Trailrunner im Interview: Anna Hahner

Anna Hahner beim Azores Trail Run im Rahmen der Golden Trail Nationalseries © Azores Trail Run / martiskka

Erst mit 17 Jahren entdeckte Anna Hahner nach einer breiten sportlichen Grundausbildung ihr Talent fürs Laufen. Als Olympionikin und mit einer Marathonbestzeit von 2:26:44 gilt sie als eine der besten deutschen Straßenläuferinnen des letzten Jahrzehnts. Zusammen mit ihrer Schwester Lisa ist sie Teil der Hahnertwins und gehört wohl zu den populärsten Leichtathleten Deutschlands. 2018 „trennte“ sich das Geschwisterpaar: Anna zog es in den Chiemgau, Lisa lebt und trainiert in Berlin. Im Sommer diesen Jahres erschien Anna beim Kaiserkrone Speedtrail zum ersten Mal in den Ergebnislisten eines Trailwettkampfes und mischt seitdem nicht nur die Szene mächtig auf – nein, sie ist auch ein echter Gewinn für die Sportart Trailrunning. Auf Madeira beendet sie eine erfolgreiche erste (halbe) Saison auf Trails. Zeit für ein paar Fragen:

Interview Anna Hahner

Hallo Anna, vielen Dank für deine Zeit. Als erstes die voraussehbare Frage: Wie kommt eine so ambitionierte und erfolgreiche Straßenläuferin zum Trailrunning?

Im ersten Moment würde ich Zufall sagen, mittlerweile schon fast Schicksal, weil es sich so wie eine neue Bestimmung für mich anfühlt. Im Frühjahr diesen Jahres wurde ich von adidas running gefragt, ob ich den Trailläufer Janosch Kowalczyk bei seinem Everesting auf den Hochgrat für eine Runde begleiten würde. Da habe ich spontan zugesagt und mich quasi simultan in das Trailrunning verliebt. Zwei Wochen später habe ich dann zusammen mit dem Trailläufer Marcel Höche selbst ein Quartereveresting gemacht und mich am nächsten Tag für meinen ersten Trailwettkampf angemeldet. Um es im Beziehungsjargon auszudrücken, es war „Liebe auf den ersten Blick“.

Wie erlebst du die Wettkämpfe und die gesamte Szene? Gibt es deutliche Unterschiede zum Straßenlauf?

Mein Gefühl ist, dass beim Trailrunning die Community viel enger und familiärer ist. Ich wurde sofort mit offenen Armen und Herzen aufgenommen, habe zahlreiche Tipps bekommen, konnte jede Frage stellen, vor die mich das Traillaufen gebracht hat. Wie teile ich mir einen Wettkampf ein? Ist das downhill Laufen eine Art Erholung oder eben auch Belastung? Wie verpflege ich mich? Wie laufe ich sturzfrei und am schnellsten den Berg runter? Bei den Wettkämpfen geht es vor dem Startschuss auch entspannter zu als bei Straßenläufen. Es gibt weniger Positionskämpfe an der Startlinie, generell ist es vor und nach dem Wettkampf ein starkes Miteinander und selbst im Wettkampf zwar ein Konkurrenzkampf, aber kein Gegeneinander.

Du bist Teil des Adidas Terrex Team. Wie kann man sich das vorstellen? Trainiert ihr zusammen? Tauscht ihr euch aus? Gibt es Unterschiede zu deinen bisherigen Erfahrungen in der Leichtathletik?

Anna Hahner beim Chiemgau Trailrun im Rahmen der Salomon Golden Trail World Series © @jsaragossa

So einen Teamgedanken habe ich bisher nur im Radsport gesehen. Das ist einzigartig. Es gibt immer wieder gemeinsame Trainingsmaßnahmen, von Terrex selbst organisiert oder von den Athleten untereinander. Robert Mücke, der Kopf von allem, hat es geschafft, aus einzelnen Athleten, ein Team zu bilden, das sich gegenseitig supportet und auffängt, wenn es bei einem mal nicht so gut läuft. Genau das sind ja die Momente, in dem man so ein Team am meisten braucht. Wenn der Erfolg und die Leistung da sind, kommen die Unterstützer und die Leute, die einen tollen finden, automatisch. Dieses Vertrauen, was einem als Athlet geschenkt wird, habe ich bisher in meiner Karriere nur ganz selten kennengelernt. Unser Langjähriger Partner Bauerfeind gehört da definitiv dazu, aber so etwas ist schon extrem wertvoll und selten.

Hat sich dein Training im letzten Jahr grundsätzlich verändert? Was ist neu, was würde auch in einen Marathonplan passen?

Der größte Unterschied sind wahrscheinlich die Höhenmeter und auch die Wettkampfkilometer, die bei mir im Traillaufen deutlich über den Wettkampfkilometern im Marathon liegen. Dort bin ich meist 2 Marathons im Jahr gelaufen und vielleicht noch 2 Vorbereitungswettkämpfe. Ein Teil meines Marathontrainings ergänzt sich aber auch sehr gut mit dem Traillaufen. Beispielsweise bin ich dort in der unspezifischen Phase auch Bergintervalle auf dem Rad gefahren oder habe Maximalkrafttraining mit der Langhantel gemacht. Beides Sachen, die ich auch jetzt noch fürs Traillaufen jederzeit machen könnte.

Du hast dich in einem Interview geäußert, dass du dich weder als „Straßenläuferin“ noch als „Trailrunnerin“, sondern einfach als „Läuferin“ siehst. Auch ich würde das dick unterstreichen. Kannst du unseren Lesern deine Gedanken kurz erläutern.

Ich verstehe das voll, dass Menschen gerne andere Menschen in Schubladen stecken. Einfach, weil sie es gewohnt sind und weil es einfacher ist. Doch wenn ich mich als Trailläuferin bezeichne, schließe ich die Straßenläufer aus und was ist, wenn ich im nächsten Jahr auch wieder mal bei einem Straßenlauf starten würde? Bin ich dann eine ehemalige Straßenläuferin, die nun als Trailläuferin einen Straßenwettkampf macht? Ich persönlich fände es extrem schön, wenn die beiden Szenen enger zusammenrücken würden, denn ich glaube da können beide Seiten extrem voneinander profitieren.

Als beste Deutsche beim Finale der Golden Trail National Series belegtest du auf den Azoren den beachtlichen siebten Rang. Kannst du das Event und deine Erfahrungen kurz beschreiben?

Das war gigantisch. Die Natur und die Landschaft dort haben mich komplett geflasht. Und das Etappenrennen alles von mir gefordert 😉 Die größte Belastung waren nicht nur die Wettkämpfe, sondern dass es quasi keine Zeit für Regeneration gab. Nach und vor den Wettkämpfen saßen wir immer erstmal im Bus oder auf der Fähre, um zum nächsten Wettkampfort oder zum Hotel zu fahren. Dort habe ich aber auch wieder diese Community gespürt, über die wir schon anfangs gesprochen haben. Es war ein krasses Gefühl von „Miteinander“.

Wenn man dein Gesicht beim Laufen in den Bergen sieht, merkt man du hast Blut geleckt und die Begeisterung ist nicht zu übersehen. Planst du auch 2022 Wettkämpfe auf Trails? Was sind deine Saisonziele?

Ja, auf jeden Fall. Und für 2022 möchte ich tatsächlich planen, im Gegensatz zu diesem Jahr, in dem ich mich in gewisser Weise von einem zum nächsten Wettkampf habe treiben lassen. Der OCC beim UTMB wird wahrscheinlich der wichtigste Wettkampf für mich im nächsten Jahr sein und auch meine bisher längste Wettkampfdistanz. Da freue ich mich sehr drauf, ich konnte in diesem Jahr schon etwas Chamonix Luft schnuppern und kann es kaum erwarten, dort selbst die Laufschuhe zu schnüren.

Anna Hahner beim Azores Trail Run im Rahmen der Golden Trail Nationalseries © Azores Trail Run / philippreiter

Auch deine Schwester Lisa hat mit Sicherheit ein Faible für Natur und Berge. Konntest du ihr das Trailrunnig schon schmackhaft machen? Ein Hahnertwins-Team beim Transalpine Run fände ich ja schon cool…. Gibt es hier Ambitionen?

Haha, das wäre echt was. Doch das wird nicht im nächsten oder übernächsten Jahr passieren. Lisa brennt für die Straße und für den Marathon und hat das Gefühl, dass sie dort noch nicht abgeschlossen hat. In den letzten Jahren hatte sie immer wieder Herausforderungen zu meistern und konnte noch nicht das zeigen, was sie drauf hat. Das Kapitel Straße ist für sie noch nicht abgeschlossen. Für mich übrigens auch nicht zwangsläufig.

Zum Schluss bitte noch die Bierstory beim Rennsteiglauf…..

Ohje, das ist echt eine verrückte Geschichte. Bei der letzten Verpflegungsstation bei Kilometer 37 wollte ich mir einen Trinkbecher greifen, da ich keine Weste anhatte und somit auf die Verpflegung an der Strecke angewiesen war. Ein Mann hat meinen Weg gekreuzt und somit musste ich an ihm vorbei und an die hintere Kante vom Tisch laufen. Habe mir dort einen Becher geschnappt, gesehen dass dort dunkle Flüssigkeit drin war und habe somit vermutet, dass es Cola sei. Nach einem Schluck war mir jedoch klar, dass es Bier ist. Und gleichzeitig habe ich mich daran erinnert, dass es Köstritzer Schwarzbier nicht alkoholfrei gibt. Naja, dann habe ich eben das Schwarzbier getrunken und gehofft, dass ich den Alkohol verbrenne bevor ich ihn spüre. So ein bisschen benebelt habe ich mich auf den letzten fünf Kilometern gefühlt, doch gleichzeitig habe ich meine Führung sogar noch ein Stückchen ausbauen können. Vielleicht hat’s mich also auch angetrieben 😉 

Vielen Dank liebe Anna und alles Gute beim MIUT!

Weitere Infos zu Anna und Lisa Hahner

Mit ihrem Hahnertwins Coaching begleiten Anna und Lisa sowohl Trail- als auch Straßenläufer dabei, ihre Ziele im Bereich Training und Ernährung zu erreichen. Mehr Infos dazu findest du auf www.hahnertwinscoaching.de