GGUT 2018: Mystischer Trailrun am Großglockner

Morgendämmerung beim GGUT2018 © www.andifrank.com

Fieberwahn? Midlife Crisis? Todessehnsucht? Ich weiß es nicht genau, was mich dazu bewogen hat zusammen mit 300 „Verrückten“ um 22:00 Uhr an der Startlinie zum „anspruchsvollsten Trailrun der Ostalpen“ zu stehen – dem Großglockner Ultra Trail. 110 Kilometer, 6500 Höhenmeter – die Hälfte der Strecke bei Nacht – und das im teilweise hochalpinen Gelände auf Höhen bis knapp an die 3000 Meter Grenze.

Erlebnis Ultratrail

Vier Strecken stehen zur Auswahl beim GGUT, die alle ihren ganz speziellen Reiz haben. Da sind die 30 Kilometer ab der Weissee Gletscherwelt, mit deutlich mehr Kilometern im Downhill als Bergauf. Der schnelle 50er mit dem technisch anspruchsvollen Mittelteil. Die neu geschaffene 75k Strecke durch die „schönsten Teile der Glocknergruppe“. Oder eben die Königsdisziplin – dieses Monster mit 110 Kilometern auf der so gennannten „Glocknerrunde“ rund um Österreichs höchsten Berg, den Großglockner (3798 m).

Gemeldet war ich auf der 75k Strecke, doch eine Sommergrippe im Vorfeld machten jegliche sportliche Ambition zunichte. So entschied ich mich kurzfristig für das Abenteuer – die Strecke mit dem höchsten Erlebniswert: In der einzigartigen Landschaft des Nationalparks Hohe Tauern geht es durch 3 Bundesländer, 7 Täler, 6 Gemeinden, 2 Mal über die Alpen, vorbei an 14 Gletschern, rundherum rund 300 Gipfel mit mehr als 3000 m. Garniert wurde das Ganze durch eine Jahrhundertmondfinsternis. Auf 110k statt die angepeilten 75k umzumelden wenn man sich nicht ganz fit fühlt hört sich erst einmal dämlich an, aber meine Gedanken waren folgende: Wenn ich das Ganze als Erlebnis anstatt als Wettkampf sehe, würde es mir leichter fallen ein gesundes Wohlfühltempo zu finden, auf die Signale meines Körpers zu hören und gegebenenfalls die Notbremse zu ziehen.

Flauer Magen beim Start

Wohl ist mir nicht am Start: Gerade zog noch ein mächtiges Gewitter über Kaprun, mein Tag begann bereits um 4:30 Uhr morgens mit meinem Jüngsten, anschließend Zeugnisse austeilen, 6 Stunden Anfahrt am heftigsten Verkehrswochenende des Jahres, Medienmeeting als Pressevertreter, Abendessen versäumt, Rucksack 100mal umgepackt – perfekte Vorbereitung auf meinen ersten Lauf über 100 Kilometer sieht anders aus. Auch in Sachen Nachtlauf war ich ein absoluter Rookie. Glücklicherweise bekam ich während meiner Anreise auf einem Parkplatz der B20 vom SILVA Vertreter meines Vertrauens noch einen Prototypen der SILVA Cross Trail 5X überreicht um nicht komplett im Dunkeln zu tappen. Keine Ahnung ob ich nachts überhaupt laufen kann, wie mein Körper auf die nächtliche Nahrungsaufnahme reagiert und wie sehr mir die Müdigkeit zu schaffen machen würde – ein echtes Abenteuer also.

Begleitet von begeisterten Zuschauern und Helene Fischer aus den Boxen laufen wir also los – atemlos durch die Nacht. Die 2,5h bis zur ersten Verpflegung nach Ferleiten vergehen wie im Flug. Zu hoch das Adrenalin, zu spannend dieser Nachtlauf um an Schlaf überhaupt zu denken. Die Pfade sind noch nicht zu technisch, sodass der Blick immer wieder gen Himmel wandert um diese beeindruckende Mondfinsternis zu begutachten.  1500 Höhenmeter und 22 Kilometer haben wir hier bereits in den Beinen, bevor wir die Zivilisation endgültig verlassen und in die faszinierende Bergwelt der Hohen Tauern eindringen. Durch das Käfertal arbeiten wir uns kompromisslos hoch zu Pfandlscharte auf 2.663 m. Es folgen einige der beeindruckendsten Momente meines bisherigen Trailrunnerlebens: Der Blutmond leuchtet teilweise zum Greifen nah, darunter der nicht weniger rote Mars, um kurz darauf wieder völlig zu verschwinden und die Szenerie in vollkommene Dunkelheit zu hüllen. Hochalpine Pfade, schneebedeckte Berggipfel und endlose Stille um mich herum. Beim Blick nach Hinten – teilweise noch weit unten im Tal – eine schier endlose Lichterkette, erzeugt durch hunderte Stirnlampen. Kurz vor dem Gipfel sind 200 Höhenmeter über ein Schneefeld zu bewältigen. Kräftezehrendes Stufenschlagen, Abrutschen, Akkuwechsel bei vollkommener Dunkelheit und klammen Fingern inklusive. Eine echte alpine Herausforderung also.

Spiritueller Trailrun auf hochalinen Pfaden

Über den Wiener Höhenweg zur Salmhütte bis hoch zur Pfortscharte auf 2.838 m folgt ein weiterer unvergesslicher Streckenabschnitt. Der Vollmond auf dem hochalpinen Singletrail erzeugt in der einsamen Bergwelt eine fast mystische Stimmung. Ich laufe mittlerweile mutterseelenalleine, nichts anderes wahrnehmend als meine Atmung, den Trail und die An- und Entspannung der Muskeln. Es ist ein meditatives, fast spirituelles Laufen und noch nie in meinem Leben war ich so eins mit Körper, Geist und der Natur. Abwärts ins Ködnitztal bis zur Lucknerhütte dann diese Morgendämmerung mit Sonnenaufgang in den Hohen Tauern. Siebeneinhalb Stunden bin ich jetzt unterwegs und keine Sekunde davon müde. Zu zahlreich die Highlights, zu beeindruckend das Naturschauspiel dem ich hier beiwohnen darf.

Wohlwissend, dass die Reise für mich in Kals zu Ende ist genieße ich auch die letzten 10 Kilometer. Gerade in den Höhenlagen zeigten mir Hustenanfälle, die triefende Nase und Halsschmerzen, dass die Sommergrippe immer noch nicht zu 100 % auskuriert war. Ich hatte mir und meiner Frau im Vorfeld versprochen, bei den kleinsten gesundheitsgefährdenden Anzeichen in Kals auszusteigen und den Ultra nicht auf Teufel komm raus durchzuziehen. Trotzdem fällt es mir schwer nach 61 Kilometern, 4500 Höhenmetern, 8:51h und auf Rang acht liegend loszulassen. Zu gut die Beine, zu aussichtsreich die Platzierung. Aber was solls: Ich hatte einen der spektakulärsten, prägendsten und erlebnisreichsten Trailruns meines Lebens hinter mir, konnte mir den Start der 50k in Kals ansehen, um 9:00 Uhr im Hotel frühstücken und Mittags die Zieleinläufe der Sieger in Kaprun beklatschen.

„One time quitter, always quitter“? „Lucky looser“!

„One time quitter – always quitter?“ Ich weiß es nicht. Trotz DNF hatte ich auf und an den Trails beim GGUT 2018 einen unglaublich schönen und glücklichen Tag. Ich würde mich also eher als „Lucky looser“ bezeichnen.

Trotzdem ist dieser Großglockner Ultratrail zu spektakulär, zu selektiv, zu atemberaubend schön um ihn nicht zu beenden. Ich werde also ganz bestimmt wiederkommen. Mit einem Plan, einer Vorbereitung, einem Gesundheitszustand und einem klaren Ziel vor Augen. Wie es sich für so ein „Monster von Trail“ gehört. Diesmal nicht als laufender Redakteur, sondern als Sportler! 

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