DNF: One time quitter – always quitter?

DNF ist keine Option: LimoneExtreme2017 © iancorless.com

Wer kennt sie nicht die Bilder vom Ironman Hawaii 2017. Der große Champion Jan Frodeno, der Mann der diesen Sport die letzten beiden Jahre so dominiert hat, der unangefochtene Favorit auf den Titel des Ironman Weltmeisters 2017, der Mann auf den ich mein nigelnagelneues Scott Rennrad gewettet hätte, dass er sich zum dritten Mal in Folge zum König von Kona krönt – er taumelt. Dieser lebendig gewordene schwimmende, radelnde, laufende Muskel auf zwei Beinen beginnt bei Kilometer fünf des abschließenden Marathons zu gehen. Die Luft ist raus und jede Hoffnung auf den Titel schwindet.

Frodeno leidet, verliert – und macht weiter

Was nun kommt ist das, was mich noch mehr zum Fan dieses Jan Frodeno macht: Er lässt sich nicht medienwirksam von einer Hundertschaft Sanitäter abtransportieren (und hält dabei noch seine goldenen Schühchen in die Kameras), sondern er macht weiter – kämpft und beißt sich durch. Wohlwissend, dass der Titelkampf verloren ist feuert er die Konkurrenz an und finished in einer Zeit, die für einen ambitionierten Hobby-Triathleten immer noch ein Traum, für ihn jedoch unter ferner Liefen ist. Ein wahrer Champion und Siegertyp dieser Frodeno, mit dem eisernen Willen eine Sache zu Ende zu bringen – auch wenn es mal nicht so läuft.

One time quitter – always quitter?

Wobei wir endlich beim Thema dieses Artikels sind: Auch im Trailrunning hat sich, vor allem unter ambitionierten Sportlern die Unsitte eingeschlichen bei einem Wettkampf nicht anzutreten oder während des Rennens auszusteigen. Bitte nicht falsch verstehen: Krank oder schwerer verletzt in ein Rennen zu gehen (oder fortzusetzen) und dabei Körper und Gesundheit zu gefährden ist dämlich und hier auch keinesfalls gemeint.

Es ist aber immer häufiger zu beobachten, dass internationale und auch nationale (Top)athleten entweder gar nicht antreten oder während eines Rennens mit fadenscheinigen Begründungen aussteigen. Hier stellt sich mir die Frage nach dem Warum:

  • War es ein Freistartplatz – und was nichts kostet ist nichts wert?
  • Haben sich zu viele starke Läufer angemeldet und man hat Angst im Mittelmaß zu versinken?
  • Ist es die Angst zu versagen?
  • Hat man Angst hinter seinen eigenen Erwartungen oder den Erwartungen anderer zu bleiben?
  • Hat man sich bei der Saisonplanung zu viele Rennen zugemutet?
  • Möchte man vermeiden Sponsoren durch schlechte Platzierungen zu vergraulen?
  • Ist das Ego so auf Siege getrimmt, dass nur ein Podestplatz zählt?

Aussteigen macht uns mental schwächer

Was die Gründe auch sein mögen, meine These ist: Einmal wegen einer Nichtigkeit auszusteigen macht uns mürbe im Kopf und mental schwächer. Unser Gehirn speichert ein DNF als Möglichkeit ab und immer wenn es mal nicht so läuft (und diese Phasen hat man während der meisten Ultras) denkt man zumindest darüber nach auszusteigen. Der Grund für den Ausstieg kann bei Topläufern im Extremfall ein mögliches verpasstes Podium oder bei Hobbyläufern ein kalter Regenschauer sein – egal: Am Ende ärgert man sich, ist von sich selbst (und seiner Entscheidung) enttäuscht und geht mental wieder ein Stück geschwächter aus dem Wettkampf hervor. Man verlernt nach und nach zu kämpfen.

Der Trail als Spiegel des wirklichen Lebens

Ich schreibe hier vor allem über Trailrunning und doch bietet sich eine Analogie zum wahren Leben an. Wo kommen wir hin, wenn wir damit beginnen nichts mehr zu Ende zu bringen? Wenn wir wegen jedem kleinen Hindernis die Sachen hinwerfen? Wo wären wir bitte, wenn unsere Mütter während der Geburt beschlossen hätten auszusteigen?

Aber auch (und vor allem) beim Ultratrail wird der mit dem längsten Atem und dem stärksten Kopf belohnt:

Wie oft werden Wettkämpfe auf Ultradistanzen im letzten Drittel entschieden?

Wie oft lag man anfangs jenseits der Top Ten und hat sich dann doch noch aufs Podium (und sei es die AK) gekämpft?

Wie oft ist ein Finish, dass man sich so richtig hart erarbeiten musste am Ende das schönste und emotionalste Erlbenis überhaupt?

Um zum Triathlon zurückzukehren – auch Patrick Lange hatte nach eigenen Angaben „scheiß Beine“ und dachte ans Aufhören. Er hat sich durchgebissen und ist der neue Champion von Hawaii.

„DNF is no option“

Egal ob im richtigen Leben oder auf dem Trail: Kämpfen bis zum Schluss lohnt sich immer! Und eine Sache die man begonnen hat zu Ende zu bringen lohnt sich auch immer. Oder um es mit einer alten Weisheit auf den Punkt zu bringen: Did not finish ist keine Option!

P.S. Wir würden uns über Kommentare zu diesem (hoffentlich kontroversen Artikel) ausdrücklich freuen 🙂

Ein Kommentar

  1. Martin Bauer

    Hallo Markus, dein Artikel trifft es doch genau. Größte Hochachtung vor Frodeno, der sich durchbeisst und damit auch dem harten Rennen und allen seinen Sportskollegen seine Hochachtung beweist. Andere wären sehr froh, in seiner „unterirdischen Zeit“ ins Ziel zu kommen. Letztendlich hat er durch sein Verhalten beim „Nichterreichen seiner Ziele“ (ich schreibe das bewusst nicht als „scheitern“) doch bewiesen, dass er ein ganz großer Sportsmann ist. Wir haben im Freundeskreis schon öfter diskutiert, ob es „okay“ ist, wenn ein prominenter Spitzenläufer aus der Trailszene ohne größere Verletzung nach 60-80 % der Strecke aussteigt, bloß weil er nicht mehr gewinnen oder auf die Podestplätze kommen kann. Uns Hobbyläufern geht es meist nicht ums Gewinnen, sondern um das olympische Dabeisein. Um das Überwinden von persönlichen Grenzen, das Erreichen eigener selbstgesteckter Ziele. Mich persönlich stört es, wenn jemand ohne „richtigen Verletzungsgrund“ aussteigt. DNF ist keine Option. Wenn ich mich für einen Ultratrail anmelde, dann muss ich wissen, worauf ich mich einlasse. Ich informiere mich vorher über Strecke, Besonderheiten und Höhenprofil. Dann weis ich, dass es auch mal „weh tun kann“. Dass es keine Kurzdistanz wird, kein „Zuckerschlecken“. Dann muss ich auch damit rechnen, dass es mal Tiefpunkte gibt, durch welche ich mich mental durchkämpfen muss. Allein die Tatsache, dass ich zu irgendeinem Punkt des Rennens vielleicht keine Chance mehr auf eine Platzierung im Rampenlicht mehr habe ist für mich kein Grund auszusteigen. Ehre jedem der sich dann durchkämpft und mentale Stärke zeigt. Wenn gesundheitliche schwerwiegende Gründe dagegen sprechen, der Kreislauf streikt, der Magen eine Nahrungsaufnahme unmöglich macht, Bänder verletzt sind – dann finde ich es vernünftig auszusteigen. Aber nicht, wenn mir die aktuelle Platzierung nicht mehr genügend Aufmerksamkeit für den Sponsor mehr bringt. Was würden die vielen hundert Hobbyathleten machen? Sie finanzieren sich Startplatz, Anreise, Übernachtungen, Ausrüstung und Training selber. Für sie ist es was Großes bei einem Rennen dabei zu sein. Sie kämpfen sich durch – kommen oft erst spät in der Nacht ins Ziel, wenn kaum noch jemand für sie jubelt. Aber sie haben die eigenen Grenzen überschritten, haben ihren Erfolg gefeiert. Ein Spitzenathlet, der ohne wichtigen Grund aufgibt tritt die Werte des Sports irgendwie mit Füßen. Es geht nicht nur ums Gewinnen. Dein Artikel trifft es. Und Frodeno hat Größe gezeigt und sich durchgebissen. Fand ich auch ganz stark von ihm. 😉 LG Martin

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