90 Tage nach Start des Projektes „Vom Tailrunner zum Langläufer..“ stehe ich nun am Bretterschachten in Bodenmais zwischen etwa 500 Langlaufverrückten an der Startlinie zum Skadi Loppet. Mein zugewiesener Startplatz befindet sich in der 3. Welle. Weit hinter den Eliteläufern und nur kurz vor dem Kaffeekränzchen. Ich genieße das Gefühl ohne Ambitionen oder Erwartungsdruck in ein Rennen zu gehen. Während bei Trailrunningveranstaltungen Sponsoren, Umfeld und das eigene Ego meist einen Podestplatz von mir erwarten, muss ich hier niemandem etwas beweisen und kann als Neuling mal ganz gemütlich Wettkampfluft schnuppern.
Aha-Effekt kurz vor dem Start
Der Ablauf zwischen Trail- und Langlaufwettkampf ist ähnlich: Freitag Startnummernausgabe mit Pastaparty, Shuttlebusse zum Start, Stau vor den Dixie-Klos und jede Menge erwartungsvolle Gesichter im Startbereich. Der einzige Unterschied: Ähnlich wie der deutsche Strandurlauber seine Liege, reserviert der erfahrene Langläufer seinen Startplatz. Dazu platziert er Ski und Stöcke bereits im Vorfeld auf der gewünschten Position im Block. Ich tue es den Profis gleich und lege meine Ski schön brav in Reihe zwei der dritten Startwelle. Nach meinem obligatorischen „Warme-Sachen-Ausziehen“ und „Angstbisler“ kurz vor dem Startschuss, erlebe ich bei meiner Rückkehr den ersten Aha-Effekt: Die Startreihen wurden bereits geöffnet und 100 Meter hinter den letzten Läufern liegen traurig, einsam und verlassen meine Skier. So beginnt also mein erster Start in einen Langlaufwettkampf aus der letzten Reihe – noch hinter den „ohne Stress Läufern“.
Zäher Anfang am Ende des Feldes
Entsprechend zäh gestaltet sich auch der Anfang des Rennens. Zwei Meter gehen, ein Meter stehen heißt es zu Beginn für mich. Unzählige Skier und Stöcke sind im Weg. So ist an ein Überholmanöver überhaupt nicht zu denken. Erst ab Kilometer sieben, bei einem längeren, breiten Anstieg lässt es sich gut überholen. Ab hier kann ich meine rohen Kräfte sinnlos walten lassen und finde eine Art Rhythmus. Der Skadi Loppet beginnt trotz stürmischem Wetter und matschiger, völlig zerstörter Loipe Spaß zu machen.
Wunsch nach einem Jägertee
Meist am Überholen, mich artig bei den paar unverwüstlich applaudierenden Zuschauern und den netten Helfern an den Verpflegungsstellen bedankend, genieße ich meinen ersten Auftritt bei einem Langlaufwettkampf. Runde zwei der 32k Strecke ist noch matschiger und tiefer als die erste und bei Kilometer 22 werde ich in einer Abfahrt von Hinten unsanft von den Beinen geholt (überfahren). Vor allem bei diesen unkontrollierten Abfahrten im tiefen, völlig verspurten Schneematsch steigt Puls und Adrenalinspiegel. So bin ich nach 2h:11min und Platz 202 heilfroh das Ganze gesund und verletzungsfrei überstanden zu haben. Meine Frau Veronika würde nun augenzwinkernd sagen „Ich glaube, du hast dich nicht richtig bemüht!“ und ein Durchschnittspuls von 130 deutet auch erstmal darauf hin. Aber das stimmt nicht. Gut, den Start und die ersten Kilometer habe ich verbummelt, aber dann habe ich im Rahmen meiner Möglichkeiten alles gegeben. Allerdings war ich bei diesen schwierigen Loipenbedingungen meist koordinativ so stark gefordert, dass ein höheres Tempo einfach nicht möglich war. Langlaufen ist einfach eine Kombination aus Technik, Körpergefühl, Kraft und Ausdauer und genau das macht diese Sportart so faszinierend. Mit bloßer Gewalt erreicht man hier wenig. Allerhöchsten Respekt deshalb an alle Teufelskerle, die mir hier bis zu 50! Minuten abgenommen haben. Chapeau!
Fazit
Meine Trainingsaufzeichnungen verraten mir, dass ich in den letzten 90 Tagen fast 400 Kilometer und 30 Stunden auf Langlaufskiern verbracht habe. Gemäß dem Motto „der Weg ist das Ziel“ hat mir dabei die Vorbereitung auf den Skadi Loppet meist mehr Spaß gemacht als das Rennen selbst. Die Faszination Skilanglauf hat mich mächtig gepackt und ich möchte das im nächsten Jahr unbedingt ausbauen. Jetzt wird es aber erstmal Zeit für den Frühling, kurze Hosen und den Start in die Trailrunningsaison…