Sunshine in my heart: Madrisa Trail im Regen

Madrisa Trail © madrisatrail.ch

Basilia Förster finishte vergangenes Wochenende als dritte Dame Overall den Madrisa Trail. Hier berichtet sie von ihrem Saisonauftakt auf Trails 2020:

Madrisa Trail is calling

Bis zum letzten Augustwochenende musste ich auf meinen ersten Ultratrail in diesem Jahr warten. Dann endlich. Madrisa Trail is calling. Wolkenverhangen präsentiert sich das Prättigau, als wir am Samstag eintreffen. Doch meine Vorfreude ist davon unberührt. Die Magie der Davoser Bergwelt gründet auf prägenden Erfahrungen unbeschreiblicher emotionaler Intensität. Über 45 Stunden bin ich hier vor vier Jahren beim Irontrail T201 gelaufen. Es waren die gleichen schaurigen Gewitterwolken, die innerhalb weniger Stunden unvorstellbare Wassermassen mit sich brachten. Dieser Lauf hatte mich verändert. Fast zwei Tage und Nächte bewegte ich mich im Spannungsfeld schier unerschöpflicher menschlicher Energie und bedrohlicher Naturgewalten. Der graue Grundton, der heute den Startort Klosters dominiert, erinnert mich an damals. Jeden einzelnen Grauton auf einer kontinuierlich unterschiedenen Farbpalette innerhalb der entgegengesetzten Pole der Schwärze der Nacht und dem Weiß der Schneeflocken hatte ich damals kennengelernt. Die assoziativ verknüpften Emotionen kehren zurück. Ich spüre die Gänsehaut, die Anspannung, Vorfreude, Aufregung und das unbedingte Verlangen, all das wieder zu erleben. Die damals erworbene Erkenntnis lässt mich nicht mehr los. Die Sonne und ihre Strahlen sind immer da. Heute und Morgen sind sie nur etwas verdeckt. Trotzdem gelangen sie in mein Inneres – Sunshine in my heart.

Organisatoren leisten Unvorstellbares

Der Veranstalter leistet bereits im Vorfeld schier Unvorstellbares. Zunächst erforderten die Pandemiebeschränkungen eine Streckenverlegung. Nun musste erneut auf die Unwetterwarnungen reagiert werden. Mehrmals. Um acht Uhr morgens fällt schließlich der Startschuss. Im Vorfeld existierende Gedanken an die zurückliegende Trainingsvorbereitung wie an den vor mir liegenden Rennverlauf lösen sich mit dem ersten Laufschritt auf. Der Regen hat etwas Gutes. Er zwingt mich zur Präsenz. Meine Wahrnehmung fokussiert sich auf das eindringende Nässe. Jede Bewegung erlaubt es dem Wasser, sich den Weg durch die Kleidung zu bahnen. Das Beste ist, sich damit abzufinden.

Durch Sturzbäche zum Schaffürgli

Das Rennen beginnt schnell. 47 Kilometer mit 2.500 Höhenmetern liegen vor uns. Leicht ansteigend geht es auf dem Schotterweg entlang des Flusses Landquart aus Klosters hinaus. Eine 30m lange Hängebrücke erinnert schon bald an den Trailcharakter des Laufes. Auf einer Anhöhe wartet Michael am ersten Verpflegungsposten mit Trinkflasche und Gel auf mich. Das Läuferfeld ist hier noch dicht beisammen. Erst auf dem Singletrail nach Schlappin entzerrt es sich zunehmend. Der Weg quert einige Sturzbäche. Immer öfter vereinen sich diese mit dem Trail und bilden große Pfützen. Anfangs versuche ich diese noch zu umlaufen. Erfolglos. Egal. Also mitten durch. Das Wasser in meinen Schuhen schwappt bei jedem Schritt. Abwechselnd in Fersen- und Zehennähe bahnt es sich seinen Weg durch die Socken.

Die gewonnenen Höhenmeter gibt die Strecke in steilen Downhills regelmäßig wieder ab. Der Regen wird nun stärker. Versuchten anfangs noch einzelne Stellen meines Körpers trocken zu bleiben, hatten sie zwischenzeitlich ihren Widerstand aufgegeben. Jeder trockene Körperteil steht in Kontrast zu der in ihrer Nässe eine Einheit bildenden Umwelt. Ich tauche nun vollends in diese Homogenität ein. Der malerische Schlappinsee personifiziert das dominierende Element des Wassers.

Platz 3 und damit Podium für Basilia

Nun geht es steil hinauf auf das Schaffürggli. Neben der Nässe kriecht mit zunehmender Höhe nun auch die Kälte immer stärker unter mein Langarmshirt. Mir hilft meine Erfahrung. Die Kälte würde im weiteren Anstieg zunehmen, der Wind auf dem höchsten Punkt diesen Effekt zusätzlich verstärken. Doch beim Abstieg verläuft dieses Szenario entgegengesetzt. Ich entscheide mich gegen das Anziehen einer Jacke. Zu knapp sind die Abstände. Zwei Läuferinnen kämpfen mit mir um die Plätze 2 bis 4. Am meisten frieren meine Hände. Das Greifen meiner Stöcke wird zusehends schwieriger. Zu Beginn des Downhills hört sogar kurz der Regen auf und die Sonne lässt sich hinter Wolken und Nebel erahnen. Vor dem zweiten Verpflegungspunkt erwartet mich Michael mit Gel und Getränk. Mit neuer Energie kämpfe ich mich im Downhill auf Platz 2 vor. Nun geht es in stetem Auf und Ab durchs Tal. Mir geht es fantastisch. Ich renne, tanze durch den Regen. Nun setzt auch das angekündigte Gewitter ein. Erst zögerlich, dann immer stärker. Und schon ist es passiert. Ich bin von der Strecke abgekommen. Ich laufe eine kleine Schleife. Frage einen Mann. Er führt mich zurück auf den Weg. Blitz und Donner begleiten mich über die Talbrücke. Vielleicht fünf Minuten habe ich verloren. In Serneus ruft Michael mir zu, „2 Minuten auf Platz 2“. Ich ärgere mich über mich selbst. Aber auch das gehört zum Trailrunning. Trotzdem fällt es mir schwer, mich wieder auf den Moment zu konzentrieren. Der matschige Anstieg hilft mir dabei. Meine Stöcke unterstützen mich. Ein letzter Downhill, bevor es nochmal durch den Ort geht. Bald erkenne ich die Startarena vor mir. Nach 5:49h laufe ich durch den Zielbogen. Platz 3 und damit Podium. Ich freue mich über diesen gelungen Start in die verspätete Trailsaison. Bei der Siegerehrung erhalten wir alle ein großes Stück Bündner Käse. Kathrin Götz lief erwartungsgemäß in einer anderen Liga. Helene Ogi hat mich gefordert, absolut alles zu geben. Ich freue mich riesig, mit den beiden schnellen Schweizerinnen auf dem Podium zu stehen. Der Sonnenschein in meinem Herzen hat nun auch das Wetter überzeugt. Pünktlich zum Rennende zeigt sich Klosters nun im Sonnenschein. Die Magie dieser Landschaft ist geblieben. Ich freue mich schon darauf, bald einmal die Originalstrecke zu laufen.

Der offizielle Rennbericht

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