passieren, dass Laufeinheiten mit Radeinheiten auf dem Trainer ausgetauscht werden. Am wenigsten kann ich mich mit diesen Regenerationstagen anfreunden, an denen ich pausieren sollte. Das bin aber nicht ich, da ich die Bewegung einfach brauche. Ich fühle mich an diesen Tagen wie ein Tiger im Zirkuswagen der unruhig an den Stäben von links nach rechts und wieder zurückläuft und mit der Enge des Raumes zu kämpfen hat. Um wenigstens etwas für meinen inneren Frieden machen zu können, nutze ich nun diese Regenerationstage für zusätzliche Stability oder TRX- Einheiten und kurze Radeinheiten mit einer homöopathischen durchschnittlichen Trittfrequenz von 140 Watt.
Am meisten vermisse ich derzeit die Trail- Einheiten, da es momentan für mich noch zu schwer ist, die Herzfrequenz zu kontrollieren und im Zaum zu halten. Vermutlich werden diese Einheiten aber im Laufe der nächsten Wochen wieder vermehrt Einzug halten um meine Sehnen und Bänder wieder an das von mir geliebte Terrain gewöhnen zu können.
Wichtig für jeden Läufer und trotzdem zu sehr vernachlässigt ist das Thema „Stability und Lauf- ABC. Für mich waren diese Trainingsinhalte schon immer Fremdwörter und ein akzeptiertes Übel wenn es bei früheren gemeinsamen Trainings mit dem xc-run Team auf dem Plan stand. Nun überwinde ich mich diese Einheiten so gut es ging immer dann durchzuführen, wenn diese laut Plan von mir gefordert werden. Aus den vergangenen vier Wochen bin ich zu zwei Erkenntnissen gelangt: Erstens – verdammt bin ich ungelenkig und vollkommen limitiert in meinem Bewegungsmuster und zweitens – ja, es wird von Einheit zu Einheit besser und flüssiger und es lohnt sich durchzuhalten, auch wenn der Spaßfaktor sehr gering ist.
Das Dauerthema „Wehwehchen“ begleitet mich natürlich auch in dieser Zeit. Die Tatsache das man selbst Ü40 ist, ist einfach nicht von der Hand zu weisen und auch wenn man sich noch so sehr bemüht, die Bänder und Sehnen verfügen nicht mehr über diese unbeschwerte Elastizität vergangener Jahrzehnte. Aber mit täglichen Massageeinheiten gepaart mit Reizstromanwendungen und einer wöchentlichen Behandlung beim Physiotherapeuten des Vertrauens sind auch diese Kinkerlitzchen gut in den Griff zu kriegen.
Ungeplante Pausen und größere Trainingsumstellungen
Gerade Woche 4 ist für mich besonders hart, da dies die regelmäßig eingeschobene Regenerationswoche darstellt. Die körperlichen Belastungen der vergangenen drei Wochen werden zurückgeschraubt, die Intensitäten verringert und dem Muskel- und Bandapparat die Möglichkeit zur Erholung und auch zur Reparatur angegriffener Strukturen gegeben. Witterungsbedingt plane ich am Mittwoch der Reg.-Woche einen Zone 1 Lauf in eine Radeinheit um, als mich ein Anruf meines Arbeitgebers ereilt. Ich sitze fröhlich auf dem Rad als mir mein Kollege aus dem Gesundheitsamt die Nachricht übermittelt, dass es diesmal mich erwischt hat. Ich hatte Kontakt zu einer auf das Coronavirus positiv getesteten Person mit beginnender Symptomatik. Da ich im Laufe des letzten halben Jahres berufsbedingt einen großen Informationsschatz zum Verhalten in diesem Fall gesammelt habe, weiß ich wie ich mit dieser Information umzugehen habe. Von nun an stehe ich unter Quarantäne und sondere mich soweit es möglich ist von meiner Familie ab. Den Kontakt zu meinen Eltern breche ich komplett ab und an ein Lauftraining unter diesen Umständen ist natürlich nicht zu denken. Nach kurzer Information an Markus entscheiden wir, sämtliche Laufeinheiten auf das Radtraining umzuplanen. In diesem Moment ärgere ich mich nur, warum ich trotz des Dauerregens nicht einfach zum Laufen gegangen bin.
Zwei negative Tests und eine Woche später bringen mich wieder zurück in meinen Alltag und nun ist bereits die Woche fünf angebrochen. Endlich gibt es auch wieder harte, fordernde Einheiten und ich freue mich auf die Zeit die noch vor mir liegt!