Der 30-Jährige Leonberger Janosch Kowalczyk zählt zu den besten Trailrunnern Deutschlands und ist wohl einer der wenigen deutschen Athleten, die es auf den Ultratraildistanzen mit der Weltelite aufnehmen können. In seiner Vita steht eine Top 10 Platzierung im Rahmen der Ultratrail WM 2018 und der Sensationssieg im gleichen Jahr beim Ultra Trail Cape Town im Rahmen der Ultra Trail World Tour. Nach einem weniger erfolgreichen Jahr 2019 wagte Janosch in der Saison 2020 den Schritt in den Profisport. Wie es ihm in Corona-Zeiten geht, welche Erwartungen er 2020 an sich und den Rennzirkus hat und was es bedeutet in der Randsportart Trailrunning Profi zu sein erzählt er uns im Interview:
Trailrunner im Interview: Janosch Kowalczyk
Hallo Janosch, danke dass du dir Zeit genommen hast. Erste Frage natürlich: Wie geht es dir in dieser seltsamen Zeit? Wie sieht dein derzeitiger Trainingsalltag aus?
Janosch: Der Trainingsalltag wird erfreulicherweise immer alltäglicher :). Die weltweite Krise hat uns als Ausdauersportler komplett oder eben gar nicht getroffen. Und glaub mir ich hatte einige Tiefs die letzten Monate, aber auch wieder richtig konstante Wochen. Großveranstaltungen, zu denen Wettkämpfe sicherlich zählen, waren erstmal komplett vom Tisch, dem entgegen konnte man das Training in Deutschland glücklicherweise fast wie gewohnt durchziehen. Das heißt ich hatte im März und April 10 Wochen mit ordentlich Umfang und keine Unterbrechungen von Tapering und Wettkampferholung.
Welche eigenen Projekte standen in dieser wettkampffreien Zeit auf deiner To-Do-Liste?
Janosch: Tatsächlich plante ich schon vor Corona ähnlich wie es dann gekommen ist. Der Rössleweg (ein Fernwanderweg um meine Heimatstadt Stuttgart mit 56km/1000hm) stand als langes Training auf dem Plan. Und einen richtig langen Tag Hike&Run wollte ich ursprünglich vor UTMB auch machen. Eventuell sogar durch die Nacht und der Kandelhöhenweg (112km/3600hm) war auch im Gespräch mit meinem Coach.
Durch die neue Situation bin ich den Rössleweg als FKT mit richtig Druck gelaufen statt nur ein hartes Training zu machen. Dasselbe für den Kandelhöhenweg im Schwarzwald. Ich bin dann doch früh morgens los, da ich weniger die Erfahrung durch die Nacht als eine richtig schnelle FKT erreichen wollte.
In Trailrunnerkreisen machte Ende letzten Jahres das Gerücht „Janosch macht ein Profijahr“ die Runde. Was bedeutet das genau?
Janosch: Wie das mit Gerüchten so ist stimmt immer nur die Hälfte. Profi ja, nur ein Jahr nein :). Ich hatte den Traum schon länger im Hinterkopf und jetzt haben einige Punkte in meiner Situation zusammen gepasst. Meine Vision ist im hohen Alter zu wissen ich habe damals alles aus meinem Körper herausgeholt. Dafür wird ein Jahr nicht reichen und es soll auch definitiv nicht ein Jahr aus Backpacking, Urlaub und Wettkampfreisen werden. Ich möchte mir die Strukturen aufbauen, konsequent trainieren und möglichst erholsam im eigenen Bett schlafen. Und ich habe realisiert, dass meine Arbeit jetzt anders und zumindest im Kopf 24/7 stattfindet. Selten habe ich hungrig und müde so wenig Lust auf Sauna gehabt und den Sekunden der Sanduhr zugeschaut ;).
Dann werden wir sehen was im 2. oder 3. Jahr möglich ist und hoffe auf die ein oder andere Überraschung.
Wie hat dein näheres Umfeld auf diese Entscheidung reagiert?
Janosch: Familie und Freunde haben mich von Anfang an unterstützt! Mit Adidas Terrex habe ich super Unterstützung, hier steht der Athlet im Vordergrund und durch lachende und erschöpfte Zieleinläufe kommt man mehr in die Köpfe der Szene als irgendein Plakat jemals schafft.
Sonst außen rum gibt es schon ab und an Gerede, die meisten Leute meinen das nicht ernst. Aber genau diese flapsigen Kommentare nerven öfter. Hier sind wir bei dem Beispiel der Sauna. Oder wenn es maximal einen freien Tag in der Woche gibt, eher keinen.
Inwiefern hat das dein Leben verändert?
Janosch: Meine Wohnung in Leonberg habe ich behalten, das heißt relativ wenig. Für die Organisation des Alltags ist aber sehr viel Disziplin gefragt. Ich habe mittlerweile einen Stundenplan, da Dinge wie Stabi und Stretching sonst zu oft verschoben wurden.
Janosch hat jetzt Montag 7:00-7:30 Yoga, 10:30-12:00 90‘ DL mit Steigerungen, 13:30-17:00 Physio und Krafttraining mit Anfahrt nach Stuttgart…
Als großes Ziel hattest du 2020 den UTMB auf deiner Liste. Nach dem DNF 2019 ist nun das zweite Jahr in Folge in dem es nichts wird mit dem Zieleinlauf in Chamonix. Wie empfindest du die Absage? Startest du 2021 den nächsten Versuch?
Janosch: Ich finde die Absage richtig, wenn seit kurzem Reisestopps aus/in die USA bis Jahresende angekündigt sind. Ohne die US-Boys wäre es in Chamonix doch halb so lustig. Auf jeden Fall möchte ich 2021 in Chamonix ankommen und bis dahin habe ich sicherlich eine ganz andere Ausgangsbasis.
Hast du Rennen im Hinterkopf, auf die du für 2020 noch hoffst, bzw. wo du gerne starten würdest?
Janosch: Mein großes Saison-Ziel wird jetzt das Innsbruck Alpine Trailrun Festival Mitte September. Ich werde die 108km laufen und dort wirklich alles reinwerfen. Im August fahre ich nochmal 8 Tage nach Innsbruck und schaue mir die Strecke an. Dann werden wir sehen wie schnell ich mich erhole, vielleicht reicht es dann auch für das Jahr und eine frühe Saisonpause hilft in einem 2021 mit Normalität voll durchzustarten
Was sind deine großen (Sehnsuchts-) Ziele für die nächsten Jahre?
Janosch: Siegerehrung UTMB, ich meine die ersten 8 werden geehrt, weitere World Tour Rennen gewinnen und irgendwo in den USA eine hübsche Gürtelschnalle mit Grizzly oder Canyon erwerben.
Im Gegensatz zu vielen anderen Trailrunnern konzentrierst du dich auf einige wenige Saisonziele im Jahr, bei denen du dann Topleistung abrufst. Warum diese Strategie und nicht so viele Rennen wie möglich mitnehmen?
Janosch: Weil ich Perfektionist bin und öfter nicht mit mir zufrieden. Eigentlich ist die Strategie meinen Beinen geschuldet. Ich bin auch zu Volkslaufzeiten wenige Rennen gelaufen, denn ich hasse es an der Startlinie zu stehen und nicht komplett fit zu sein.
Halb voll: Weil ich mich richtig abschießen und im Rennen reinsteigern kann. Halb leer: Ich brauche viel länger Erholung als die Anderen.
Am Ende noch meine drei Standardfragen:
Trailrunning ist für mich…
Janosch: Trailrunning und Laufen im Allgemeinen ist meine Art zu verarbeiten. Es gibt Läufe für alle Situationen, Probleme und Emotionen die das Leben mit sich bringt. Das bedeutet ich nutze Trailrunning um abends echt müde zu sein und ordentlich Appetit zu haben. Ich überlege mir Pläne für Aufgaben und Projekte in meinem Leben oder nur um den Kopf frei zu bekommen. Oft habe ich beim Laufen die besten Ideen oder treffe wichtige Entscheidungen strukturiert während 20km lockerem Dauerlauf. Sehr oft bin ich auch zufrieden nach dem Laufen, ich habe etwas geleistet am Tag. Die richtig harten Trainingseinheiten oder Rennen testen mein Limit, stellen mich vor Herausforderungen und helfen mir Selbstvertrauen für alle anderen Aspekte des Lebens zu schöpfen.
Meine drei Trainingstipps:
Janosch: 1. Langsam anfangen und lange laufen, 2. Frühstücksläufe, 3. Alles essen üben
Meine drei Lieblingsausrüstungsgegenstände:
Janosch: Agravic Speed (LD), Agravic Splitshorts, 20-€
Vielen Dank und eine tolle, verletzungsfreie Saison 2020!