Nun sind bereits ein paar Wochen vergangen seitdem ich im Rahmen des Events „Shades of Speed“ über den Tellerrand geschaut habe und ich mir einen Einblick in die Welt der Rennradfahrer verschafft habe. Zu umfangreich waren die persönlichen Eindrücke die ich dabei bekommen habe und so brauchte es seine Zeit um diese in Worte zu fassen. Zunächst einmal möchte ich aber betonen, dass es sich um subjektive Eindrücke handelt und hier ein zufällig ausgewählter Event als Beispiel für viele andere ebenso professionell durchgeführte Veranstaltungen herangezogen wird. In meinem Bericht geht es primär über die Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten beider Ausdauersportarten und auch so manches Klischee werde ich näher betrachten.
Trailrunner vs. Rennradfahrer
Das Äußerliche:
Gerade beim Äußerlichen unterscheiden sich beide Gruppen laut landläufiger Meinung extrem. Der „typische“ Trailrunner trägt immer einen Hauch von Anton Krupicka in sich. Und auch wenn es mittlerweile die Ausrüstung eines Trailrunners nicht mehr zum Nulltarif gibt, so umschwebt dem Vorzeigetrailrunner immer noch der Mythos des freien und unbestimmten Laufens in der Natur. Bei den meisten gehören unzählige Tattoos und Piercings zum äußeren Erscheinungsbild. Vermutlich wurden die sehr beliebten 2 in 1 Hosen nur darum konstruiert, um dieses Lebensgefühl der Lockerheit auch visuell nach außen transportieren zu können. Ist gerade kein passendes Modell zur Hand, so ziehen manche Zeitgenossen über die uncoole kurze Thights noch eine lockere Shorts darüber, um auch für Außenstehende als Trailrunner erkannt zu werden. Beim Trailrunner zeigt sich sehr schnell die Vorliebe für Dreck, Staub und Schmutz. Ihnen macht es nichts aus, wenn es richtig mies über dreckige Trails geht und man bis zum Knöchel im Dreck steht.Der typische Rennradfahrer ist hier wesentlich anders gestrickt und am ehesten vermutlich mit einem Straßenläufer zu vergleichen. Bei diesen muss am Start alles blitzblank sauber geputzt sein. Hier strahlen die Fahrer mit den Rädern um die Wette. Vor allem auf das äußere Erscheinungsbild wird sehr hoher Wert gelegt. Die Beine sind blank rasiert um bei der Runde die letzte Zehntelsekunde herauszuholen, der stylische Helm muss zum Outfit passen und selbst bei den Schuhen hat das Styling Vorrang. Rennradfahrer wollen schnell fahren, aerodynamisch sein und dabei vor allem gut aussehen. Das äußere Erscheinungsbild ist oftmals entscheidend und hat Vorrang vor der eigentlichen Performance.
Kostenfaktor:
Im Gegensatz zum Trailrunning ist Rennradfahren wesentlich kostenintensiver. Dies beginnt bereits bei der Grundausstattung „Rennrad“. Da ich meinen Flitzer hauptsächlich als Alternative zum Laufen nutze, habe ich mich beim Kauf für ein relativ preisgünstiges Modell knapp unter der 3.000,- Euro Marke entschieden. Als Läufer kommen hier einem bereits die Tränen. Wer aber jemals an einem Radevent teilgenommen hat, der wird sehr schnell merken, dass preislich nach oben keine Grenze gesetzt ist. Bereits am ersten Tag ging ich mit glänzenden Augen durch die Reihen der abgestellten Fahrräder. Preisliche Unterschiede bemerkte selbst ich als Außenstehender bei den unterschiedlichen Rahmenarten, den verschiedenen Schaltungen und selbst bei den verwendeten Felgen. Es war dann aber teilweise schon etwas deprimierend, dass der von mir bei langen Anstiegen hart erarbeitete Vorsprung auf Mitfahrer in den Abfahrten ebenso schnell wieder dahinschmolz und diese aus meiner Reichweite verschwanden. Tja, Aerodynamik hat seinen Preis und kann bei einem harten Straßenrennen den nötigen Vorsprung sichern. Aber gerade bei diesem Punkt ging die Schere zwischen Vorstellung und Realität sehr weit auseinander. Es wirkte für mich dann teilweise schon etwas befremdlich, dass gerade beim Rad jedes überflüssige Gramm eingespart wird, diese Prämisse aber beim eigenen Kampfgewicht teilweise durchbrochen wird. Sorry liebe Rennradfahrer, aber diese persönliche Spitze musste nun an dieser Stelle des Berichts einfach kommen.
Trainingsplanung:
Während ein Großteil der Trailrunner ihre Trainingseinheiten eher sporadisch und unregelmäßig planen, sind Rennradfahrer häufig sehr streng mit sich selbst. Hier wird jede Trainingseinheit akribisch geplant und durchgeführt. Die Daten, die sie dabei sammeln, sind sehr wichtig für die Verbesserung ihrer Leistung. Bei diesem Punkt holen die eher unstrukturierten Läufer aber mittlerweile auf. Auch hier wird gerät die Trainingsunterstützung durch Planung und Begleitung immer mehr in den Vordergrund und auch bei der Datensammlung brauchen wir uns nicht mehr zu verstecken. Die Jagd nach Strava-Segmenten wird unter uns Läufern immer beliebter, so dass es oftmals zu lustigen Szenen während der Laufrunde kommen kann. „Ich musste jetzt kurz schneller laufen, da sich dort ein Segment befindet“ ist nur einer von vielen typischen Aussagen. Und so werden vor allem die ambitionierten unter uns nicht mehr am Thema „Trainingsplan“ vorbeikommen.
Gemeinschaftsgefühl:
Das Gemeinschaftsgefühl ist bei Radrennfahrer definitiv besser ausgeprägt. Viele von uns Trailrunner sind zumindest im Training absolute Einzelgänger. Radfahrer dagegen lieben es im Peloton zu fahren und daraus ihre Vorteile zu ziehen. So verringert sich der Luftwiderstand aufgrund der Körperkraft des vorausfahrenden Fahrers. Durch die geringere Luftreibung kann ein Fahrer bis zu 30% der benötigten Energie sparen und somit länger und schneller fahren. Auch die Erholung durch das Fahren im Peloton darf nicht unterschätzt werden. So unglaublich wie es klingen mag, aber selbst die Sicherheit auf den Straßen ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Durch das Fahren im Peloton ist die Gruppe für andere sichtbarer und so wird für eine erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht seitens der andere Verkehrsteilnehmer gesorgt. Insgesamt kann das Fahren im Peloton für Rennradfahrer eine effizientere und angenehmere Fahrweise sein, die sowohl physische als auch psychologische Vorteile bietet.
Resümee:
Trailrunning ist eher unabhängig und einfach, während Rennradfahren teurer, technisch versierter und teamorientierter ist. In beiden Fällen geht es jedoch um die bewusste Entscheidung für einen gesunden Lebensstil und die Leidenschaft für eine aktive Freizeitgestaltung.
Zum Event „Shades of Speed“
Wenn man sich die Zeit nimmt und sich mit der Materie „Rennrad“ beschäftigt, dann findet man auch sehr viele unterschiedliche Veranstaltungen. Unterschiede gibt es wie bei den Laufveranstaltungen in der Ausrichtung. So kann der reine Wettkampfcharakter im Vordergrund stehen, oder aber wie im Falle von Shades im Speed das gemeinsame Genießen eines Tages im Sattel. Da ich die Jagd nach der Bestzeit beim Radfahren in den Hintergrund schieben wollte, habe ich mich bewusst für diese Veranstaltung in Kolbermoor bei Rosenheim entschieden. Das vom ehemaligen Radprofi und 11 maligen Tour de France Teilnehmer Marcus Burghardt organisierte Event hat mich persönlich rundum überzeugt. Am Veranstaltungssamstag wurde jeweils eine „Warm-Up Runde“ für Rennrad und Gravel angeboten. Daneben hatte man die Gelegenheit an einem exklusiven Warm Up in einer kleinen Gruppe gemeinsam mit Andre Greipel zu fahren. Bereits bei der Anreise zu meiner Unterkunft konnte ich aufgrund der vielen Rennradler sehen, dass dieses Wochenende rund um Rosenheim ganz im Zeichen des Radsports steht.
Am Sonntag ging es dann auf die auf die sechs unterschiedlichen Strecken mit einer Länge von 70 km bis hin zu 288 km. Je nach Distanz mussten die Fahrer entsprechend frühzeitige Startzeiten in Kauf nehmen. Um den Fahrern einen möglichst entspannten Start zu ermöglichen, wurde diesen ein kostenfreies Frühstück angeboten. Neben frischem Kaffee und anderen Getränken wurde Obst und Kuchen bereitgestellt um die letzten Speicher zu füllen. Beim Start selbst wurden die Fahrer in Gruppen mit selbst geschätzten Durchschnittsgeschwindigkeiten aufgeteilt, so dass sich jeder von Anfang an im Peloton in seinem Tempo fahren konnte. Neben der wunderschönen Strecke durch die Chiemgauer Alpen waren vor allem die Verpflegungsstellen kulinarische Highlights auf diesen Strecken. So gab es bei der ersten VP als besonderes Schmankerl “Aubergine Lima Style (Gewürz Joghurt / saure Zwiebel / Ziegenfrischkäse)”. Auch die anderen VPs warteten jeweils mit einer Überraschung auf, so gab es bei der letzten Station sogar die Möglichkeit ein halbes Hähnchen mit Kartoffelsalat zu verdrücken. Am Ende dieser Strecken gab es natürlich für jeden Teilnehmer eine Erinnerungsmedaille und einen frischen Burger zum Auffüllen der ersten Energiereserven.
Für mich persönlich war dieser Blick über den Tellerrand ein wunderbares Erlebnis und ein wunderschöner Tag im Sattel meines Rennrads.
Hej Christian,
ich finde den Artikel wirklich spannend und gut geschrieben.
Ich kann deine Zuspitzung über Rennradfahrer nachvollziehen und erkenne mich dabei wieder (ich sehe mich als Radsportler mit Ausflügen in die Welt der Läufer).
Aber ich habe bei „Trailrunnern“ noch viel extremer das Gefühl der Wichtigkeit der äußeren Darstellung.
Rucksäcke, Gürtel, Stöcke, große Brillen, Kappen, bunte Socken, Flaks, Gels und die Tattoos sollen alle sichtbar sein… Egal ob 5k Parkrunde oder Bergtrail.
Es soll nach Anton Krupicka aussehen, wirkt aber eher nach Insta-Post.
Wenn alle gleich aussehen und viel Geld investieren wo ist da die Lässigkeit?
Von den Preisen für Ausrüstung möchte ich gar nicht erst anfangen (klar ist ein Rennrad teurer als 200€ Black Diamond Trailstöckchen 🤔).
Du merkst wahrscheinlich ich bin kein Freund von vergleichen: Läufer sind cooler als Walker, Trailrunner sind cooler als Straßenläufer, Gravenbiker cooler als Rennradfahrer, Mountainbiker die alle coolsten Blabla blub.
Ich hätte mir dein Resümee zu Beginn gewünscht…
Alle aktiven Sportler sollten gemeinsam Werbung für Sport, Spaß an Bewegung und gesunden Lifestyle machen.
✌️ Gruß Bob
Hallo Bob,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Du hast mit Deinen Eindrücken über Trailrunner zumindest in großen Teilen recht. Bei vielen gehören Tattoos und / oder auffällige Piercings zum typischen Erscheinungsbild eines coolen, lässigen Trailrunners. Ob dies tatsächlich bei allen persönliche Statements zu irgendwelchen Themen (privat, gesellschaftlich etc.) sind oder nicht, sei mal dahingestellt. Und auch die persönliche Bekleidung definiert oftmals zu welcher Gruppe des Ausdauersports man gehört. Nie würde ein Trailrunner mit einer Thight ohne Flatterhose zum laufen gehen …. doch, ich zum Beispiel mache das öfters mal und ich besitze kein einziges Tattoo. Aber Spaß beiseite. Du hast natürlich recht, wenn Du schreibst, dass für viele leider der coole Social Media Post wichtiger ist als das persönliche Erlebnis. Auch ich mache gerne Bilder und zeige diese natürlich öffentlich her und trotzdem wäre es oftmals wichtiger einfach die schönen Momente zu genießen. Wir sollten vielmehr alle dankbar dafür sein, dass wir alle das Privileg haben unseren Sport ausleben zu können und zu dürfen.
Ich wünsche Dir eine gute Zeit und viele Grüße
Christian (der einfach gerne Ausdauersport macht)