Ein paar von ihnen gibt es noch: diese traditionellen Läufe im Osten Deutschlands, mit jahrzehntelanger Tradition, fest verankert in der Region und mit ganz eigenem Flair. Der Zittauer Gebirgslauf ist einer davon und feiert 2022 mit einer 51km-Ultradistanz Premiere.
Die Startpistole ist schon erhoben, die Startenden frieren um 7:00 bei blauem Himmel und 3 Grad, der Sprecher erklärt nochmal die Premiere – da fällt einem der rund 50 Startenden ein, dass es zu DDR-Zeiten wohl schonmal eine Ultradistanz hier gab. „Aber nicht von Zittau startend,“ meint der Startsprecher. „Doch doch, ich bin ja sogar gestartet,“ erwidert der Läufer, während die Pistole gen Himmel gerichtet bleibt und wir anderen frieren und trotzdem grinsen. Trotz der fast 50-jährigen Geschichte des Zittauer Gebirgslaufs und Wandertreffs – so der ganz offizielle Name – ist halt alles noch immer angenehm handgemacht hier. Da ist der Pistolenrecker auch nicht nur der Präsident der Kreissportbundes, sondern startet auch selber mit auf die lange Strecke. Er gibt sich quasi selber den Startschuss, nachdem der Ansager – ohne Mikro natürlich – zur Technik ruft, dass die Zeitnahme jetzt starten soll. Herrlich!
Hart an der Grenze
Und dann geht es auch schon raus aus dem Sportzentrum Olbersdorf, vorbei an der Schmalspurbahn, die neben einem großen Kohlenhaufen stehend vor sich hin dampft, und ab in den Wald. Forstwege, kleinere Pfade, hoch und runter mäandernd und vorne mit einem harten Tempo. Spannend wird es, als wir nach 12km an die tschechische Grenze kommen. Erst der höchste Punkt der Strecke, dann ein einfacher Downhill zum Tempo machen und anschließend ein Abstecher durch das Straßendorf Dolní Podluží. Auf asphaltiertem Weg parallel zur großen Straße ist das zwar langweilig zu laufen, aber die hübschen Häuser vor dem malerischen Panorama der Zittauer Berge machen einfach Laune. Und als es endlich wieder in den Wald und bergauf geht, kommt auch der erste echte Trail. Schmal und teils matschig windet er sich zwischen den Bäumen durch – wie man es sich wünscht.
Wir bleiben noch eine ganze Weile in Tschechien. Erst bei Kilometer 31 geht es zurück und dann auch schon bald wieder auf gemeinsame Tour mit der traditionellen 35km-Strecke. Das ist nicht nur gut für den Kopf – kann ja jetzt nicht mehr so weit sein – sondern ist auch streckentechnisch höchst willkommen. Was bis dahin noch sehr viel Fahrt- und Forstwirtschaftswege waren, wird jetzt kleinteilig, schmal, steinig und teils verwurzelt. Hier zeigen sich das Zittauer Gebirge und der zugehörige Kammweg von ihrer schönsten Seite. Und es wird wieder belebter auf dem Trail, als sich die ersten 35er mit uns die Strecke teilen. Als auch noch die 17km-Route mit auf dem Weg ist, steigt auch die Dichte der Verpflegungsstellen ins fast schon Unübersichtliche. Dass ich auf einem Ultra mal VPs komplett ignoriere, kommt echt nicht oft vor, aber so viel Tee oder Haferschleim gehen dann doch nicht rein.
Mit Volldampf ins Ziel
Auf den letzten flachen 5 Kilometern kehren wir zurück in die Zivilisation. Vorbei an der unter uns laufenden Schmalspurbahn, die wie bestellt tatsächlich auch gerade vorbeipufft, und rein nach Olbersdorf. Extrarunde durchs Stadion und schon sind die 51 Kilometer und 1.500 Höhenmeter im Kasten.
Im Ziel ist mittlerweile einiges los: die Finisher aller Distanzen trudeln ein, die Sonne scheint warm auf den Sportplatz, es gibt Getränke- und Essstände. Man kennt sich von anderen Veranstaltungen, trifft Streckenbekannte wieder und lässt den nochmal Revue passieren. Für viele ist der Lauf einer der Höhepunkte im Kalender.
Persönlich hätte ich mir in der Extraschleife für die Ultradistanz mehr Trails wie auf der 35er-Tour gewünscht. Aber davon abgesehen war es eine sehr gelungene Ultradistanz-Premiere beim Zittauer Gebirgslauf in seiner BRD-Phase. Mit 5 Distanzen und einem 600m-Kinderlauf, abwechslungsreicher Strecke, Fototapete für alle Selfie-Laufenden und toller Verpflegung bleiben für einen Landschaftslauf keine Wünsche offen. Die ganz natürliche Grenzüberschreitung ins benachbarte Tschechien verleiht dem Zittauer Gebirgslauf eine ganz besondere Note, so dass die Ultradistanz nach der Premiere jetzt hoffentlich ein fester Bestandteil der Veranstaltung wird.