Der Großglockner Ultratrail: GGUT aus der Sicht eines Staffelläufers

Siegerehrung GGUT - Staffel Männer © Christian Mayer

110 km und 6.500 HM im Anstieg sind nur die nackten Zahlen für einen Lauf, der gekennzeichnet ist von extrem steilen An- und Abstiegen und von kräfteraubenden, zermürbenden aber ebenso faszinierenden Passagen in der rauhen Natur rund um das Glocknermassiv. Nicht umsonst bezeichnete Stephan Repke im Jahr seiner Premiere 2015 den GGUT als ein vom Organisationsteam erschaffenes Monster.

Um für eine mögliche CCC- Teilnahme genügend Punkte sammeln zu können, versuchte ich meinen Freund Martin Bauer im Dezember 2016 vom GGUT zu überzeugen und zu einer Teilnahme zu bewegen. Bei dieser Strecke bedarf es keiner großen Überredungskunst, so dass wir beschlossen den GGUT gemeinsam als Staffel zu bewältigen. Aus ITRA- Punkte taktischen Beweggründen entschieden wir, dass ich den ersten Teil der Strecke mit insgesamt 62 km und 4.500 HM im Anstieg laufen würde.

Die ersten Kilometer – ruhiger und entspannter Beginn des Rennens

Und so fand ich mich am Freitag, 21.Juli um kurz vor 23.00 Uhr im Startbereich in Kaprun wieder. Da dies meine bisher längste Strecke mit den meisten zu bewältigenden Höhenmetern werden sollte, war ich extrem aufgeregt und nervös. Nun gab es aber kein Zurück mehr und pünktlich um 23.00 Uhr wurden wir auf die anspruchsvolle Reise durch 3 Bundesländer, 7 Täler und vorbei an 14 Gletscher geschickt. Nach dem ersten relativ flachen Kilometer durch Kaprun ging es gleich zum Eingewöhnen über Serpentinen auf den Rettenbachkopf. Von dort bot sich ein schöner Ausblick auf das nächtliche Bruck an der Großglocknerstraße. Aufgrund meiner schlechten Erfahrungen meines letzten Laufes in Cortina ging ich dieses Rennen relativ konservativ an und ließ viele erst einmal vorbei ziehen.

Nach 14 km erreichten wir Fusch am Großglockner und hatten hier bereits die ersten 1.000 HM hinter uns gebracht. Die angekündigte Wasserstelle entpuppte sich als Dorfbrunnen der kleinen Gemeinde, so dass es in meinen Augen keinen Grund für einen längeren Aufenthalt gab und nun meine Hoffnungen auf eine üppig bestückte Verpflegungsstelle im 8 km entfernten Ferleiten lagen. Leider war dort meine Enttäuschung groß, als ich feststellte, dass anstatt der von mir heiß geliebten Cola eines namhaften amerikanischen Herstellers nur das österreichische Pendant angeboten wurde.  Auch wenn dies in den Augen vieler ein Luxusproblem darstellt, so sind es doch die kleinen Dinge die oftmals darüber entscheiden, wie sich die Dinge entwickeln. Und da diese österreichische Brause nun überhaupt nicht mein Geschmack ist, nahm ich drei Wassermelonenstücke in die Hand und zog schmollend davon ohne mir überhaupt einen Überblick über die restliche Verpflegungsstation zu verschaffen. Mir war die fehlende Verpflegung in diesem Moment ziemlich egal, da ich mich von vornherein auf einen großen Anteil Selbstverpflegung eingestellt hatte und ich einen großen Vorrat an Energieriegel- und gels bei mir trug.

Abschnitt Ferleiten zum Glocknerhaus – ich komme immer besser in Fahrt

Der nun folgende  Abschnitt zwischen der Mautstelle Ferleiten und dem Glocknerhaus stellte die erste große Belastungsprobe dar, da auf den nun folgenden 15 km die untere Pfandlscharte (2668 m) und insgesamt 1.500 HM im Anstieg überwunden werden musste. Ging es zu Beginn bis zur Trauneralm auf 1540 m Höhe noch leicht bis mäßig steigend voran, wurde es von dort aus immer steiler, so dass wir zwischen Kilometer 29,5 und 33,5 nun 1.100 m im direkten Anstieg bewältigen mussten. Neben der Steilheit des Geländes hatten wir mit der Dunkelheit und einem immer stärker werdenden Wind zu kämpfen. Als ob dies noch nicht reichen würde, erreichten wir ca. einen Kilometer vor Überschreitung der Pfandlscharte ein etwa 400 m langes, steiles Schneefeld. Dort angekommen ging mein Blick nach links und rechts um ein eventuell angebrachtes Fixseil entdecken zu können. Da dort aber keine Sicherung vorhanden war, sprach ich noch schnell ein Stoßgebet und rammte meine Stöcke in das Schnee-Eis-Gemisch. Vorsichtig nach Tritt suchend ging es relativ zügig voran. Da ich diese für mich ungewohnte und beängstigende Situation möglichst schnell überwinden wollte, beachtete ich in diesem Moment nichts mehr, und konzentrierte mich nur noch auf den nächsten Schritt. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Breite der Aufstiegsfläche konnte ich viele Läufer im direkten Uphill überholen und hinter mir lassen. Mit einer Art Tunnelblick kämpfte ich mich voran und wurde an der Scharte von einem Mitglied der Bergwacht mit einem „Bravo“ empfangen. Glücklich ging ich in den nun folgenden sehr steilen Downhill über und lief, oder besser gesagt stolperte Richtung Glocknerhaus. Eigentlich wollte ich am Glocknerhaus mit einen schönen und überwältigenden Sonnenaufgang empfangen werden. Stattdessen wurde ich von einem wolkenverhangenen und einer noch ziemlich finsteren Umgebung begrüßt. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es erst 5 Uhr am Morgen ist und ich entgegen meiner eigenen Zeitvorstellung wesentlich schneller unterwegs war. Da ich mich gut fühlte, füllte ich nur meine Wasserflaschen wieder auf, schnappte mir wieder meine obligatorischen drei Stück Wassermelone und lief sofort wieder weiter.  

Abschnitt Glocknerhaus bis zum Lucknerhaus – Gewitter in den Bergen

Schön langsam dämmerte es und da ich mich bereits auf der zweiten Rennhälfte befand, warf ich alle guten Vorsätze über Bord und versuchte nun weiteren Boden gut zu machen. Dies gelang mir bereits zum nun folgenden Anstieg zur Stockerscharte. Da ich aber wieder einmal viel zu wenig gegessen und man auf dem schmalen Serpentinen kaum Gelegenheit zum überholen hatte, schob ich mir zunächst ein Gel und anschließend noch einen Riegel rein.  Dies nervte scheinbar einen Läufer direkt vor mir so sehr, dass dieser freiwillig zur Seite weg ging und mich vorbei ließ. An der Stockerscharte selbst erhielt ich von einem Bergwachtler die Information, dass ich zu diesem Zeitpunkt sehr gut im Rennen lag und circa. 30 Läufer vor mir auf der Strecke sich befanden. Genau in diesem Moment meldete sich mein Mobiltelefon. Es war mein Freund Martin Bauer, der sich noch in Kaprun befand und mir freudig mitteilte, dass ich mich in der Staffelwertung auf Platz 2 befand. Von nun an gab es kein Halten mehr für mich und ich wollte nur noch genügend Vorsprung auf Platz 3 aufbauen und diesen 2. Rang bis nach Kals zur Übergabe verteidigen. Dies bedeutete aber im Umkehrschluss, dass sich vor mir nur noch Pau Capell als Staffelläufer befand, ich diesen Weltklasseathleten niemals einholen werden würde und meine Aufgabe darin bestand nach hinten abzusichern. Ich zog noch an drei Läufern vorbei und passierte mit einem Lächeln die Salmhütte, an der ich wieder von einigen Organisationsmitgliedern mit Beifall begrüßt wurde. Direkt nach der Salmhütte drehte nun aber das Wetter komplett. Ich befand mich kurz vorm Anstieg zur Pfortscharte, als ein heftiges Gewitter begann. Sofort begann bei mir der Denkprozess. Was sollte ich tun – einfach weiter laufen – ich würde ziemlich schnell durchnässt sein und auf einer Höhe von 2600 m würde das die Gefahr einer Unterkühlung nach sich ziehen – anhalten und Regenjacke an – das würde mir vermutlich etwas Zeit kosten, aber das Problem haben alle hinter mir. Ich entschied mich für das vernünftigste, hielt an, streifte die Regenjacke über und lief weiter. Von Blitz und Donner ließ ich mich nicht beeindrucken und mit diesem heftigen Gewitterschauer kämpfte ich mich den Anstieg zur Pfortscharte hoch. Wie ich anschließend erfuhr, führte dieses Gewitter sogar zu einer kleinen Rennunterbrechung. Ich bekam von diesen nichts mit, da ich nur noch meinen 2. Platz im Kopf hatte und mit starken Willen nun nicht mehr zu stoppen war. Der nun folgende steile Downhill zum Lucknerhaus forderte meine ganze Konzentration, da ich bei Bergabpassagen sowieso immer meine Probleme habe. Kurz vor dem Lucknerhaus war auch das Gewitter überstanden und ich konnte mich der lästigen Regenjacke wieder entledigen. Dem Angebot bei der Verpflegungsstation beim Lucknerhaus schenkte ich keine Aufmerksamkeit, füllte etwas Wasser nach und lief weiter.

Abschnitt Lucknerhaus bis nach Kals – letzte Anstiege und der Empfang durch meine Liebsten

 Der nun folgende letzte größere Anstieg mit insgesamt 500 HM hoch zum 2244 m hohen Greibichl forderte ziemlich viel Kraft in meinem Kopf, da ich mich rein geistig bereits in Kals am Großglockner befand und ich die letzten zehn Kilometer noch mit Anstand hinter mich bringen wollte. Andererseits musste ich aber auch jetzt noch ordentlich durchziehen, da es nach wie vor darum ging, meinem Freund Martin einen möglichst komfortablen zeitlichen Vorsprung herauszulaufen. Der nun wieder einsetzende Regen störte mich nicht mehr. Eine weitere Zeiteinbuße für die Regenjacke kam für mich nicht mehr in Frage. Auf den letzten Metern hoch zum Greibichl holte ich noch eine Läuferin ein. Um diese zu überholen fehlte mir aber mittlerweile die Kraft, so dass ich geduldig hinter ihr lief. Zu meinem Glück entschied sich diese im nun folgenden Downhill zu einer Pause, so dass ich nun wieder mein Tempo laufen konnte. Die letzten Kilometer zogen sich unendlich und zu guter Letzt schickten mich die Organisatoren noch auf den Kalser Höhenweg. Mit meiner Kraft am Ende ließ ich am allerletzten Downhill noch einen Langstreckenläufer passieren und bog in die Straße in Richtung Dorfplatz ein. Hier wurden wir noch von einigen Anwohner begeistert empfangen und so mit dem Bewusstsein des 2. Platzes stolzen Hauptes in Richtung der Veranstaltungshalle von Kals. Am Ende der abschüssigen Strecke konnte ich nun meine Frau und meine Kinder, die mir entgegenliefen, entdecken.  Nun gab es kein Halten mehr für mich und mit meinen Kindern an der Hand lief ich die letzten Meter überglücklich in die Halle. Der Vorsprung zu Platz drei war mittlerweile zu über einer halben Stunde angewachsen und mit Freude übergab ich nach 9h 49min meinen Staffelstab in Form eines Trackers an Martin, der sich nun seinerseits auf den zweiten Abschnitt mit 48 km und 2.000 HM begab.

Obwohl Martin nicht seinen besten Tag erwischte und ordentlich mit der Hitze zu kämpfen hatte, sprang für uns mit einer Gesamtzeit von 17h 19min der dritte Platz bei der Herrenwertung der Staffeln des GGUT heraus.

Fazit

 Beim Großglockner Ultratrail gibt es neben Licht leider aus meiner Sicht auch sehr viel Schatten.

Die Strecke, soweit ich es für den ersten Teil bewerten kann, ist für mich einfach nur der absolute Wahnsinn und beinhaltet alles was das Trailerherz begehrt. Reinen Asphaltanteil gab es nur zu Beginn und am Ende und man wurde mit knackigen Anstiegen, fordernden Downhills, aber auch gut laufbaren Passagen belohnt. Dieser erste Teil würde mich eigentlich neugierig auf die Gesamtstrecke machen. Und sollte ich in den nächsten Jahren mit dem Gedanken spielen mich zu einem Ü100 Lauf anzumelden, so wäre dieser Lauf auf jeden Fall einer meiner Favoriten.

Die Urlaubsregion Zell am See – Kaprun ist bei den arabischen Staaten sehr beliebt, so dass diese Region von Angehörigen dieser Staatengruppe überlaufen ist. Dies ist nicht weiter schlimm, nur leider haben diese eben andere Interessen als den Laufsport. Und darunter leidet auch die Stimmung beim GGUT. Das ein Start um 23.00 Uhr nicht jedermanns Sache ist, ist noch nachvollziehbar. Vergleiche mit dem Start des Lavaredo Ultratrails lasse ich aus diesem Grund außen vor.  Aber auf der gesamten Strecke war eigentlich kaum interessiertes Publikum vorhanden. Die Menschen, die uns Läufer anfeuerten waren entweder Mitglieder der Bergwacht, oder eben zufällig vorbei kommende Wanderer. Auch unter den Geschäftsleuten in Kaprun war zwar bekannt, dass dieser Lauf stattfindet, aber richtiges Interesse war auch da nicht zu spüren. Dies ging soweit, dass ich einer Bäckereifachverkäuferin in einem Smalltalk den Ablauf erklärte.

Man hatte immer das Gefühl, dass dieser Lauf von einer Handvoll Enthusiasten geplant und durchgeführt wird, die restliche Region aber damit nicht belastet werden will. Das finde ich sehr schade und das hat dieser Lauf auch wirklich nicht verdient.

Die Staffelübergabe selbst in Kals am Großglockner war komplett unorganisiert. Meiner Meinung nach hätte es nicht geschadet, wenn der erste Staffellläufer von einem Mitglied des Organisationsteams empfangen worden wäre und der Übergang zum zweiten Staffelteil von diesem auch begleitet worden wäre. Stattdessen lief ich in diese Halle, schaute mich nach Martin um, gemeinsam kasperten wir dann die Trackerübergabe aus und hofften das wir alles richtig gemacht haben. Bei jedem Straßenmarathon ist die Staffelübergabe besser gelöst. Hier bedarf es wirklich noch Nachholbedarf.

Auch wenn es im Nachhinein betrachtet alles weniger schlimm war als zunächst angenommen, so hätte ich mir dennoch in der Nacht an diesem endlos wirkenden Schneefeld hoch zur unteren Pfandlscharte wenigstens ein angebrachtes Fixseil gewünscht. Dies hätte zumindest im Unterbewusstsein ein gewisses Gefühl von Sicherheit gegeben. Ich dachte immer nur daran, dass ich auf dieser Rutschbahn hoffentlich nicht den Halt verliere.

Und nun noch einmal zu meinem Luxusproblem. Red Bull Cola ist wirklich nicht jedermanns Geschmack. Für viele ist aber dieser zusätzliche Zuckerschub genau das was sie dringend benötigen. Natürlich sind Geschmäcker verschieden, aber genau das hat mich in diesem Moment ein bisschen genervt und gefrustet J

Ich kann nur nochmals betonen, dass ich diese Umstände für diesen Lauf so schade finde. Da es mittlerweile ein riesiges Angebot an den unterschiedlichsten Läufen gibt, die alle irgendwo ihre Berechtigung haben, werde ich mich vermutlich im Jahr 2018 nicht mehr nach Kaprun verirren.

Text: Christian Mayer