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Trailrunning, Social Media und Influencer: Eine toxische Dreiecksbeziehung

Kühl und majestätisch beherrscht der Berggipfel den Moment. Erhabenheit, die schon in der Romantik so oft beschrieben wurde. Es ist ein Gefühl, das man teilen möchte – heute über Social Media, früher über Gedichte. Das Smartphone wird zur Schnittstelle zwischen Trail, Herz und der Außenwelt. Doch wie viel Herzblut und Emotion stecken noch in einem sich auf teils perfide Weise perpetuierenden System der Aufmerksamkeits- und Profilierungsökonomie?

Ganz nah dran sein. Wer Emotionen wecken möchte muss dahin, wo es passiert. Jede unnötige Distanz schwächt das Nacherleben. Das Smartphones konserviert den Moment für die Ewigkeit.

Wer mit anderen Menschen teilt möchte, dass das Angebotene auch gesehen wird. Das war nie leichter als heute. Je überzeugender der Beitrag, desto größer die Aufmerksamkeit und die Reaktionen. Das wissen auch die Social Media Plattformen und springen ab einem gewissen Schwellenwert richtig an. Landest du über dem Threshold wird dein Content öfter sichtbar, bekommst du wieder mehr Reaktionen – und das Schwungrad dreht sich.

Eine Schlange kriecht ins Paradies

Mehr Reichweite bringt aber nicht einen Boost fürs Selbst, sondern auch mehr Interesse von Marketingmenschen. Die sprichwörtliche Schlange kriecht ins Paradies und bringt die Versuchung. Anstatt Geld in klassische Werbung bei z. B. Magazinen zu stecken, gibt es immer mehr Material und Leistungen für Menschen mit Social Media Reichweite: Influencer.

Das Teilen intensiver Momente ermöglicht plötzlich Zugang zu Produkten und Einladungen. Warum für das geliebte Hobby nicht auch noch einen Benefit bekommen? Daran ist ja nichts verwerflich. Was aber, wenn vor lauter Benefits die ursprüngliche Begeisterung ins Hintertreffen gerät?

Der Sündenfall

Wer als Influencer eingeladen wird, muss halt auch influencen. Also: posten und verlinken. Da kommen dann gerne mal so bescheidene Beiträge raus wie: „Ich checke gerade im Hotel ein…“ oder „Guten Morgen, ich frühstücke ein leckeres Power-Porridge dieser Firma…“ Wie spannend die Follower das finden, sei dahingestellt. Dabei sind die Follower (noch) eine zentrale Währung in dieser Rechnung.

Mehr Follower = (potenziell) höhere Reichweite = mehr Einladungen und Gratismaterial

Wer seine Follower-Gemeinde mit dem eigenen Content nicht schnell genug ausbauen kann, kann sich deshalb eine – nennen wir es Anschubfinanzierung leisten. Oder um es klar zu sagen: Sich Follower kaufen. Die entsprechenden Dienstleister sprechen Influencer mittlerweile schon proaktiv an. Kauf dir doch einfach 10.000 neue Follower. Entweder am Stück oder über einen gewissen Zeitraum verteilt, damit es weniger auffällt. Vielleicht sogar mit ein wenig Interaktion zu deinen Beiträgen – das sieht echter aus als reine Bot-Follower. Und wer folgt nicht lieber dem Influencer, dem schon 38.000 andere folgen und vertrauen, als dem kleinen Account mit nur 2.200 Followern?

Ist das Schummelei? Ja.

Schattentheater

Wie verwerflich das ist, können wir alle selber entscheiden und dabei auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Perfide wird es allerdings, wenn wir nochmal über das Thema „Werbung“ nachdenken. Die zufällig im Video getragenen Schuhe sind wahrscheinlich Werbung. Und wenn die Aufnahme vom Rennen gemacht ist, zu dem eingeladen wurde, kann die dargestellte euphorische Stimmung auch ganz schnell wieder verschwinden. Szenen wie folgende sind leider weder ausgedacht, noch übertrieben:

Während der Aufnahme: „Wow, ich bin bei der Veranstaltung und bin mega heiß auf morgen. Ich habe ein richtig gutes Gefühl und es ist supercool hier!“ Keine 10 Sekunden nach der Aufnahme: „Au man, wie lange dauert diese Veranstaltung eigentlich noch? Ich habe echt keine Lust hier zu sein.“

Wenn sowas passiert, ist es dann trauriger für die Follower, dass das gezeigte nicht real ist, oder für die postende Person, weil aus der ursprünglichen Motivation Herzblutmomente zu teilen die Frage wurde, welcher Hintergrund instragramable ist, oder schlimmstenfalls, mit welchem Content jetzt noch die Vereinbarung für z. B. die Hotelübernachtung erfüllt wird?

Reality-Check

Hohe Reichweite kann also – muss aber nicht – gekauft sein. Happy-clappy Content kann also – muss aber nicht – ziemlicher Fake sein. Und wie sollen wir als Konsumierende nun wissen, ob wir gerade ganz nah dran sind an der Realität, an dem Gefühl, an der Authentizität?

Da bleibt vor allem ein Bauchgefühl. Wir merken oft, welche Inhalte uns ansprechen und glaubwürdig erscheinen. Man spürt das Herzblut darin – auch wenn der eine oder andere Beitrag halt im Auftrag passiert ist.

Ob die Reichweite allerdings echt oder zumindest teilweise gekauft ist, kann man auch ganz einfach selber checken. Sucht einfach mal in der Suchmaschine eurer Wahl nach „Instagram Fake Account Check“ und gebt dann die Accounts ein, denen ihr gerne folgt. Das Ergebnis ist unter Umständen…. Ach, seht selbst.

Tobias Gerber