Was im Radsport bereits seit Jahren gang und gäbe ist, hält seit gut einem Jahr auch Einzug in den Laufsport: Das gezielte Training mit Powermetern – also Geräten die unsere Leistung messen.
Den Radsport hat diese Trainingsmethode in andere Dimensionen katapultiert, aber ist es auch für Läufer sinnvoll? Bzw. wie können wir Trailrunner den Powermeter nutzen?
Testbeginn im November 2016
Im November 2016 hatte ich ein solches Gerät (STRYD) in Zusammenarbeit mit Oliver Hein (www.effektiver-trainieren.de) erhalten und setze es seitdem konsequent im Training ein. Eines vorweg: Man lernt viel über sich, den eigenen Körper und seine Trainingsmethoden – ob es einen Trainingseffekt bringt sollte sich zeigen.
Um ein bisschen Licht ins Thema „Wattmessung für Trailrunner“ zu bringen und manchen von euch den Einstieg etwas zu erleichtern möchte ich im Folgenden die wichtigsten Fragen klären:
Wer ist dieser STRYD eigentlich?
Das im US-amerikanischen Boulder ansässige Startup-Unternehmen hat sich der kniffligen Aufgabe angenommen und das erste Powermeter für den Laufsport entwickelt. In der aktuellsten Version arbeitet STRYD mit einem kleinen anclipbaren Powermeter für die Schuhe und man spart sich so den lästigen Brustgurt.
Und so funktioniert der Powermeter: Stryd zeichnet mehr als zwölf Messgrößen auf, welche die sportliche Leistung, Technik, Muskelkraft und Kondition, aber auch die externen Laufbedingungen quantifizieren und packt diese Daten allesamt zusammen zu einer Größe: Leistung.
Wie kann man die Daten anzeigen lassen?
Gängige Uhrenmodelle haben Apps entwickelt um die Leistung auszulesen. Getestet habe ich das Ganze mit der Garmin fenix 3 sowie den SUUNTO Modellen Ambit3 und Spartan.
Bei den Garmin Modellen ist etwas Vorarbeit nötig um die Wattmessung nutzen zu können. Hier lädt man aus dem Connect IQ Store eine der kostenlosen Apps und kann sie anschließend in das Training integrieren:
Die „Stryd IQ“ ist dabei ein komplett neues Profil, „Stryd Power“ bietet die Möglichkeit die Wattzahl als einzelnes Datenfeld in jedes Profil zu integrieren.
Bei SUUNTO Movescount ist Leistung als Sportmodus unter Laufen bzw. Trailrunning bereits vordefiniert und muss nur noch ausgewählt werden. Bei mir hat sich dabei der Mittelwert aus den letzten 3s bewährt, da ansonsten die Varianzen zu groß sind.
Wie werte ich die Daten aus?
Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Kostenlose Software zur Auswertung der Daten wäre:
- TrainingsPeak
- GarminConnect
- Movescount
- STRYD Powercenter
Es bleibt den eigenen Vorlieben vorbehalten, welche Software man zur Datenanalyse heranzieht. Alle drei oben genannten funktionieren einwandfrei. Die Daten aus Garmin Connect oder SUUNTO Movescount werden in die anderen beiden Systeme automatisch importiert.
Welche Kennzahlen sind wichtig?
TSS: Trainingsbelastungsgrad – Maß der individuellen Trainingsbelastung unter Berücksichtigung von Intensität und Dauer der Belastung.
Critical Power (FTP): Funktionsleistungsschwelle in Watt – Die höchste durchschnittliche Leistung, die über genau eine Stunde aufrechterhalten werden kann.
Intensitätsfaktor (IF): Grad der Belastung der Trainingseinheit. 100 % ist dabei die Belastung die über genau eine Stunde maximal aufrechterhalten werden kann.
Normalized Power (NP): Normalisierte Durschnittsleistung der Trainingseinheit.
Was bringt mir der Powermeter im Training?
Verbesserung der Laufeffizienz
Eine Trainingsverbesserung tritt nicht nur ein, wenn man schneller wird, sondern auch, wenn man für dieselbe Geschwindigkeit weniger Watt benötigt als zuvor. Klar – eine geringere Wattzahl kann man länger aufrechterhalten, weshalb es vor allem für uns Ultraläufer wichtig ist möglichst effizient zu laufen.
Trainingsbeispiel: Man läuft auf flacher Strecke ein flottes, aber gleichmäßiges Tempo und beobachtet wie die Leistung bei Veränderungen im Laufstil (Vorfuß, Mittelfuß, Körperspannung, etc.) variiert. Den Laufstil mit der niedrigsten Wattleistung versucht man beizubehalten.
Bereits in Rio wurde das neue Powermeter von einigen Olympioniken getragen und getestet, um ihre Laufeffizienz und Leistung zu steigern. Bis jetzt war die Effizienz außerhalb des Labors eine nicht messbare Größe. Läufer, die daran arbeiten wollten, waren eher im Blindflug unterwegs.
Als eine der Messgrößen, welche in die Leistungsberechnung mit einfließt, wird die „Bein-Feder-Steifigkeit“ mit gemessen. Stellt man sich den menschlichen Körper als Feder-Masse-System vor, so sind die Federsteifigkeiten entscheidend, ob sich der Körper effizient oder ineffizient vorwärts bewegen kann. Die Bein-Feder-Steifigkeit kann z.B. durch gezielte Kräftigungsübungen von Muskeln und Sehnen verbessert werden.
Training von Bergintervallen in den ermittelten Zonen
Eine Leistungsdiagnostik macht nur dann Sinn, wenn man sich auch an die festgelegten Trainingsbereiche hält. Das ist bei der Pace auf flacher, ebener und windstiller Strecke ganz gut möglich, am Berg funktioniert es leider schon nicht mehr. Auch die Herzfrequenz variiert je nach Witterung, Tageszeit oder der Ernährung erheblich. Somit ist ein gezieltes Training am Berg nur mit Watt möglich.
Trainingsbeispiel: 400er Intervalle auf der Bahn laufe ich etwa im 3:00er Pace, was einer Leistung von 415 Watt entspricht. Möchte ich ein ähnlich effektives Training am Berg machen, laufe ich 1:15min mit kontant 415 Watt bergauf.
Belastungssteuerung
Eine der wichtigsten Größen, die ich in Zusammenhang mit dem Training nach Watt kennenlernen durfte ist der TSS (Trainingsbelastungsgrad). Mit ihm lassen sich nun Trainingseinheiten, egal ob Straße oder Trail, kurz und knackig oder lang und langsam, vergleichen. So weiß ich genau, was ich meinem Körper mit welchen Einheiten antue und kann vor Überlastungen rechtzeitig die Notbremse ziehen, bzw. sehe sehr deutlich wann ich noch einen Gang zulegen sollte.
Dabei kann mir sowohl der TSS einer einzelnen Einheit, als auch die Summe des TSS über eine komplette Woche hilfreich sein.
Ein TSS von 100 entspricht der Belastung von einer Stunde laufen an der Funktionsleistungsschwelle (FTP).
Gleichmäßige Wattleistung im Wettkampf
Jeder halbwegs ambitionierte Läufer weiß, dass beim flachen Straßenlauf die besten Ergebnisse erzielt werden, wenn man eine konstante Pace läuft. Genau diese Konstanz war bisher beim Trailrunning nicht möglich, weil es ständig rauf, runter und über technisches Gelände geht. Was aber nun möglich ist, ist eine annähernd konstante Wattleistung in einem Wettkampf zu bringen – was theoretisch die Performance verbessern sollte. Der Selbstversuch steht hier allerdings noch aus.
Wie beginne ich mit dem Training nach Watt?
Zu Beginn mache ich einen sogenannten Critical Power Test, der von Stryd vorgegeben wird und wie folgt abläuft:
Anhand dieses Tests werden die jeweiligen Trainingsbereiche bestimmt, die bei mir auch (hisichtlich der ermittelten Pace) sehr nahe an die Ergebnisse einer professionellen Leistungsdiagnostik kamen. Was für den Test spricht und die Ergebnisse wirklich brauchbar macht.
Und schon kann es losgehen, das Training mit Watt 🙂
Ausblick
In der Artikelserie „Leistungsorientiertes Trailrunning“ haben wir versucht das Training mit Watt auf den Trail zu bringen. Mittlerweile war der Powermeter über ein Jahr im Einsatz und um eines vorweg zu nehmen: Es gab Licht und Schatten.
Hier das Fazit über „Ein Jahr Laufen mit Watt„…