Zu Besuch bei der Mentaltrainerin: Interview mit Sandra Holzbauer - xc-run.de Trailrunning

Zu Besuch bei der Mentaltrainerin: Interview mit Sandra Holzbauer

Zu Besuch bei der Mentaltrainerin © GORE WEAR xc-run.de Team

Sehr viele Trailrunner/innen beschäftigen sich mit Trainings-, Ernährungs- und Regenerationsplänen. Ein nicht kleinzuredender Teil in diesem vielfältigen Ausdauersport gibt aber auch die „Kopfsache“ wieder. Sehr viele Entscheidungen, Gefühle und Emotionen werden aus der Zentrale im Kopf gesteuert und verarbeitet. Ganz egal ob positive oder negative Beispiele. Jeder einzelne unter den Läufern hatte mit Sicherheit bereits in der Vergangenheit diverse Auseinandersetzungen mit mentalen Erlebnissen. Um in diesen Situationen die Oberhand zu behalten und besser/spontaner agieren zu können, haben sich Sabine & Martin mit der Thematik Mentaltraining für euch intensiver auseinandergesetzt. Für Recherchen konnten die beiden GORE WEAR xc-run.de Athleten mit Sandra Holzbauer, einer Mental-Trainerin, die perfekte Interviewpartnerin finden. Das Interview mit Tipps & Tricks findet ihr im folgenden Artikel:

Hallo Sandra, freut uns sehr, dass wir bei dir sein dürfen! Magst du dich kurz vorstellen und uns erzählen wie du zum Mentaltraining gekommen bist? 

Hallo ihr beiden. Mein Name ist Sandra Holzbauer, ich bin verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. In meiner Freizeit betätige ich mich sehr gerne mit allen möglichen Sportarten an der frischen Luft. Laufen, wandern, bouldern, schwimmen und vieles mehr. Meine berufliche Ausbildung habe ich im Finanzamt begonnen. Bin aber dann ziemlich schnell und mit kleinen Umwegen, sowie mit Hilfe eines befreundeten Zahnarztes in die Zahnmedizin gewechselt. Bereits in der Ausbildung habe ich mich dort mit der Thematik der Angstpatienten auseinandergesetzt. Meine Art und Weise im Umgang mit den Patienten kam dabei sehr gut an und die betroffenen und oft eingeschüchterten Patienten suchten während der Untersuchungen bei mir Halt, weswegen ich im Laufe der Zeit diverse Fortbildungen in dem Bereich Angst/Entspannung absolvierte.  Nach und nach und mit dem Vertrauen meiner Zahnarztpatienten durch Weiterempfehlungen konnte ich meine berufliche Tätigkeit erfolgreich erweitern. und eröffnete 2012 meine erste Coachingpraxis. Von nun an konnte ich erste Hypnoseanwendungen halbtags neben der Anstellung in der Zahnarztpraxis durchführen.  Mittlerweile bin ich seit mehreren Jahren Heilpraktikerin für Psychotherapie und betreibe mit einer Kollegin eine zweite Praxis in Burgweinting. . Mit meiner Hauptpraxis bin ich im Februar 2019 nach Geiersthal gezogen, wo wir uns auch heute treffen. Mittlerweile bin ich mit großer Freude Vollzeit für meine Klienten erreichbar. Neben Einzeltherapien und -Coachings gebe ich auch vereinzelt in Unternehmen Möglichkeiten des Mentaltrainings.

 

Was bedeutet eigentlich Mentaltraining?

Das Wort Mental-Training sagt schon, worum es hierbei geht:
DAS TRAINIEREN UNSERER EINSTELLUNG UND UNSERES VERSTANDES
Der Ursprung liegt, wie auch beim autogenen Training oder der Selbsthypnose, bei der Hypnose. Diese Dinge werden allerdings oft durcheinandergebracht oder verunsichern sehr. Dazu kurz eine Erklärung der einzelnen Begriffe:
Trance:Ist der Übergang zwischen dem Wachsein und dem Schlafen. Jeder Mensch, der einschlafen kann, kann in Trance gehen (wenn er möchte) (z.B.ungeplant auf bayerisch: Goaßgschau). Beim Sport fallen wir auch manchmal ungeplant in den Trancezustand (Flow, Tunnel)
Bewusstsein:Beschreibt den normalen wachen Bewusstseinszustand. Verstand, Willenskraft, Kurzzeitgedächtnis und das logische Denken gehören zu diesem Bereich
Unterbewusstsein:Intuition, Bauchgefühl, innere Stimme, Emotionen, erlerntes Verhalten, Gewohnheiten, etc.
Hypnose:Sie findet in der Trance statt und ist ein körperlich entspannter Zustand, in dem man sich auf ein bestimmtes Thema konzentriert/fokussiert. In der Hypnose haben wir Zugriff auf das Bewusstsein, sowie auf das Unterbewusstsein und können Veränderungsarbeit leisten.
Selbsthypnose:Der komplette Prozess der Hypnose wird alleine durchgeführt
Autogenes Training:Dient zur körperlichen und geistigen Entspannung
Mentaltraining:Ist die Veränderungsarbeit ohne bewusst herbeigeführte Trance. Das Training findet im normalen Wachbewusstsein statt. Beim mentalen Training sind ähnliche Gehirnregionen aktiv, wie beim körperlichen Training. Wird eine Bewegung wiederholt trainiert, wird diese später besser und präziser ausgeführt. ABER: Ausschließlich mentales Training ersetzt keine realen Übungen
Placebo-Effekt:Allein durch den Glauben an die Wirkung entstehen nachweisbare Verbesserungen. „Glaube versetzt Berge“

 

Was bedeutet für DICH Mentaltraining?

Jeder Mensch kann viel erreichen. Dies gelingt jedoch nur, wenn der Mensch auch an sich und seine Fähigkeiten glaubt. Für mich heißt Mentaltraining sein komplettes, zur Verfügung stehendes Potential voll und ganz herauszukitzeln und wenns drauf an kommt zur Verfügung zu haben.

 

Was genau bietest Du alles an?

Wie bereits erwähnt, beschäftige ich mich Mentaltraining (nicht nur für Sportler). Des Weiteren biete ich Hypnosesitzungen bei Ängsten (z.B. Höhenangst, Angst im Downhill) & Phobien, allergische Reaktionen (z.B. Tierhaare Heuschnupfen, etc.), Kieferbeschwerden und Zähneknirschen, etc. an. Aber auch Suchtthematiken wie Raucherentwöhnung und Esstörungen behandle ich. Anhand Sabines Beispielanwendung gehe ich auf die Problematiken im Kopf bei Downhill-Passagen ein.

Beispielanwendung mit Sabine Wurmsam
Bine musste die Augen schließen und sich konzentrieren. Sie wurde von Sandra gefragt was sie fühlt, wenn Sie beim Downhill über schwierige Passagen laufen muss, vor denen sie großen Respekt hat und deshalb nicht so kann, wie sie gerne möchte. Dann wollte Sandra wissen, wenn sie dieses Gefühl als Gegenstand beschreiben müsste, wie würde dieser aussehen und welche Farbe hätte dieser. So wird dieses “Angstgefühl” mit einer bestimmten Farbe und einem Gegenstand verbunden und dadurch sicht- und greifbar. Anschließend sollte sich Bine in eine Situation beim Laufen versetzen, die sie glücklich macht und in der sie positive Gefühle verspürt. Auch diesem Gefühl musste sie eine Farbe geben und sich in solch eine Situation reinversetzen, sodass auch diesem positiven Erlebnis eine bestimmte Farbe zugeordnet werden konnte. Anschließend sollte sie sich wieder auf eine “ängstliche Downhill-Situation” konzentrieren, diese nun aber gedanklich mit der Farbe des positiven Ereignisses “untermalen”. Durch die Farbe des Positiven und den damit verbundenen Glücksgefühlen sollen so die negativen Gedanken/Gefühle in den Hintergrund gedrückt werden und die Angst mehr und mehr verschwinden.

 

In welcher Situation musstest Du bereits privat auf deine eigenen Anwendungen zurückgreifen?

Eigentlich kann man die Methoden weitestgehend überall im Alltag anwenden und auch nutzen. Ein paar interessante Beispiele, bei denen ich z.B. diese Anwendungen aktiv benutze: Beim Zahnarzt verringere ich mit Hilfe einer sogenannten Lichtschaltertechnik mein Schmerzempfinden und entgehe somit einer Narkose bzw. Spritze. Auch über einen längeren Zeitraum, wie z.B. bei meiner Heilpraktikerprüfungungsvorbereitung (11 Monate) nutzte ich das Mentaltraining um am Ball zu bleiben. Natürlich nutze ich das Mentaltraining auch beim Sport. Das Überschreiten der Wohlfühlgrenzen (bei mir mehr als ca. 15km laufen), oder zur Erhaltung der Ganzkörperspannung (beim Bouldern) sind nur ein paar weitere Beispiele.

 

Ab wann kannst Du einem „Klienten“ dazu raten bzw. dazu abraten Mentaltraining zu nutzen?

Abraten würde ich dementen oder geistig behinderten Personen und Menschen mit epileptischem Hintergrund. Auch bei bestimmten psychischen Erkrankungen (z.B. Verfolgungswahn, sehr schwere Depression, akute Suizidgefährdung) kann ich leider mit diesen Methoden nichts erreichen. Diese bestimmten Umstände ermittle ich unter anderem im Erstgespräch und vermittle meine Klienten wenn nötig zu spezifizierten Praxen weiter. Auch „unmögliche“ Dinge, die gesundheitsgefährdend sind, lehne ich ab.

 

Wie viele Sitzungen (Termine) dauert im Durchschnitt eine Behandlung bis zur erfolgreichen „Heilung“?

Die erste Sitzung dauert im Durchschnitt 3 Stunden (je nach Intensität) und besteht aus: Erklärung, Befund, Aufnahme, Standortbestimmung, Ziel, Ausarbeitung und einer ersten Hypnosesitzung. Er nach Thema kann eine Sitzung völlig ausreichen, wenn mehrere Termine gewünscht werden, dann arbeite ich mit einem Abstand von ca. 2-4 Wochen. Bei größeren oder lange bestehenden Themen werden in der Regel 3-5 Sitzungen benötigt, um einen Klienten erfolgreich zu begleiten.

 

Gibt es vor & nach einer Hypnose etwas zu beachten?

Die Erstsitzung sollte Vormittags stattfinden. Aus dem einfachen Grund, weil ich und der/die Klient/in noch konzentrationsfähiger, voller Kraft und in fitterem Zustand sind als nach einem langen Arbeitstag. Nach einer Sitzung sollte man seine eigenen Gedanken/Gefühle beachten und Veränderungen notieren.

 

Kannst Du uns Ausdauersportler/innen sowie Trailläufer/innen spezielle Tipps für mentales Training geben?

Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, um im Ausdauersport auf mentales Training zurückgreifen zu können. Man kann z.B. Verknüpfungen mit schönen/erfolgreichen Erlebnissen (aus der Vergangenheit) verwenden, um seine Stärken ausschöpfen zu können. Die Nervosität (lösungsorientiertes Verhalten) vor bestimmten Handlungen, wie z.B. Wettkämpfe, kann man während einer Sitzung mit einem Körperanker versehen. Als Körperanker dient dabei eine Körperregion(z.B. Schulter) die bei Berührung zu Sicherheit und Ruhe verhilft. Auch diverse Ängste (lösungssuchendes Verhalten) können mit einem Anker bearbeitet werden. Hierbei eignet sich ein Farbanker, der gerne mit einem Gegenstand (wie einem Armband oder ähnlichem) verknüpft ist. Man sollte dabei immer den JA-ABER-DENKER (Selbstschutz) in seinen verschiedensten Formen im Griff haben, das geschieht beispielsweise während einer Sitzung.

 

Kannst Du uns auch Tipps/Tricks für den Alltag empfehlen?

Mit den verschiedenen Experimenten werden unterschiedliche Areale im Gehirn angesprochen. Falls bei einem der Versuche ein nur geringer Erfolg verspürt werden sollte, ist das völlig normal. Diesen Bereich der Wahrnehmung kann man durch zur Hilfenahme unterschiedlicher Bilder, Gedanken, Gerüche etc. verbessern.

Magischer Daumen (Versuch mit Martin)
Stelle dich sicher und aufrecht hin. Deine Füße sind dabei hüftbreit auseinander (Bitte bewege sie während der kompletten Übung nicht mehr). Strecke jetzt einen beliebigen Arm in waagrechter Position aus und halte den dazugehörigen Daumen hoch. Nutze ihn als eine Art Peilgerät und fixiere damit einen fest gewählten Punkt in der Umgebung. (Schaue also während der Übung darauf). Drehe dich jetzt soweit es geht nach rechts, ohne deine Beine zu verdrehen, oder deine Knie zu beugen. Merke dir dabei, wie weit du mit deinem Daumen als Peilgerät gekommen bist und präge dir den anvisierten Punkt gut ein. Hast du dies erledigt, kehre wieder zum Ausgangspunkt mit der ausgestreckten Hand und den erhobenen Daumen zurück. Den Arm kannst du nun in der Zwischenzeit wieder locker hängen lassen. Schließe für das nächste Vorgehen deine Augen und stell dir einige Male vor, wie du dich bis zu dem eingeprägten Punkt und noch 10-20 cm weiterdrehen kannst. Lasse deine Augen dabei immer noch geschlossen, strecke deinen Arm wieder aus, stelle den Daumen als Peilgerät erneut nach oben und drehe dich nun (dieses Mal mit geschlossenen Augen) soweit es geht in dieselbe Richtung wie eingangs. Wenn es nicht mehr weitergeht, öffne deine Augen und schaue wie weit du beim 2ten Durchgang gekommen bist und vergleiche die beiden Ergebnisse.

Zitronenexperiment
Hierbei handelt es sich um eine Übung der Vorstellungskraft, kombiniert mit Dingen, die dein Unterbewusstsein bereits erlernt hat – in diesem Fall, wie eine Zitrone riecht und schmeckt. Schließe deine Augen und stelle dir vor, du hältst eine geschälte, reife, saftige und besonders saure Zitrone in deiner Hand. Spüre einmal wie sie sich anfühlt, wie schwer sie ist. Jetzt stell dir bitte vor, du führst die Frucht zu deiner Nase – wie sie riecht? -> was nimmst du wahr? Einen angenehmen frischen Zitronenduft? Je länger du daran riechst, umso prickelnder nimmst du diesen sauren Geruch auf. Nun führe die Zitrone Richtung Lippen, öffne den Mund und beiß in die Zitrone. Was passiert?

 

Sandra, wir freuen uns sehr über Deine Zeit, die Du Dir für uns genommen hast, Deine sehr interessanten Antworten und freuen uns darauf, die errungenen Erfahrungen schon bald am Trail testen zu können.

Sabine und Martin, ich freue mich, dass ich euch etwas über meine Arbeit und die Möglichkeiten des MentalTrainings erzählen durfte – habt viel Spass auf all euren Trails und Läufen und genießt es

 

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