Transvulcania: Rennbericht Moritz auf der Heide

Transvulcania 2017: Moritz auf der Heide beim Vertical K © Matthias Schwarze

4000km weit weg von Deutschland – an der Westküste Afrikas – Mitte Mai Temperaturen von 25C – Vulkangestein. Der berühmt-berüchtigte Transvulcania findet zwar auf La Palma und somit kartographisch in Europa statt, fühlt sich aber an wie ein Lauf auf einem anderen Planeten. Nicht ohne Grund wird die 10. Auflage im kommenden Jahr unter dem Motto „Space Runners“ vermarktet. Wenn die Trails einen von Meereshöhe bis auf 2400m treiben und vom Strand bis auf einen Vulkan führen, kommt man sich wirklich vor wie in einer anderen Welt.

Eines der komplettesten Trail-Erlebnisse weltweit

Vom Vertikal (1200HM auf 7km) bis hin zum prestige-trächtigen Ultra (75km & 4500HM) ist eigentlich für jeden was geboten. Nun ja, wenn man mit Höhenmetern und schroffen Trails zurechtkommt. Unaufmerksamkeit und fehlendes Training werden hier definitiv nicht verziehen. Aber kommt man vorbereitet, bietet dieses Rennen eines der komplettesten Trail-Erlebnisse weltweit. Die Renn-Orga ist nahezu perfekt – uns sind nur das fehlende „i“ auf den Fin(i)sher Shirts und keine speziell salzigen Snacks an den VPs aufgefallen – und die Eindrücke im Rennen hauen einen sprichwörtlich um, wenn man nicht aufpasst. Dabei kann die Aussicht vom höchsten Punkt (Roque de los muchachos) runter auf die wie Zuckerwatte aussehende Wolkendecke, die direkt am Berg anliegt, schon mal von den an sich wahnsinnig schönen Trails ablenken. Von sogenannten Fire-Truck-Roads bis hin zu steilen Single-Trails ist alles dabei (auch ein wenig Asphalt), lange Anstiege (mehr als 1000HM) wechseln sich mit welligen Passagen ab. Und am Ende, zumindest von Marathon und Ultramarathon, gibt es die absolute Selbstvernichtung im 18km langen und 2400HM umfassenden Downhill, der einen direkt am Meer ausspuckt. Glück für die, die dort am Ziel des Marathons sind und sich mit frischem Fisch und Rotwein befassen können. Pech für solche, die noch die letzten 5km inkl. 340HM durch ein ausgetrocknetes Flussbett bis ins Ultra-Ziel laufen, naja, sagen wir gehen müssen. Allerdings gibt es dort mit einem der spektakulärsten Zieleinläufe überhaupt ein mindestens genauso begehrtes Schmankerl. Hunderte von Einheimischen, die einen, ähnlich wie schon morgens um 6 Uhr am Start, alle Strapazen vergessen lassen und den Sport sowie die individuellen Leistungen genau so feiern wie sie es verdient haben!

Ergebnisse

Hier geht es zum offiziellen Rennbericht und den Ergebnislisten

Renn- bzw. Schadensbericht (3x auf die Fresse!)

3:30 Uhr

Der Wecker klingelt. Hellwach. Das Hirn springt an. Zack: Rennmodus! In solchen Momenten am Rennmorgen ist man sofort da. Zu 100%! Vorfreude und etwas Angst lassen auf natürliche Weise direkt Adrenalin durch den Körper. Kaffee? Klar, kommt noch obendrauf. Routine ist alles. Keine Experimente. Aber STOP! 3:30 Uhr??? Mein Rennen startet um 10 Uhr. Der Wecker sollte doch erst um 6:15 Uhr Krawall machen. Dann hätte ich immer noch genug Zeit für:

  • 1-6 Kaffee
  • eine kurze Dusche
  • Frühstück
  • Anfahrt zum Start
  • 1-6 Gänge aufs Klo
  • hundertmaliges Schuhe binden
  • kurzes Dehnen (..oder so was ähnliches)
  • das Studieren der anderen Läufer
  • leicht gestresste Konversationen, die meistens auch nur die Themen Klo und Kaffee kennen
  • ..und was man sonst noch so alles am Morgen vor einem Lauf macht!

Aber da sind ja noch die ganzen „Ultras“ in unserer Finca, die halt um 6 Uhr schon all das hinter sich haben müssen. Der Wecker kam also aus dem Nebenzimmer. 1 ½ Stunden wälze ich mich noch im Bett rum. Aber spätestens als die Halbmarathon-Fraktion um 5 Uhr die Küche belagert, bin ich auf meinen Beinen. Auch nicht schlecht. Umso mehr Zeit für Kaffee!

6:15 Uhr

Alle weg. Die Marathonis (das wird bei diesem Event eher als Kinderquatsch eingestuft. Hat ja mehr Höhenmeter im Down- als im Uphill..) sind unter sich. Chris, für ihn ist es heute sein erster Trail-Marathon, und ich machen noch mal den Gear-Check. Soweit passt alles. Ob Trinkblase oder Flasks, ob 2 oder 3 Gels. Eigentlich alles wurscht. Das Rennen ist top mit Verpflegungsposten organisiert und es wird an nichts fehlen. Viel wichtiger die Frage, ob die 30 Euro für Pizza und Bier im Ziel eingepackt sind.

7:30 Uhr

Kurze Fahrt mit dem Mietwagen zum Shuttle-Bus in Los Llanos; anschließend die einstündige Fahrt zum Startort El Pilar auf 1500HM im Herzen der Insel. Die letzten 45 Minuten bis zum Start sind dann ratz-fatz vorbei. Ihr wisst ja wie das so läuft. Außerdem kann beim Transvulcania Marathon-Start noch die Ultras durchlaufen sehen, die dort schon 23 km in den Beinen haben.

10:00 Uhr

Und schwups. Wir preschen los! Schon pervers, was da auf den ersten 7 km abgeht. Breite Forststraße, auf und ab, und ich habe mit einer durchschnittlichen Pace von 3’30“ Mühe, an Luis Alberto Hernando und 3-4 weiteren Maschinen dran zu bleiben. Na gut. Luis Alberto ist Weltmeister im Ultra-Trail und auch die anderen, die dort mitmischen, kennt man. Aber krass..

10:25 Uhr

Nach ca. 25 Minuten kommt der lange Anstieg. Knapp 1000 HM am Stück mit nur kleinsten Unterbrechungen. Die Pace geht zum Glück runter. Deutlich. Die Anstrengung natürlich nicht. Das Feld hat sich mittlerweile eingependelt und ich hänge an 6. Stelle. Hinter mir kommt die Masse. Sofort. In so einem Rennen ist eine unglaubliche Qualität am Start. Und vor mir geht’s nach wie vor ohne Rücksicht auf Verluste ab wie bei einem 10 km Straßenlauf. Man muss sich dann dummerweise entscheiden: mitgehen oder nicht?! Es ist oft eine psychische Frage, nicht unbedingt eine physische. Wahrscheinlich hätte ich mit dem 4. und 5. mithalten können, habe es mir in dem Moment aber einfach nicht zugetraut. Manchmal ist man mental nicht zu 100% dabei und muss sich anpassen. Also Alleingang. Im Endeffekt sogar bis zum Ende. Nur die Ultras, die man im Minutentakt einholt, lassen einen wissen, dass man nicht alleine unterwegs ist und versprühen unfreiwillig Motivation, die ich gelegentlich mit einem „Gracias“, einem Fingerzeig oder auch Klapps quittiere.

11:35 Uhr

Die 10 km nach dem einzigen langen Anstieg verlaufen wellig auf 2000m über dem Meer. Es ist schwierig, sich nicht von den unglaublichen Aussichten ablenken zu lassen. Und wahrscheinlich bin ich genau deswegen gestürzt. Einmal nicht aufgepasst und zack schlittere ich bäuchlings über den Vulkanstein-Trail. Nennen wir es semi-optimal. Das Adrenalin bewirkt zwar, dass ich unmittelbar keine besonderen Schmerzen habe, und nach einem kurzen Schock merke ich auch, dass nichts gebrochen ist, man läuft aber von jetzt auf gleich anders, deutlich vorsichtiger.

12:40 Uhr

Ein Sturz bringt also Vorsicht, aber auch Unsicherheit mit sich. Der Grund dafür, weswegen im langen Schluss-Downhill zwei weitere Stürze auf mich warten. Zwei mal Adrenalin, zwei mal noch mehr Unsicherheit. Bei 2400HM bergab am Stück kommt wohl jeder an seine Grenze. Stürze machen es da nicht leichter. Single-Track hier, kurzer Asphalt dort. Immer weiter runter, runter, runter. 18km lang. Unglaublich. Das muss man abkönnen.

14:17 Uhr

Der Zielsprung klappt noch ganz gut, danach fährt mein Körper aber rasant runter. Zuerst werde ich 30 Minuten im Sani-Zelt behandelt, danach kann ich mich kaum noch bewegen. Die starke Rippenprellung, das angeschwollene Knie und der allgemeine Muskelkater kommen zum Glück erst später dazu. Dass ich auf Platz 6 ins Ziel laufe ist eigentlich ein Wunder. Und auch eine knappe Angelegenheit. In den 10 Minuten nach mir kommen schon 9 weitere Läufer an! Ein unglaubliches starkes Feld.

20:00 Uhr

Im Endeffekt bin ich absolut zufrieden mit meiner Entscheidung, zur Abwechslung mal mein eigenes Tempo gelaufen zu sein und mich nicht einer Pace angepasst zu haben. Ich hatte von Anfang bis Ende top Beine, trinken und essen haben perfekt funktioniert und es gab nur eine kurze Pinkelpause nach 38 km. Platz 6 beim Transvulcania Marathon. Nehme ich!!!

Text: Moritz auf der Heide