Die elfte Ausgabe der Skyrunning-Europameisterschaft vom 14. bis 16. Juli 2023, zum ersten Mal auf dem Balkan, ist eröffnet. Nach mehr oder minder guter Anreise konnten, gestern abend, vier deutsche Athleten an der kurzweiligen und launigen Eröffnungszeremonie teilnehmen.
Eigentlich bestand die Abordnung der German Skyrunning Federation, unter Federführung von Vorstand Wendall Lorenzen aus 6 Startern. Aber leider mussten mit Kim Strohmann (30km Skyrace) und Wendall Lorenzen (Vertikal und 30km Skyrace) zwei Starter kurzfristig absagen. In drei Disziplinen, VERTICAL, SKY und SKYULTRA werden bis Sonntag 27 Medaillen für Einzel- und Mannschaftstitel an die Teilnehmer aus über 20 Nationen vergeben.
VERTICAL
So heiß wie das Wetter waren auch die Wettkämpfe bei den Skyrunning Europameisterschaften 2023 VERTICAL in Montenegro, die den Auftakt zu den Veranstaltungen des Wochenendes bildeten.
Zwischen den wilden Gipfeln des Prokletije-Nationalparks startete die 3,9 km lange Strecke bei über 30° Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit, um einen steilen und zerklüfteten Anstieg von 950 Höhenmetern zu bewältigen, der in Schneefeldern endete, wo ein frischer Wind die kolossalen Anstrengungen der Läufer belohnte.
Für Annika Seefeld, Julius Ott und Madlen Kappeler ging es heute gleich richtig zur Sache! In einem Vertikal Race der absoluten Sonderklasse, ca 3900m lang und 1100Hm hoch, ging es bei knapp 30 Grad Celsius um die ersten Medaillen. Gespannt sein durfte man auf das Abschneiden von Julius Ott, einem echten „Native OffRoader“, der sich unlängst bei der WMTRC Mountain/Trail WM in Innsbruck prächtig in Szene setzen konnte und im Vertikal über 8km einer der stärksten Läufer aus Europa war! Aber auch Madlen Kappeler und Annika Seefeld fanden kurz vor der EM wieder zu guter Form und konnten am Nebelhorn bzw. Stubai K9 gewinnen.
Bei den Männern gewann der Franzose Louison Coiffet in hervorragenden 37:51 Minuten die Goldmedaille. Sein Landsmann Louis Dumas gab auf den letzten Metern noch einmal richtig Gas und holte sich 34 Sekunden später Silber, während der Spanier Alain Santamaria mit nur einer Sekunde Rückstand auf Dumas Bronze holte.
Das Rennen der Frauen war ebenso knapp, wobei die Spanierin Naiara Irigoyen mit 44:11 Minuten die Goldmedaille holte. Irigoyens Ergebnis ist keine Überraschung, nachdem sie in dieser Saison bereits zwei Vertical Kilometers gewonnen hat, darunter einen bei den VK OPEN Championships, wo sie eine der Hauptanwärterinnen für das Finale ist. Silber und Bronze gingen an die Italienerinnen Corinna Ghirardi und Camilla Magliano. Magliano begann zu stark, verlor auf halber Strecke die Führung und musste sich mit dem dritten Platz begnügen.
Am besten mit dem brutalen Klima kam Julius zurecht, aber, ganz fairer Sportmann, musste er einräumen, das er gegen den finalen Turbo der Südländer nichts mehr ausrichten konnte. Trotzdem ein grandioser 6. EM-Platz im Superfeld! Verstecken brauchten sich auch die Mädels nicht! Ganz toller Platz 9 für Madlen und starker Platz 18 für Annika. Und das mit absolut akzeptablen Rückständen auf das Podium.
Fazit der Deutschen Starter
Julius Ott:
„Super Strecke, zeitweise konnte ich die Führung übernehmen aber im oberen Drittel musste ich einige Leute vorbeilassen, die einfach schneller waren. Etwas warm, aber für so eine kurze Distanz für mich nicht schlimm!“
Annika Seefeld:
„Für mich lief das Rennen leider nicht wie erwartet, ich hatte mich gut darauf vorbereitet und die Form ist wieder da. Allerdings hat mir die Hitze einen riesen Strich durch die Rechnung gemacht, Mit 30 Grad kam ich beim Laufen noch nie zurecht. Da sehnt man sich nach dem Stubai-Gletscher und 5 Grad Celsius. Je höher wir kamen, desto besser wurde es wieder, allerdings war da Top10 schon gelaufen. Zudem habe ich es bereut, keine Stöcke mitgenommen zu haben. Die hätten mir im Nachhinein sehr geholfen. Hatte lange überlegt und dann falsch entschieden!“
Madlen Kappeler:
„Der Vertical hatte nur ein Motto: Steiler & heißer!!! Das war mein erster Start bei einem Wettkampf dieser Art. Meine Vorbereitung war leider limitiert durch eine Oberschenkelzerrung. Erwartungen hatte ich demnach keinerlei – nur eine Tonne Respekt vor dieser Strecke. Ich bin stetig mein Ding gelaufen, das gelang mir gut. Allerdings war die Hitze deutlich zu spüren! Umso glücklicher bin ich mit meinem 9. Platz in diesem Feld! Damit hätte ich niemals gerechnet. Ich muss noch einiges lernen was solche Wettkämpfe angeht, da ist noch einiges rauszuholen – das kommt aber mit der Zeit.“
Skyultra
Es war ein wahres SKYULTRA bei den Skyrunning-Europameisterschaften 2023, wo die 55 km lange Strecke über 4.400 Höhenmeter unter dem blauen Himmel des Balkans in Montenegro führte. Am zweiten Tag des Wochenendes gewannen sowohl der Italiener Cristian Minoggio als auch die Spanierin Gemma Arenas die Goldmedaille auf wildem, ungewohntem Terrain mit vier großen Gipfeln, auf denen Teams aus 17 Ländern ihr Können unter Beweis stellten – das erste Mal, dass Montenegro eine solche internationale Meisterschaft ausrichtet.
Minoggio, der amtierende Skyrunning-Weltmeister und frühere Europameister, setzte sich an die Spitze und überquerte auf der anspruchsvollen Strecke souverän die Ziellinie in 6:15:20 Stunden, neun Minuten vor dem zweiten Mann, Tomas Macecek aus der Tschechischen Republik, der Silber gewann. Bronze ging an einen weiteren Italiener, Mattia Tanara, der seine Position gegen den Angriff des Spaniers Marc Ollé verteidigen musste, der nur 40 Sekunden später ins Ziel kam.
Gemma Arenas lief ein starkes Rennen bis zu einer steilen Abfahrt kurz vor CP4, wo sie sich den Knöchel verdrehte und behandelt werden musste. Sie wurde von der Italienerin Giulia Saggin überholt, aber Arenas‘ Entschlossenheit, eine Medaille und den Europameistertitel zu gewinnen, ließ sie die Schmerzen überwinden und sie überquerte die Ziellinie in 7h59’05 – für ihre Medaille und ihren Titel. Die Europameisterin von 2021, Sandra Sevillano aus Spanien, zeigte eine starke Leistung und eroberte eine wohlverdiente Silbermedaille, während sich Saggin mit Bronze begnügen musste.
Mit Lena Glasbrenner ging eine Starterin der German Skyrunning Federation über die 50km an den Start. Mit einer riesigen Willensleistung finishte Lena auf dem 13. Platz.
Sky
Die SKY-Disziplin ging über 30 km mit 2.150 Höhenmetern in der wilden Natur des Nationalparks Prokletije zurückgelegt. Die Temperaturen stiegen nach dem frühen Start, bei dem der Schwede Martin Nilsson die Führung übernahm, aber da es seine erste Skyrunning-Erfahrung war, wurde er langsamer, um die technische Abfahrt zu bewältigen. Der Italiener Lorenzo Beltrami übernahm die Führung und gab sie nicht mehr ab, bis er mit einem Hitzschlag zusammenbrach und die Ziellinie in 3:17:24 Stunden überquerte – und eine Goldmedaille für seine Bemühungen erhielt.
Nilsson erholte sich in der zweiten Hälfte des Rennens, um die Silbermedaille zu gewinnen. Der Spanier Alain Santamaria holte sein zweites Bronze nach dem dritten Platz vom Freitag im VERTICAL.
Marta Martinez aus Spanien lief ein solides Rennen und steigerte ihr Tempo mit jedem Kilometer, so dass sie sich vom sechsten Platz am ersten Kontrollpunkt bis zur Goldmedaille im Ziel vorarbeitete. Das Podium komplettierte die Französin Olivia Magnone, die auf der letzten Abfahrt die Schwedin Louise Jernberg überholte und Silber bzw. Bronze holte.
Mit guter Form und nach großem Kampf finishten Julius Ott als 8. und Madlen Kappeler als 19. Beide Platzierungen sind absolut hervorragend! Madlen Kappeler sprach von einem Trail-Rennen in einer anderen Dimension!
„Der Wettkampf war für mich eine einzige Herausforderung in vielerlei Hinsicht. Und ich bin mehr als stolz diese gemeistert zu haben. Mein Respekt vor dem Rennen war enorm. 30km und über 2100hm waren bei 30 Grad zu bewältigen. Eine spezifische Vorbereitung hatte ich nicht. Durch meine langwierige Verletzung konnte ich erst vor kurzem mit dem Laufen wieder beginnen; die längste Strecke war 10km. Meine super Grundlagenausdauer war der Grund wieso ich mir den Wettkampf trotzdem zugetraut hatte. In dem Rennen gab es für mich viele erste Male und neue Herausforderungen. Im Skyrunning, dieser extremen Art des Trailrunning, bin ich die Anfängerin, aber irgendwann ist immer ein Anfang. Mein Wettkampfverlauf war für mich gut. Ich konnte den ersten Berg (1000hm) super bewältigen und kam als 4. oben an. Die felsige Passage auf dem Berg und der Downhill nahm ich allerdings vorsichtig und ging kein Risiko ein, dazu war die Strecke technisch richtig schwer. Dadurch habe ich einige Plätze verloren. Beim zweiten Anstieg von 1000hm konnte ich wieder einige Plätze gutmachen, musste aber damm final der großen Hitze Tribut zollen. Zufrieden und stolz sehe ich auf den Wettkampf zurück. Ich habe das Beste aus den Bedingungen gemacht und durchgezogen. Es war ein Hammer Erlebnis. Ich will mehr davon.“
Outtakes
„Hitze, Bären und Rock&Roll!“
Skyrunning Europameisterschaft in Montenegro! Ein ganz junger, aber nicht neuer, Bewerber auf der Veranstalter-Landkarte. Es gibt schon längere Zeit Skyrunning und Trail auf dem Balkan. Aber es ist irgendwie anders! Naturverbundener, bis auf die Rennen, entspannter, aber auch oft extremer! Es hat was! Was, muss jeder für sich selber entscheiden!
Auf jeden Fall – faszinierend!
Wie würde es Kaiser Franz Beckenbauer, rhetorisch immer Pulitzer-Preis verdächtig unterwegs, ausdrücken: „Montenegro ist nicht Österreich!“ Und er würde verdammt richtig damit liegen!
Angefangen von der erfrischend offenen und ehrlichen Streckenbeschreibung, mit Absätzen wie:
„… Es ist zu beachten, dass dieser Abschnitt von Katun Balić bis Gusinje voller Bären ist und wer Angst hat, sollte in einer Gruppe gehen oder Glocken tragen. Ein Teilbereich der Organisation und des GSS wird auf der Strecke von Trojan nach Gusinje eingesetzt. Wir werden diesem Teil der Strecke besondere Aufmerksamkeit widmen!“
oder
„Von der Ziellinie aus ist es aufgrund des sehr exponierten Geländes und der Absturzgefahr nicht gestattet, weiter in Richtung des Severni-Gipfels (Nordgipfel) des Karanfili zu wandern. Unsere Leute von der Rennorganisation werden vor Ort sein und Sie in die sichere Richtung und zur Startlinie bringen. Der berühmte Krošnja-Pass hat bisher 6 Personen getötet. Bitte erklimmen Sie diese Gipfel zu einem anderen Zeitpunkt in Ihrer eigenen Absprache – und nicht am Tag des Rennens“!
oder
„Sehr wichtig! Achten Sie auf Steinschläge. Der Weg ist nicht ungefährlich. Wenn Sie also mit dem Fuß einen Felsen hinunterrollen, müssen Sie die anderen Läufer warnen, indem Sie rufen: ROCK (auf Serbisch KAMEN)! Hören Sie auch über sich selbst, es wird mit Sicherheit Steinschläge geben.“
Text: Mit freundlicher Unterstützung von Uwe Seefeld-Herkommer
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