Tschirgant Sky Run 2022: Traum-Trails auf dem Dach von Tirol

Tschirgant Sky Run 2022
Tschirgant Sky Run 2022 © Tschirgant Sky Run

„Ab hier kannst du laufen lassen – auf dem schönsten Trail der Welt!“ Wir sind nach 1.600 Höhenmetern auf dem Tschirgant in Tirol angekommen. Panorama nach links, Panorama nach rechts – und ein herrlich laufbarer Trail am Grat. Es ist das Herzstück des Tschirgant Sky Run.

Ein paar Hundert Höhenmeter vorher, das ohnehin überschaubare Feld der 53km-Distanz hat sich längst in kleine Grüppchen zergliedert, treffe ich Thomas. Wir stapfen den steilen Weg immer weiter nach oben. Während ich noch baff bin, wie nett die lokale Community um TrailMotion Tirol ist (hier findet ihr mehr dazu), kommt locker ein Läufer angefedert und läuft den Berg hoch, den wir nur erschnaufen können. Es ist Thomas Roach. Berglauf-Weltmeister, dem der Titel von 2021 aber wegen des Nachweises von Carboxy-THC, einer Form des Cannabis, aberkannt wurde. Er läuft den Marathon, der 30 Minuten nach uns gestartet ist, und wird ihn nonchalant für sich entscheiden. Nicht nur der Track beim Tschirgant Sky Run kann so einiges – auch die Läuferinnen und Läufer kennen sich im Gebirge aus.

Viel Technik und noch mehr Highlights

Wer den besonders technischen TS26 oder TS52 läuft, sollte das aber auch. Auf der langen Runde haken wir 3.300 Höhenmeter und etliche Highlights ab: der Aufstieg zum Gipfel ist so steil, dass er teils seilversichert ist; der Grat vom Tschirgant zum Simmering ist eine läuferische Augenweide mit zusätzlichem Fernblick; der Downhill nach dem Grat bricht fast 1.000 Höhenmeter in nur 4 Kilometern Distanz ab; verwurzelte und verblockte Stellen gibt es ständig; und mit der Rosengartenschlucht wartet am Ende noch ein besonderes Juwel auf uns.

Doch bis wir dahin kommen, zeigt sich das Tiroler Oberland noch oft von seiner schönsten Seite. Nach tagelangem Regen haben wir blauen Himmel, weiten Blick, mittags fast 30 Grad – und ein Panorama zum Niederknien. Die ersten beiden VPs kommen fast schon unnötig schnell, aber VP3 will erarbeitet werden. Kurz danach treffe ich einen Läufer aus Frankfurt wieder. Starker und saunetter Typ mit sub3-Marathonzeit. Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns nochmal sehen, aber die ständigen, steilen Anstiege bei immer wärmeren Temperaturen fordern bei uns allen Körner. Noch läuft es überraschend gut bei mir. Der Seven Sister Skyline (hier der Bericht) steckt zwar noch im System, aber die Euphorie über den herrlichen Lauf übertönt das noch alles.

Steiler ist geiler

Vor dem Downhill wurde ich gewarnt. Erst flowt er steil aber geil vor sich hin, bis es grenzwertig steil wird. Aber Hand aufs Herz: stehen wir doch fast alle drauf! Plötzlich liegt ein Baum mit definitiv zu vielen Ästen hinter der Kurve auf dem Weg. Springen ist nicht. Also kompletter Stopp aus vollem Lauf, die Füße rutschen unter den Baum, Ellbogenbremse im Boden – und weiter gehts. Irgendwann wird das Gefälle wieder realistischer und mündet auf eine Straße. Ich kippe an der nächsten Bank eine handvoll Steinchen, Blättern und Nadeln aus jedem Schuh, bevor es easy über Asphalt zur nächsten VP geht. Die natürlich wieder von einem 800m Uphill gefolgt wird. Yeah.

Das Feld ist mittlerweile komplett auseinandergetrieben. Irgendwann erreiche ich oben ein einigermaßen ebenes Areal. Niemand ist hier. Der Boden ist feucht, kleine Tümpel und Bäche zaubern ein saftig grünes Backdrop hin, bevor es an einer winzigen Hütte mit Brunnen vorbei wieder runter geht. Und wieder hoch. Und noch weiter hoch. Umgegeben von ganzen Heerscharen von Fliegen treffe ich Thomas wieder. Großes Hallo bevor es angeblich fast nur noch bergab geht. Angeblich…

Grande Finale: Die Rosengartenschlucht

Das Tschirgant Sky Run schenkt einem echt nichts, belohnt aber alle, die durchhalten. Die kräftezehrenden letzten Kilometer führen zuerst nach Hoch-Imst, von wo es durch die Rosengartenschlucht zurück ins Herzen von Imst geht. Was mit einem Wurzelpfad oberhalb der Schlucht beginnt, arbeitet sich schnell tiefer in die Felsspalte und in Richtung Wasser. Es rauscht und sprüht, die Stufen sind ausgeschliffen, die überhängenden Felsen hängen teils auf bis 1,20m runter. Die Beine sind kurz vor Streik. Tempo rausnehmen, eine ordentliche Wettkampfpause in die Verhandlung bringen, dann tragen die beiden auch noch durch die Schlucht und den letzten Kilometer ins Stadion. Dort warten ein fast familiäres Wiedersehen, selbstgemachter Kuchen und strahlende Gesichter. Einige Läuferinnen und Läufer der insgesamt vier Strecken sind schon hier, viele kommen unter Applaus noch rein.

Die Leute bleiben noch lange im Schatten der Tribüne sitzen, holen Getränke und Essen, feiern die letzten Ankommenden. Der Tschirgant Sky Run zeigt, warum ihm schon nach der Erstausgabe 2021 so ein guter Ruf vorauseilt (hier noch der Bericht von 2021). Er ist familiär, liebevoll, hat durchdachte Strecken mit unterschiedlichen Distanzen und technischen Anforderungen – und vor allem eine großartige Atmosphäre. Ein Rennen für die Bucket List.

Tobias Gerber