Philipp Ausserhofer: Das Bergsport Multitalent

Philipp Ausserhofer © Moritz Klee

2022 ist das Jahr des Philipp Ausserhofer. Der Pharmazeut aus Südtirol wird auf den Trails über die Ultradistanzen immer besser und konnte nach seinen Erfolgen beim mozart100 und dem Dolomiti Extreme Trail 2021 seine Entwicklung mehr als bestätigen. Dem Sieg beim Hochkönig Man folgte ein sensationeller 2. Platz beim Val d’Aran by UTMB – immerhin ein Rennen der UTMB Majors Europe Serie. Aber Philipp ist ein Multitalent in Sachen Bergsport. Neben Wettkämpfen, Höhenbergsteigen oder Skimountaineering beeindruckt der Ahrntaler durch sensationelle Fotos und Videos. Wir haben „theflyingflip“ zu seiner Passion befragt.

Interview: Philipp Ausserhofer

Philipp Ausserhofer © Moritz Klee

Philipp, du hast die UTMB World Series für dich entdeckt und als großes Ziel für dich auserkoren. Was fasziniert dich an dieser Serie und warum ziehst du diese Rennen den anderen vor?

Die UTMB World Serie löste zu Beginn des Jahres die alte Ultra Trail World Serie ab, welche mich ebenfalls schon sehr faszinierte, und hat nun den Anspruch die wichtigsten Ultratrail Bewerbe der Welt zu vereinen und uns Athleten eine irre Plattform zu liefern, um uns auf höchstem Niveau gegenseitig zu duellieren. Mich fesselt diese Serie – ich finde sie genial konzeptioniert, von den Qualifiers bis zum Finale in Chamonix, und finde dort die Möglichkeit mich mit den besten Ultratrail-Athleten der Welt zu messen, davon zu lernen und zu wachsen. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass die Serie jedes Jahr im UTMB mit seinen Events gipfelt und mich genau dieser Event seit meinem ersten Kontakt mit diesem Sport extrem fasziniert. Die Bilder, die Geschichten, die Emotionen dieser Reise um den Mont Blanc – ich kann es kaum erwarten, selbst Teil dieses Mythos zu sein. Ich bin dieses Jahr jedoch auch andere Events außerhalb der Serie gelaufen, wie etwa den Hochkönigman in Maria Alm oder den Penyagolosa Trail in Spanien. Mein Fokus für die nächsten Jahre gilt jedoch definitiv den Distanzen über 100 Kilometern. Dabei wird es wieder einen Mix aus der UTMB World Serie und anderen prestigeträchtigen Events in meinem Rennkalender geben.

Eine Übersicht über alle Rennen der Serie gibt es hier

Auf deiner Webseite (www.theflyingflip.com ) prägst du den Begriff „Trailkraxl“. Was verstehst du darunter genau und würden für diese Passion die Rennen der Skyrunning World Series nicht besser passen?

Ich wurde mal gefragt, wie für mich der perfekte Lauf aussehe und wie ich meine Art des Laufens beschreiben würde. Da ich vom alpinen Bergsport und nicht vom Laufen an sich, wie etwa viele Leichtathleten oder Triathleten, komme, war für mich der Begriff Trailkraxl eine schöne Metapher. Wo flowige Trails in steile, ausgesetzte Grate übergehen, jeder Schritt sitzen muss und sich die allermeisten nicht mehr vorstellen können, dass man dort noch laufen kann, fühle ich mich am wohlsten. Das ist für mich Trailkraxl´n. Meine persönliche Spielform im Training. Dort tanke ich Energie und Kraft für meine Ultrawettkämpfe. Wenn man diese Art des Laufens in den diversen Wettkampfserien suchen würde, würde man gewiss bei den Rennen der Skyrunning World Series landen. Definitiv ein reizvoller Gedanke, wenngleich ich mein Training dafür adaptieren müsste, um auch dort im Wettkampf konkurrenzfähig zu sein – sprich mich auf die viel intensivere und kürzere Belastung umstellen. Bisher hat sich die Möglichkeit dazu noch nicht ergeben, aber schauen wir was die Zukunft bringt.

Val d’Aran by UTMB gilt als eines der technisch anspruchsvollsten Rennen der Serie. Wie empfandst du den Kurs – was war das Besondere an dieser relativ neuen Route?

Val d´Aran war das diesjährige Major der UTMB World Serie in Europa und hatte nach der Ausgabe im vergangenen Jahr den Ruf technisch herausfordernd und anspruchsvoll zu sein. Genau meins dachte ich mir, als ich das Streckenprofil sah. Ich kann nur von der CDH (100K) Strecke berichten und fand sie unfassbar schön. Sie war sehr ausgewogen zwischen technischen Bereichen und super schnellen lauf-lastigen Abschnitten. In Erinnerung bleibt mir neben der pyrenäischen Bergwelt vor allem die Laufbegeisterung und Euphorie der Freiwilligen und Zuschauer an der Strecke. Sie trieben den Zweikampf zwischen Andreu und mir immer weiter an. Ich werde gewiss in die Pyrenäen zurückkehren.

Würdest du sagen deine Skills in Sachen Klettern und (Höhen-)bergsteigen, bringen dich auch bei Ultratrailwettkämpfen weiter?

Wahrscheinlich ist es dieser Mix an Skills der bei Ultra-Wettkämpfen entscheidend ist und der mich an dieser Disziplin des Trailrunnings so fasziniert. Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, ist kein Schritt eines Ultra-Wettkampfs technisch wirklich schwierig – wenn man vom Alpinismus kommt. Wenn man sich dann jedoch vor Augen hält, wie lang die Wettkämpfe gehen und wie anspruchsvoll häufig die Bedingungen sind – Kälte, Nacht, Regen…, stellt dies eine neue Herausforderung dar. Vor allem eine psychische. Ich bin mir sicher, dass ich mit meinen technischen Grundfähigkeiten viel Kraft und Konzentration sparen kann und diese an anderer Stelle als Reserve übrig habe. Dadurch kann ich gerade in schwierigen Passagen oder unter fordernden Bedingungen diese nutzen und Zeit gut machen. Dies gibt mir innere Ruhe und Vertrauen. Genauso wichtig ist es mittlerweile jedoch auch in den Laufpassagen genügend Speed mitzubringen, um ganz vorne mitlaufen zu können. Es geht genau um diesen Mix, um den kompletten Athleten – im Wissen um die eigene Stärke.

Du definierst bewusst Ultrarunning als deine Disziplin. Warum hast du dich für die langen Kanten entschieden?

Mit der Ultradistanz habe ich meine Disziplin im Wettkampf gefunden. Es fasziniert mich gerade die mentale Komponente neben all den körperlichen Strapazen, welche sicher eine meiner größten Stärken ist. Ultralaufen ist ehrlich. Harte Arbeit wird belohnt. Demut und Durchhaltevermögen sind in diesem Sport Teil der Lauf-Kultur und stimmen mit meinem persönlichen Wertebild zusammen. Wer Ultras laufen will, muss gern mit sich selbst allein sein, mit sich im Reinen sein. Daran scheitern wohl viele. Neben diesem mentalen Aspekt kann ich meine Faszination ganz einfach runterbrechen: umso länger ich unterwegs bin, umso mehr erlebe und sehe ich. Ich könnte wohl nach jedem Ultra-Wettkampf ein Buch schreiben; von all den Höhen und Tiefen berichten, den Steinböcken, mit denen ich um die Wette lief oder den schimmernden Regenbogen nach den intensiven Platzregen. Der Ultra an sich, ist für mich Sinnbild für unser Leben. Das fasziniert mich daran.

Ein weiteres Talent, das wir immer wieder (oft in Zusammenhang mit befreundeten Athleten) bewundern dürfen ist die Fotografie.  Siehst du das als Hobby, Ausgleich, oder vielleicht sogar als Zukunft nach der aktiven Karriere?

Vielen Dank fürs Kompliment. Mit der Fotografie habe ich eine zweite große Leidenschaft gefunden, die ich perfekt mit dem Laufen verbinden kann. Ich darf im täglichen „Draußen sein“ so viel erleben, von dem ich anderen erzählen möchte. Selbst habe ich den Anspruch meine Faszination und Leidenschaft für das Trailrunning im ästhetischen Bildstil zum Ausdruck zu bringen und andere damit zu inspirieren, selbst die Laufschuhe zu schnüren. Ich laufe und erzähle, um andere zu inspirieren und nicht zu beeindrucken. Selbst lerne und ziehe ich soviel Kraft aus den Momenten am Berg und aus dem Laufen. Ich hoffe mit meinen Bildern bei vielen da draußen die Lust zu entfachen, selbst die Laufschuhe zu schnüren, nach draußen zu gehen und loszulaufen.

Dein nächstes Ziel ist der UTMB in Chamonix. Wie sehen bei dir die letzten vier Wochen vor dem großen Saisonhighlight aus? Wie bereitest du dich vor? Was trainierst du?

Nun hat tatsächlich die heiße Phase begonnen: die Tage bis zu meinem ersten Start beim UTMB werden gezählt. Ich kann es kaum erwarten in Chamonix an der Startlinie stehen und loszulaufen zu dürfen. Beim Gedanken daran habe ich schon seit Wochen einen fetten Grinser im Gesicht. Nach Val d´Aran bin ich nun sehr entspannt, auch weil ich mein Ticket für den UTMB 2023 schon in der Tasche habe. Mein Ziel ist es Erfahrung zu sammeln, mein erstes 100 Meilen Rennen zu finishen und dann sehen wir was rauskommt. Die letzten Wochen werde ich noch intensiv und fokussiert trainieren, an meinem Speed arbeiten und meine Lauftechnik verbessern. Ich werde alles dafür geben, um mich von den Val d´Aran Strapazen super zu erholen, um dann mit vollen Akkus an der Startlinie zu stehen und bereit zu sein für meine erste Reise rund um den Mont Blanc. 

Planst du schon über den UTMB hinaus? Wie sehen deine langfristigen Ziele aus?

Absolut ja. Mit dem UTMB findet nun bald das persönliches Highlight meiner bisherigen Ultra-Karriere statt, womit ein großer Traum in Erfüllung geht. Mein Plan für die Saison geht jedoch darüber hinaus und schon weit in die nächste Saison hinein. Ich werde im September zuerst nach Island reisen, um dann noch bei einem weiteren Rennen der UTMB World Serie laufen. Ein großes weiteres nahes Ziel wäre die Teilnahme bei der Heim-WM 2023 in Innsbruck/Stubai im nächsten Jahr. Das wäre doch irre eine WM dort laufen zu dürfen, wo ich täglich trainiere. Langfristig steht der UTMB 2025 auf meiner Liste. Dort möchte ich dann über genug Erfahrung und Skills verfügen, um mich gegen die Besten unserer Zunft messen zu können. Persönlich möchte ich meine Werte und Leidenschaft fürs Laufen weitervermitteln und die Freude am Laufen behalten.

Philipp Ausserhofer © Moritz Klee

Philipp Ausserhofer: Tipps vom Ultra-Spezialisten

In unserer Interviewserie geben die Protagonisten immer drei Tipps für die Leserinnen und Leser. Welche besonderen Empfehlungen und Tipps hast du im Bereich Ultratrail in Bezug auf:

  1. Training

Qualität vor Quantität. Etwas das ich auch erst lernen musste, gerade als junger Ultraläufer. Natürlich ist es entscheidend die Kilometer in die Beine zu bekommen und sein Trainingsprogramm abzuspulen, gerade in der Vorbereitung. Genauso wichtig und vor allem in der Wettkampfzeit, ist es ausreichend Zeit für Regeneration und Erholung einzuplanen. Massagen und Physiotherapien sind gerade in der Prävention entscheidend, nicht erst dann, wenn man sich verletzt hat. Jeder muss hierbei seine eigene Balance finden, das braucht Zeit und ist ein spannender Prozess. Bei allem Ehrgeiz und Trainingsfleiß ist es mir ein Anliegen, dass der Spaß, der Respekt vor der Natur und die Abenteuerlust nie verloren gehen darf.

  1. Ernährung

Ausgewogen und regional. Welcher Ernährungsform man dabei angehört ist jedem selbst überlassen. Das Ernährungsthema ist für mich als Apotheker jedoch extrem wichtig und mega spannend. Gerade im Ultrabereich ist die Ernährung eine entscheidende Komponente – in der Vorbereitung, im Wettkampf und in der Regeneration. Mein wichtigster Tipp hierbei: niemals sparen und aufhören sich zu verpflegen, nur weil das Training bald vorbei ist. Darunter leidet das nächste Training. Tipp Nummer 2: Niemals neue Sachen im Wettkampf probieren. Jedes Gel und Iso, muss im Training vorheretabliert sein.

  1. Material

Keine Kompromisse. Auf mein Material muss ich mich zu 100% verlassen können. Ich tüftle und probiere hier sehr viel herum und teste viele Sachen aus – mal funktionieren sie mehr, mal weniger. Ich finde es extrem spannend, mich aktiv in die Produktentwicklung einzubringen und die Produkte weiter zu verbessern. Probiert euch aus, brecht Stöcke und läuft Schuhe löchrig. Testet verschiedene Marken und findet euren Mix. Aber auch hier gilt: im Wettkampf keine Experimente.